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NPL Etappe 9, Røyrvik bis Umbukta

Tag 82, 04.08.2023

Als wir wach werden, hängen die Gletscherausläufer vor unserem Zelt noch tief in den Wolken.

Bis wir losgehen, hat sich das aber geändert und sogar die Sonne zeigt sich schon. Wenn das mal keine guten Aussichten für den Tag sind, im wahrsten Sinne!

Das Wasser, das gestern noch ziemlich hoch zwischen den Gräsern stand, ist zu großen Teilen in den Boden geflossen. Ich bin mir unschlüssig, was ich besser finde. Nun laufen wir über sehr nassen und sehr federnden Boden. Ich glaube, dann nehme ich doch lieber nass und fest. Aber mich fragt hier ja keiner. 😉

Wir folgen dem Weg zur Gressvasshytta.

Es gibt hier eine kleine Nothütte und die große Haupthütte. Die kleine Nothütte ist auch aktuell nutzbar und bietet Schlafplätze für bis zu drei Personen. Der Raum ist aber winzig. So viel kann ich durch das Fenster erkennen. Die neue bzw. erweiterte Haupthütte sieht zumindest äußerlich noch sehr nach Baustelle aus.

Wir kennen aber Fotos von der neuen Inneneinrichtung und so wird das hier definitiv eine richtig schöne neue Hütte! Ob das bis Ende des Monats klappt… Aber wer weiß. Es dürfen sich auf jeden Fall alle freuen, die hier nächstes Jahr unterwegs sind.

Wir ziehen aber weiter und freuen uns darauf, bei gutem Wetter hoch zum Gletscher zu gehen.

Heute lohnen sich der Weg und der Ausblick definitiv.

Bei schlechtem Wetter hätten wir vielleicht den alternativen Weg gewählt, der minimal kürzer ist und weniger Höhenmeter beinhaltet. Aber wir freuen uns richtig, dass wir den „anstrengenderen“ Weg gehen können. Im Endeffekt ist der Weg dorthin aber sehr einfach und der Blick auf den Okstindbreen lohnt sich schon, sobald man das Gletschertal (so nenne ich es einfach) betritt.

Wir genießen die Aussicht und machen eine ausgiebige Pause. Gletscher sind einfach immer wieder unheimlich beeindruckend!

Riesengroß wirkt der Gletscher und die Eismassen wirken so massiv. Doch auch hier verkleinert sich das Eis leider kontinuierlich.

Während unserer Pause beobachten wir zwei Personen bei der Gletscherquerung.

Wir vermuten, dass sie den Aufstieg zum Oksskolten wagen wollen, also auf den höchsten Berg Nordnorwegens (1916 m). Den Gletscher passieren sie jedenfalls problemlos und auch am uns gegenüberliegenden Hang scheinen sie sicher unterwegs zu sein.

Unser weiterer Weg ist felsig, aber auch hier gut machbar. Erst geht es noch ein paar Felsen hinauf, so dass wir den Gletscher aus verschiedenen Winkeln sehen können. Egal wo man steht, einfach beeindruckend!

Dann geht es wieder bergab. Wir erwarten einen komplizierten Abstieg. Die ersten Meter sind tatsächlich etwas steiler, aber insgesamt finden wir den Abstieg viel besser, als wir es den engen Höhenlinien auf der Karte nach vermutet hätten.

Durch die viele Nässe am Hang (bzw. überall) müssen wir hier und dort besonders gut darauf achten, wie wir unsere Füße setzen. Aber so ist das halt, wenn Nässe auf Felsen trifft.

Am Parkplatz machen wir in einem Unterstand erneut eine Pause.

Stefan entdeckt nämlich, dass es hier Empfang und Internet gibt. Ich entdecke hingegen, dass in dem Unterstand eine Arc’teryx Jacke vergessen wurde. Wer vergisst denn bitte so eine Jacke??? Leider ist es ein Herrenmodel. Mir zu groß, Stefan zu klein. Sonst hätte ich glatt darüber nachgedacht… 😀

Nach einem kurzen Straßenstück biegen wir wieder auf den Wanderweg ab.

Von hier an sind es nur noch 22 km bis Umbukta. Die laufen wir heute aber nicht mehr komplett. Wir befinden uns übrigens immer noch auf der Nordlandruta, die insgesamt 650 km lang ist. Wir werden ihr zu großen Teilen folgen. Zunächst ist der Weg ziemlich matschig, so dass meine Füße langsam doch nass werden. Es hat zumindest recht lang geklappt heute. Das ist doch auch was.

