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NPL Etappe 9, Røyrvik bis Umbukta

Tag 79, 01.08.2023

Ohje, es ist schon August! Wenn unser Plan aufgeht, kommen wir im nächsten Monat an. Okay, zugegeben erst Ende des Monats, aber es ist trotzdem ein komisches Gefühl, darüber überhaupt nachzudenken.

Heute weckt uns der Regen. Dicke Tropfen prasseln auf unser Zelt. Beim Start ist es aber trocken. Zumindest kurzzeitig.

Immer mal wieder erreichen uns leichte Schauern, später eine sehr ausgeprägte und dicke. Die Landschaft ist auf diesem Teil der Nordlandruta nicht ganz so spektakulär, aber das ist Jammern auf wirklich hohem Niveau.

Nach vielen Tagen mit trockenen Füßen geben die Schuhe heute bei Nässe von oben und unten nach. Da trifft es sich gut, dass auf dem Weg eine offene Statskog-Hütte liegt, die Krutvasshytta. Beim Abstieg ist der Sumpf wieder mit Holzplanken ausgelegt. Da der Sumpf hier tatsächlich sehr tief ist, freut uns das total. Nur hilft das leider nicht immer. An einer Stelle liegen die Holzbalken etwas unterhalb der Sumpfwasseroberfläche, so dass man vorsichtig ertasten muss, wo Holz und wo Sumpf ist. Stefan geht mutig voran und geht an einer Stelle leider davon aus, dass die Planke noch etwas länger ist. Doch zwischen dieser und der nächsten Planke ist ein Loch, das ziemlich genau fußbreit ist. Stefans rechter Fuß verschwindet mitsamt dem halben Unterschenkel. Mit einiger Mühe kriegt er Bein und Fuß zum Glück samt Schuh aus dem Schlamm. Ich frage Stefan, ob er den Schritt für’s Foto bitte nochmal machen würde, aber irgendwie will er nicht. Also gibt es nur ein Foto vom Trekkingstock zum Vergleich.

Als wir an der Hütte ankommen, treffen wir dort auf einen Spanier, der NPL in Etappen läuft. Inaki wird mein neues Idol, als er plötzlich einen Kiloblock Käse auspackt. Den löffelt er einfach aus der Packung. Niemals ohne Käse wandern, lautet sein Motto. Wir können hier echt noch was lernen…

Während der Pause tauschen wir uns über die Routen aus und geben einander Tipps, als plötzlich ein ziemlich fertig aussehender Daniel zum Fenster reinschaut. Nass und mit schmerzendem Knie setzt er sich zu uns und ist froh über den schon angeheizten Ofen und das heiße Kaffeewasser. Unsere Pause verlängert sich durch die Gesellschaft deutlich, so dass wir letztendlich erst nach 2,5 Stunden weitergehen.

Der weitere Weg lässt sich in sehr wenigen Worten beschreiben: hoch, runter, hoch, runter, Matsch, Matsch, Matsch.

Nach weiteren 13 langen, hügeligen und sehr nassen Kilometern sind wir richtig müde. Wir überlegen kurz, ob wir einfach hier das Zelt aufbauen, aber entscheiden uns doch dagegen. Nach der Anstrengung im Fjell wollen wir uns nun noch ein bisschen Schotterstraßen-Entspannung gönnen. Auch wenn die Uhr bereits Richtung 18.30 Uhr tendiert…

Die sechs Kilometer auf der Straße sind nach etwas mehr als einer Stunde geschafft. Jetzt gibt es noch einen letzten Müsliriegel und einen letzten Anstieg von 200 Höhenmetern.

Dann sind wir nach etwas mehr als 30 Kilometern endlich am Ziel. Wir bauen das Zelt an einem schön gelegenen See auf.

Wir kochen noch, sind aber eigentlich schon fast zu müde zum essen. Also fallen wir anschließend in unsere Schlafsäcke und machen die Augen zu.

Tag 80, 02.08.2023

Wir starten mit einem leicht bewölkten Himmel in den Tag.

Nachher soll es regnen, aber wir haben eine überschaubare Strecke vor uns, da kommen wir hoffentlich vorher an. Unser Tagesziel ist Stekvasselv.

Wir haben uns gestern in einem Moment mit schwacher Netzverfügbarkeit bei Kari und Håkon angemeldet und freuen uns auf eine feste Unterkunft.

Aber erstmal genießen wir die heutige Wanderung. Wir folgen weiterhin der Nordlandruta und heute ist es wieder wahnsinnig schön. Zwar dürfen wir erneut viel auf und ab laufen, aber um uns herum sind viele hohe Berge, so dass wir die Aussichten sehr genießen. Der Blick auf den Øvre Skinnfellvatnet irritiert uns.