Je höher wir gehen, desto stabiler wird der Untergrund wieder. Dafür gibt es dann Wasser von oben.

Über den Tag verteilt gab es immer wieder winzig kleine und seichte Schauern, die alle höchstens fünf Minuten gedauert haben. Jetzt hängen wir aber für 1,5 Stunden in einer Regenfront. Dazu gibt es einen frischen Wind. Für eine letzte Pause suchen wir Schutz hinter einem Felsen, aber dann gehen wir schnell weiter. In Bewegung bleiben wir immerhin warm.

Unser Ziel ist es, morgen noch maximal 10km bis Umbukta zu gehen. Die letzten fünf Kilometer heute sind eine Mischung aus Regen, Sonne und ganz hauchfeinen Regenbögen. Um uns herum sehen wir wolkenverhangene Felswände, viele kleine Hügel und einen Teil des Sees, der wie alle Stauseen bisher sehr wenig Wasser hat.

Obwohl Norwegen Wasser in unvorstellbaren Mengen hat (denken wir jedenfalls immer) zeichnen sich auch hier mangelnde Schnee- und Regenfälle sowie größere Trockenheit in der (Wasser-)Landschaft ab.

Kurz vor unserem Kilometerziel passieren wir noch die Grasfjellkoja, eine Nothütte, in die Daniel wohl eingezogen ist. Zumindest sehen wir seinen Spot-Sender draußen.

Wir wollen aber wieder ins Zelt und gehen noch ein Stück weiter. Etwas oberhalb des Wanderwegs finden wir einen schönen Platz, der wieder einen tollen Ausblick bietet. Könnten wir die ganze Umgebung sehen, wäre es sicherlich noch beeindruckender, aber auch jetzt sieht es schon toll aus.

Auch wenn der Regen und meine sehr nassen Füße zuletzt doch ein wenig nervig waren, war das wirklich ein beeindruckender Tag! Wir haben vorab gedacht, dass es nicht so schlimm wäre, wenn wir den Okstindbreen wetterbedingt nicht sehen könnten, da wir schon so viele Gletscher gesehen haben, aber jetzt, im Nachhinein, wäre das doch sehr schade gewesen. Wir hatten also wieder einmal ein riesiges Wetterglück! Das war ein toller Abschluss für diese Etappe, auch wenn sie natürlich noch nicht ganz beendet ist.

Heute waren es etwas über 25 km, morgen sind es nun unter 10. Das wird also ein entspanntes Wochenende!

Tag 83, 05.08.2023

Heute fühlt es sich mal wieder komisch an, hier in Norwegen zu sein. Denn wären wir in Deutschland, hätten wir heute einen ganz wichtigen und schönen Termin. Meine Freundin aus Kindheitstagen, Ruth, heiratet nämlich! Und wir können nicht dabei sein. Das ist sehr, sehr schade und tut durchaus weh. Aber gedanklich sind wir den ganzen Tag voll dabei und wissen sicher, dass es ein absolut wundervoller Tag für die beiden wird!

Unser Wandertag startet entspannt. Wir haben 9,9 km vor uns und können die voraussichtlich bei trockenem Wetter wandern. Es hängen immer noch viele Wolken am Himmel, aber die Sicht ist etwas besser als gestern.

Als wir gerade das Zelt zusammenpacken, sehen wir Daniel unterhalb auf dem Wanderweg. Und da wir von hier oben einen guten Überblick haben, sehen wir aus Richtung Umbukta zwei Personen kommen. Na wenn das mal nicht Lukas und Kim aus Schweden sind. Die zwei sind Mitte Juni am Nordkapp gestartet. Wir treffen sie dann wohl gleich auch.

Und tatsächlich, wir kommen nur wenige Meter weit, dann gibt es ein großes Hallo und wir erzählen eine Weile mit dem Pärchen. Es ist ziemlich lustig, dass man hier auf quasi wildfremde Leute trifft, die man aber schon von Instagram kennt und deshalb genau weiß, wann man wo auf wen treffen könnte.

Als dann noch jemand hinter uns den Hügel hinaufkommt, rufe ich direkt „Hallo Nadja!“. Nadja kommt auch aus Deutschland und führt aktuell die Rangliste der diesjährigen NPL-Pleiten, Pech und Pannen-Liste an. Sie hat es nämlich geschafft, mitten im weglosen Børgefjell ihr Handy zu verlieren, das sie vor allem für die Navigation gebraucht hat. Ein paar Tage später sind ihr dann während einer Furt die Wasserschuhe davongeschwommen. Nadja ist offensichtlich wahnsinnig froh, auf andere Wanderer und NPLer zu stoßen und redet wie ein Wasserfall drauflos. Sie ist uns direkt sehr sympathisch. 😀

Wir verabschieden uns von Kim und Lukas und machen uns auf nach Umbukta. Die Kilometer bis dort sind etwas zäh. Jede noch so kleine Anhöhe wird mitgenommen, dazwischen versinkt man im Matsch. Ich fühle mich in das Skjækerfjell zurückversetzt.

Nach der Hälfte des Weges holen wir Daniel ein und laufen ab dort gemeinsam bis zur Umbukta Fjellstue.

Hier sorgen wir für eine Überraschung. Gleich vier NPLer auf einmal!

Das alte Ehepaar hat anscheinend leichte Schwierigkeiten, zu erkennen, wer hier zu wem gehört und dass wir keine zusammengehörende Wandergruppe sind. So bitten wir einfach um ein Doppelzimmer, bekommen aber erst die kleine und super gemütliche Wanderhütte gezeigt, das Stabburet, in dem NPLer eine Nacht kostenlos schlafen dürfen.

Es gibt im Obergeschoss drei Betten, unten eine kleine Wohnküche. Wir möchten aber trotzdem lieber unser eigenes Zimmer mit Bad. Dann wird uns noch das Gästehaus gezeigt, dass wir ebenfalls zu viert belegen könnten, aber auch dort gäbe es nur zwei Doppelbetten, eins davon im Flur. Die Verständigung mit dem Mann ist nicht ganz einfach. Er spricht nur norwegisch (was natürlich total in Ordnung ist), wir sprechen nur alle nicht so richtig gut norwegisch und können daher nur schwer vermitteln, dass wir drei voneinander unabhängige Parteien sind. Leicht verzweifelt zeigt er uns die normalen Zimmer. Daniel und wir nehmen jeweils eins.

Für Wanderer gibt es aber auch dafür einen reduzierten Preis von 275 NOK pro Person pro Nacht statt 980 NOK pro Nacht für ein Doppelzimmer. Nadja bricht hingegen die Lanze für das wandernde Volk und bezieht das Stabburet.

Dann holen wir noch unsere Pakete und binnen Minuten verwandelt sich unser Zimmer wieder in das übliche Chaos aus Rucksack- und Paketinhalt.

Stefan genießt als erstes die Dusche, ich verschiebe meine auf später. Denn wir haben noch einen wichtigen Punkt auf der Liste: Einkaufen! In Umbukta gibt es dazu genau gar keine Möglichkeit. Da wir aber am Wochenende hier sind, gibt es in gut 3km Entfernung, direkt auf der schwedischen Seite der Grenze, eine Option. Dort steht von Freitag bis Sonntag der Matbussen. Das ist ein kleiner Supermarkt in einem alten Bus. Ohne Gepäck sind die Kilometer schnell gelaufen.

Wir haben für die nächste Etappe genug zu essen im Paket, aber für die Pausenzeit wollen wir schließlich auch versorgt werden. Der Matbussen bietet ein wildes Sammelsurium aus Lebensmitteln in ebenso wilder „Sortierung“. Frische Lebensmittel (Obst und Gemüse) gibt es nicht, aber jede Menge Süßigkeiten. Wir kaufen Chips, Kekse und einen Block Käse. Wir können einfach nicht widerstehen. 😂 Vielen Dank für die Unterstützung zur Pausenverpflegung, liebe Anja S.H. Und auch danke für deine vielen lieben Nachrichten und Gespräche, die wir schon vor der Reise immer geführt haben!

Nachdem auch ich geduscht habe, gehen wir zum Abendessen. Daniel und Nadja haben sich bereits Kaffee und Waffeln gegönnt, nun gibt es Burger für alle. Zum Nachtisch dürfen es heute Pommes mit Würstchen sein. Unsere Gastgeberin taut sichtlich auf, als ich ihr unser Dankeschön für die Paketaufbewahrung überreiche und langsam erkennt sie auch, wer hier wie (nicht) zusammengehört.

Nach dem Essen wasche ich noch schnell unsere Sachen im Waschbecken (da kann unmöglich noch Dreck im Fjell sein! Wir haben offensichtlich alles mitgenommen) und dann setzen wir uns in Nadjas Hütte und futtern uns durch unsere Chipsvorräte aus dem Matbussen.

So geht der Tag zwar nicht mit einer Hochzeitsfeier, aber immerhin mit einer kleinen NPL-Feier zu Ende. Denn Umbukta ist ein richtiger Meilenstein!