Der See sieht einfach schief aus, auch wenn das natürlich nicht sein kann. Egal, ob wir frontal auf den See blicken oder seitlich, die Optik wirkt nicht ganz richtig.

Ganz und gar stimmig ist dafür der Blick auf den Okstindan, dem wir nun bereits ziemlich nahe sind.

Der Plateaugletscher (wie wir von Kathi gelernt haben) ist zu großen Teilen hinter Wolken versteckt, aber das Panorama ist einfach nur schön.

Wir schwelgen mal wieder richtig im Glück. Der weitere Weg ist mal mehr, mal weniger anstrengend, aber immer gut zu finden.

Es gibt jedoch ein Hindernis unterwegs, das uns sehr, sehr langsam werden lässt. Erst vereinzelte Stellen, dann ganze Felder reifer Moltebeeren.

Am liebsten würden wir die Rucksäcke gegen ein Körbchen eintauschen und fleißig sammeln. Die aufkommenden dunklen Wolken ermahnen uns aber zum Weitergehen. So landen nur immer wieder Hände voll von leckeren Moltebeeren in unseren Mündern, die wir hier und da schnell pflücken können.

Wir haben aber noch riesengroße Mengen für die nachfolgenden Wanderer übrig gelassen.😉

Der Abstieg hinab zur Straße ist dann nochmal besonders anstrengend.

Der Wald besteht nur aus dichtem und sehr hohem Pflanzenbewuchs, durch den wir uns einen Weg schlagen müssen.

Das dauert eine gefühlte Ewigkeit, dann kommen wir zur Brücke über den Storelva und haben es geschafft.

Ab hier sind es nur noch wenige Meter Waldweg, dann folgt eine Art Feldweg bis zur Straße.

Dort finden wir ein Schild, dass für die Unterkunft Stekvasselv wirbt. Wir hätten die Möglichkeit, uns hier abholen zu lassen, aber das Wetter ist gut und außerdem finden wir es albern, uns hier für eine Strecke von 3,7 km abholen zu lassen. Wir laufen so viel, da ist das auch noch locker drin.

Røsvatnet

 

Als wir ankommen, begrüßt und Håkon direkt. Er schmunzelt ein bisschen, dass wir gelaufen sind. Das scheint hier also nicht so üblich zu sein.

Dann zeigt er uns unser Nachtquartier. Das Gästehaus ist super gemütlich und unser Zimmer gefällt uns sehr.

Zudem gibt es ein Wohnzimmer, eine Küche, Waschmaschine und ein Bad und im Flur einen Schuhtrockner. Den belegen wir als erstes, danach geht es unter die Dusche.

Pünktlich mit unserer Ankunft hat auch der Regen eingesetzt. Wir freuen uns über das gute Timing und schauen dem Regen gemütlich vom Wohnzimmer aus beim Regnen zu.

Kurz darauf kommt Daniel an. Das hatten wir schon vermutet. Als wir die Unterkunft bezahlen, fragen wir Håkon, ob er wohl noch etwas zu essen für die hungrigen Wanderer hat. Eigentlich muss man das hier vorher anmelden, aber wir haben mal wieder Glück. Håkon kommt irgendwann mit zwei gut gefüllten Einkaufstüten wieder und bietet uns eine große Auswahl an Lebensmitteln an.

Wir stocken unser Abendessen heute mit Brot und Spiegeleiern auf und genießen eine große Flasche kalte Pepsi. Natürlich bezahlen wir die Lebensmittel, aber eine große Tafel Schokolade und drei Kvikklunsj gibt es gratis, da das MHD frisch abgelaufen ist. Die hätten wir wohl auch bezahlt. Wen interessiert schon so ein Datum…

Abends sind wir also alle richtig satt und glücklich. Auf der langen Etappe, während der wir keine Einkaufsmöglichkeit haben und nur die abgezählten Portionen im Rucksack essen können, nimmt der Hunger tatsächlich neue Dimensionen an. Richtig satt werden wir nicht, aber wir kommen über den Tag. Wird in einem Podcast oder Hörbuch auch nur nebenbei über Essen gesprochen, reizt mich das sofort. Meine Schwester hat mir vor einiger Zeit mal einen Podcast empfohlen, in dem es nur um das Thema Essen geht. Den höre ich mir wohl erst nach Norwegen an.

Heute ist das Essen aber kein Thema und die Aussicht auf eine gute Verpflegung in Umbukta am Samstag und einen ausgedehnten Einkauf im Matbussen lassen uns jetzt schon aufjubeln.

Aber trotz gefühltem Dauerhunger ist die Stimmung gut. Richtig gut sogar. Wieder so eine Sache, die ich gänzlich anders erwartet hätte. Mal sehen, ob das auf den kommenden langen Etappen mit geringen Einkaufsmöglichkeiten auch so bleibt.

Tag 81, 03.08.2023

Die ganze Nacht über hat es stark geregnet und auch am Morgen ändert sich daran nichts. Wir schlafen also lang und haben keine Eile, aufzustehen. Wenn die Wettervorhersage stimmt, hört es vielleicht um halb 9 auf zu regnen. Vor Mittag kommt ein Start also gar nicht erst in Betracht. Unser heutiger Weg ist von Bächen und Flüssen durchzogen und wie die nach einer stark verregneten Nacht aussehen können, haben wir noch zu gut vor Augen. Wir frühstücken gemütlich im Wohnzimmer, behalten das Wetter im Blick, das sich überhaupt nicht um die Vorehrsage schert und munter weiter regnet und gucken ein bisschen Arctic Warrior. Das darf man sich aber getrost sparen.

Uns kommen Zweifel, ob es bei dem anhaltenden Regen überhaupt Sinn ergibt, heute zu starten. Zeitlich würde es absolut keinen Unterschied machen. Wir würden dennoch am Samstag in Umbukta ankommen, nur halt erst gegen Abend statt am Morgen oder frühen Mittag.

Während Daniels Wetterfrust beständig wächst, sehen wir das ziemlich entspannt. Wir haben es hier total bequem und können die Wetterlage einfach im Wohnzimmer aussitzen. Am späten Vormittag hört der Regen dann tatsächlich auf. Und es soll nicht wieder beginnen. Wenn wir jetzt noch ein paar Stunden warten… vielleicht, ja vielleicht können wir dann doch noch los.

Da wir weiterhin eher ratlos sind, sprechen wir mit Håkon. Er kennt sein Zuhause schließlich. Er erklärt uns, dass der Fluss am Berg auf der anderen Seeseite ein guter Indikator für die Wassermenge ist. Wenn er kleiner wird, wird der Wasserstand auch auf unserem Weg niedriger werden. Zudem zeigt er uns die kritischen Flüsse. Die meisten müssten aber gut machbar sein. Das klingt beruhigend! Seine sehr herzliche Frau Kari kommt dazu und sie beratschlagen nochmal gemeinsam. Wir dürfen auf jeden Fall noch bis zum Nachmittag bleiben und warten, bis die Wetterlage für uns gut ist. Um kurz nach 14 Uhr machen wir uns zu dritt auf den Weg.

Aufgrund der ungewissen Flusslage zieht Daniel es vor, nicht allein zu starten. Sicher ist sicher. Wir wollen ja schließlich alle ankommen. Wir verabschieden uns und können wirklich jedem einen Aufenthalt in Stekvasselv ans Herz legen. Tolle Unterkunft, tolle Gastgeber!

Zuerst laufen wir (bei Sonne!) ein paar Kilometer Straße, die wir gestern schon gelaufen sind, zurück. Dann gibt es hinter der Leitplanke den Einstieg zum Wanderweg. Der Gletscherfluss nebenan führt deutlich mehr Wasser als gestern.

Na mal sehen, was uns erwartet… Für uns geht es jetzt einige hundert Meter den Berg hinauf.

Die Wärme verwandelt den nassen Weg wieder in eine Waschküche und macht den Aufstieg dementsprechend anstrengend. Oben werden wir aber mit Wind und beeindruckenden Aussichten belohnt.

Wir blicken auf ein wunderschönes Tal, durch das sich der Gletscherfluss schlängelt. Daneben sind die hohen Berge mit den verschiedenen Gletscherausläufern des Okstindan.

Wie gut, dass wir nicht schon früher gestartet sind, denn nun ist die Sicht ziemlich gut.

Hinter uns kommt Holger, ein Norweger, mit seinem Hund den Berg heraufspaziert. Er macht eine kleine Runde zum Gipfel. Was man halt macht, wenn man die Berge quasi im Garten hat.

Die zwei gehen weiter bergauf, wir folgen dem Weg links am Gipfel vorbei. Als wir die Bergkuppe gerade fast umrundet haben, ruft Holger von oben, dass er noch was für uns hätte. Er eilt den Gipfel hinab und holt doch tatsächlich ein paar Leckereien aus seinem kleinen Rucksack. Wir bräuchten es mehr als er, stellt er fest. Wir können es kaum glauben und freuen uns riesig! Was für ein Glück!