Tag 84, 06.08.2023

Heute machen wir Pause. Und gratulieren uns zum Aufwachen erstmal zum Hochzeitstag. Sieben Jahre ist das nun schon her. Und auch nach mehr als 2,5 Monaten, in denen wir uns 24/7 auf mehr oder weniger kleinem Raum aushalten müssen, gehen wir uns noch nicht auf die Nerven. Oder zumindest nicht mehr als sonst. 😉 Das sind doch gute Aussichten!

Wir haben uns um 9 Uhr für das Frühstück angemeldet und freuen uns schon sehr darauf. Da merkt man richtig, wie Deutsch man ist: endlich wieder Brot!

Und ja, uns allen hier fehlt „richtiges“ Brot. Aber man braucht schließlich auch Anreize, um wieder nach Hause zu wollen. Und nein, Brot steht auf dieser Liste nicht an erster Stelle, keine Sorge. 😂

Danach ist es Zeit für ein Videotelefonat. Denn wir haben noch Glückwünsche an das frisch vermählte Brautpaar Ruth und Merlin zu übermitteln. Man mag es kaum glauben, aber gestern hatten sie da irgendwie keine Zeit für. Wir stoßen auf das Brautpaar aus der Ferne mit einem Whiskey aus unserem Versorgungspaket an.

Der restliche Tag verfliegt mit dem üblichen Pausenprogramm. Faul sein, essen, schlafen, essen, telefonieren, essen… Heute Nachmittag oder Abend wird unsere Gruppe um noch eine weitere Person wachsen. Daina, auch aus Deutschland, kommt dann ebenfalls hier an. Das wird also bestimmt wieder ein netter Abend!

An dieser Stelle bedanken wir uns schon vorab bei Michael für die Einladung zum Meilenstein-Bier für die gesamte NPL-Gruppe! Da freuen wir uns heute Abend schon drauf. Wir revanchieren uns spätestens dann, wenn du auf deiner eigenen Tour in Umbukta ankommst!

Ausblick

Das nächste Etappenziel lautet Sulitjelma. Wir planen bis dort 9-10 Tage ein. Der Weg ist weiterhin klar: immer der Nordlandsruta folgen. Landschaftlich erwarten uns wieder einige Highlights, wie zum Beispiel das Saltfjellet, das uns jetzt schon mehrfach angepriesen wurde. Wir sind gespannt! Da die Wettteraussichten anfänglich miserabel sind (höflich ausgedrückt), freuen wir uns auf viele gemütliche Hütten. Die gibt es ab sofort nämlich auch wieder! Es kann also eigentlich nur gut werden, oder? 😊


Strecke

Die Strecke der neunten Etappe im Überblick:

11 Wandertage, 245 km, 6.651 hm

(Gesamtstrecke: 1.630 km, 39.431 hm)


Das unterhalb der Karte angezeigte Höhenprofil bezieht sich auf die (erste) ausgewählte Teilstrecke. Die einzelnen Teilstrecken können innerhalb der Karte ausgewählt werden.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Hallo ihr beiden,
    ich lese fleißig eure Blog Beiträge und kann euch einfach nur meinen größten RESPEKT aussprechen. Herzliche Glückwünsche zu (nun schon mehr als) 1500 Kilometern und natürlich auch zum Hochzeitstag.

    Ich weiß nicht, ob ich mich bei moosigem Sumpf, Schneefeldern, Wasserfurten und Insektenplagen immer wieder auf’s neue motivieren könnte. Von zu viel Sonne oder zu viel Regen Mal ganz abgesehen.

    Wie schwer sind eigentlich eure Rucksäcke so im Durchschnitt?

    Ich wünsche euch noch eine gute Zeit und freue mich auf die weiteren Berichte.

    LG aus Straelen
    Sandra

    1. Vielen Dank für deine nette Nachricht. 😊

      Manchmal fragen wir uns auch, wie wir uns motivieren können bzw. warum man das alles macht. Dann gibt es aber immer wieder so Momente, in denen man einfach nur glücklich ist, genau hier zu sein. Dafür lohnt es sich all die Anstrengungen auf sich zu nehmen. 😀

      Unsere Ausrüstung inkl. Gewichtsangaben findest du hier.
      Wieviel kg es inkl. Essen für bis zu 10 Tage sind, wissen wir gar nicht so genau – ist vielleicht auch besser so. 🫣 Vermutlich sind es irgendwas um die 20-22 kg. Wir wissen nur, dass es ganz schön schwer ist. Aber es wird dann ja täglich weniger. 😉

      Viele Grüße nach Straelen!

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