Beim Blick auf die kleinen Nusspackungen muss ich lachen und sende daher ganz besondere Grüße an mein Team der Kita St. Michael. 😀

Auf dem weiteren Weg bleibt uns das Glück treu. Der Weg ist sehr leicht zu gehen und die Bäche und Flüsse bereiten uns überhaupt keine Schwierigkeiten. Überall ist der Wasserstand inzwischen so, dass wir nichtmals die Schuhe wechseln müssen.

Da auf unserer Seite kein Schnee mehr in den Bergen liegt, geht der Wasserstand zum Glück schnell wieder runter und unser Timing war also gut.

Nach fast 10 Kilometern legen wir eine Pause ein und genießen die Bonussnacks von Holger. Das Bier überlasse ich Stefan und Daniel. Ich fokussiere mich lieber auf’s Essen. 😂

Stefan und ich fühlen uns richtig schön eingelaufen und haben die Idee, nach dem späten Start heute einfach einen späten Feierabend zu machen. Die lange Helligkeit können wir ja auch mal ausnutzen.

Daniel beschließt um 18.30 Uhr, dass er die Gelegenheit für einen guten Zeltplatz nutzt und verabschiedet sich von uns. Freundlicherweise lädt er nahezu alle Mücken der Umgebung ein, ebenfalls bei ihm zu bleiben. Davon hatten wir nämlich zuletzt extrem viele. Als wir weitergehen, lässt die Plage aber deutlich nach.

Wir kommen in der Abendsonne gut voran. Die sumpfigen Teile des Wegs sind zwar ein bisschen störend, aber ich mache mir immer wieder bewusst, dass ich hier einfach geradeaus und ohne suchen gehen kann. Es ist also wirklich entspannt.

Nur in Bereichen mit hohem Gras steht wirklich viel Wasser. Nach dem ganzen Regen ist das aber nicht verwunderlich. So schnell fließt das hier auf dem ohnehin nassen Boden nicht ab.

Immer wieder haben wir wunderbare Blicke auf die unterschiedlichen Gletscherausläufer.

Es ist wirklich beeindruckend, die Größe zu sehen und das mächtige Rauschen der so klein aussehenden Wasserfälle zu hören. Wir überlegen, ob wir heute noch bis zur Gressvasshytta gehen, aber da diese wegen Renovierungsarbeiten noch geschlossen ist, könnten wir dort auch nur zelten. Stattdessen stoppen wir etwas früher. Wir entdecken einen tollen Zeltplatz mit allerschönstem Gletscherpanorama. Um 21 Uhr steht das Zelt und wir genießen den wahnsinnigen Ausblick.

Was für ein beeindruckender Tag! Wir hätten heute Morgen nichtmals ansatzweise damit gerechnet, dass es so schön wird und wir überhaupt so weit kommen würden. Knapp 19 km sind es geworden. 19 wirklich super schöne Kilometer. Was für ein Glück, diese Tour machen zu können!

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Hallo ihr beiden,
    ich lese fleißig eure Blog Beiträge und kann euch einfach nur meinen größten RESPEKT aussprechen. Herzliche Glückwünsche zu (nun schon mehr als) 1500 Kilometern und natürlich auch zum Hochzeitstag.

    Ich weiß nicht, ob ich mich bei moosigem Sumpf, Schneefeldern, Wasserfurten und Insektenplagen immer wieder auf’s neue motivieren könnte. Von zu viel Sonne oder zu viel Regen Mal ganz abgesehen.

    Wie schwer sind eigentlich eure Rucksäcke so im Durchschnitt?

    Ich wünsche euch noch eine gute Zeit und freue mich auf die weiteren Berichte.

    LG aus Straelen
    Sandra

    1. Vielen Dank für deine nette Nachricht. 😊

      Manchmal fragen wir uns auch, wie wir uns motivieren können bzw. warum man das alles macht. Dann gibt es aber immer wieder so Momente, in denen man einfach nur glücklich ist, genau hier zu sein. Dafür lohnt es sich all die Anstrengungen auf sich zu nehmen. 😀

      Unsere Ausrüstung inkl. Gewichtsangaben findest du hier.
      Wieviel kg es inkl. Essen für bis zu 10 Tage sind, wissen wir gar nicht so genau – ist vielleicht auch besser so. 🫣 Vermutlich sind es irgendwas um die 20-22 kg. Wir wissen nur, dass es ganz schön schwer ist. Aber es wird dann ja täglich weniger. 😉

      Viele Grüße nach Straelen!

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