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NPL Etappe 9, Røyrvik bis Umbukta

Tag 76, 29.07.2023

In der Nacht hat sich dichter Nebel um uns herum ausgebreitet. Selbst Daniels Zelt ein paar Meter weiter lag in leichten Nebelschleiern.

Heute morgen ist der Nebel aber schon zu großen Teilen verschwunden. Wir schlafen heute aus und starten erst um 8 Uhr.

Dann geht es an den Abstieg hinaus aus dem Børgefjell.

Nach einem steilen Abstieg macht Stefan an einer nicht schwierigen Stelle einen unfreiwilligen Abflug. Für einen Moment sieht es so aus, als könne er sich noch auffangen, aber dann prallt er unsanft auf. Die rechte Beinseite tut ziemlich weh und wird an ein paar Stellen höchstwahrscheinlich die Farbe wechseln, aber mehr ist nicht passiert. Ein Glück!

Je tiefer wir gehen, desto mehr Gestrüpp wächst dort. Das hat uns in den letzten Tage wirklich nicht gefehlt. Stefan lotst uns aber zielsicher durch das Gelände, so dass wir haargenau an der richtigen Stelle auskommen. Eine Brücke führt uns über den Tiplingelva, einen breiten und tiefen Gletscherfluss.

Danach haben wir ganz offiziell das Børgefjell hinter uns gelassen. Ein bisschen wehmütig sind wir schon. Es war wirklich traumhaft schön hier!

Jetzt geht es auf einem Wanderweg für 10 Kilometer weiter bis zu einer Straße. Wie schön, könnte man meinen, ein Weg. Keine Suche mehr, stattdessen schnelles Vorankommen. Zunächst klappt das auch gut. Viele Planken versprechen uns gutes Wandern, doch hören sie bald auf. Dann erwartet uns ein überaus sumpfiger und matschiger Weg, der durch wahrscheinlich viele Wandernde noch matschiger geworden ist. Die Kilometer sind also wahrlich keine Freude für uns.

Aber wir treffen auf Leute. Ein Mann will mit seinen zwei Hunden für einige Tage angeln gehen. Er scheint dafür seinen kompletten Hausrat eingepackt zu haben, da er einen rappelvollen 120+ Liter Rucksack trägt. Und wir klagen hier über unser Rucksackgewicht…

Kurz darauf treffen wir dann auf zwei pausierende Wanderer, die auch für ein paar Tage im Børgefjell waren und nun auf dem Rückweg sind. Sie erzählen von ihrer, wir von unserer Tour. Sie müssten nun nur noch zum Auto und da würde dann eine leckere Cola auf sie warten. Ich reagiere leicht empört und sage dem Mann, dass er sowas doch bitte nicht zu NPL-Läufern sagen dürfe. Wir leiden dann direkt so sehr.

Kurz darauf machen wir Pause und die Männer ziehen an uns vorbei. Jetzt sind es noch gut 4 km bis zu Straße. Dorthin geht es ein Stück abwärts. Der Abstieg ist komplexer als gedacht. Es gibt viele große und kleine Felsplatten, die oft sehr glatt und ebenso oft auch sehr rutschig sind.

Das ist nicht nur anstrengend, sondern geht auch nur mit viel Vorsicht. Dabei überholen wir die zwei Wanderer wieder, die nun beide telefonieren. Anscheinend gibt es hier Netz und sie müssen daheim Bescheid geben, dass sie noch leben.

Wir schmieden Pläne, dass wir nun wohl die ersten am Auto wären… Statt Pläne zum Coladiebstahl schmieden, pflücken wir aber doch lieber ein paar reife Moltebeeren auf dem weiteren Weg. Über den nächsten und letzten Fluss für heute führt wieder eine Hängebrücke.

Sie sieht gar nicht so wahnsinnig spektakulär aus, doch als ich sie betrete, merke ich nach wenigen Schritten, dass die Brücke ganz schön gemein ist. Statt der normalen Schwingungen der Länge nach, kippt diese Brücke zusätzlich noch nach rechts und links. Eine sehr wackelige Angelegenheit. Ich bin froh, als ich drüben bin und schaue mir das Schauspiel bei Stefan und Daniel an. Beide haben die gleichen Schwierigkeiten wie ich.

Und dann sind wir an der Straße angekommen. Am kleinen Parkplatz machen wir es uns an den Infotafeln gemütlich. Wir brauchen schon wieder eine Pause. Die 16 km bisher waren ziemlich anstrengend. Und außerdem haben wir hier auch Netz, also können auch wir ein paar Lebenszeichen verschicken. Als dann die beiden Wanderer auftauchen, winken wir uns fröhlich zu. Sie verschwinden zu ihrem Auto und verstauen ihr Gepäck. Dann kommt einer der Männer mit sehr ernstem Blick auf mich zu. Ich bin leicht irritiert. Was ist denn nun los? Und dann reicht er mit eine Dose Cola. „I can buy more. You really earned this!“ Ich bin kurzzeitig sprachlos, dann freue ich mich riesig.

Die Cola ist eiskalt und wird natürlich durch drei geteilt. Wie gut das tut!

Danach folgen ca. fünf entspannte Straßenkilometer. Ich gehe voraus und verfalle in meinen eigenen Trott. Depeche Mode singen mir „Enjoy the silence“ ins Ohr und genau das tue ich. Ich genieße den einfachen Weg, die Ruhe der Natur und die Blumen am Wegesrand. Dass ich dabei anscheinend immer schneller werde, bemerke ich nicht. Erst als ich hinter mir niemanden mehr sehe, wird mir dies bewusst. Normalerweise achte ich immer darauf, dass ich in Sichtweite bin. An der nächsten schattigen Stelle bleibe ich stehen und warte auf die zwei. Mein schlechtes Gewissen sorgt dafür, dass ich jetzt nicht mehr vorausgehe, sondern mit den beiden gleichauf bleibe.

Von der Straße aus geht es über einen Wanderweg zum Daningen-See.

Die Sonne, die schon auf der Straße ziemlich brannte, gibt mir hier den Rest. Ich finde den Aufstieg wahnsinnig anstrengend und bin richtig platt. Aber statt auf der Anhöhe zu zelten, wollen wir noch ein paar Kilometer bis direkt an den See heran. Trotz meiner Erschöpfung finde ich den Plan gut. So sind es morgen maximal 20 Kilometer und das ist eine gute Aussicht. Als wir ankommen, sagt der Kilometerstand 27,5 km für heute. Wo sind die denn bloß alle hergekommen?

Der Platz ist wieder herrlich.

Durch einen ordentlichen Wind verschonen uns Mücken und Knots und wir sitzen noch eine Weile draußen.

Als Tagesabschluss machen Stefan und ich noch einen kleinen Spaziergang zum Boot, mit dem wir morgen früh übersetzen müssen. Ich mache mich mit dem Mechanismus vertraut und liefere Stefan damit noch ein gutes Unterhaltungsprogramm.

Dann wird der Wind aber endgültig zu frisch und wir gehen ins Zelt.

Tag 77, 30.07.2023

Wir starten wieder früh um 7 Uhr. Der Tag begrüßt uns mit Frühnebel. Es fühlt sich an wie ein später Sommer- oder früher Herbsttag.

Bis zum ersten Stopp vergehen nur wenige Schritte. Wir müssen über den See und statt einer Brücke gibt es hier ein Boot, das einen per Seilzug an das andere Ufer befördert. Ich gehe mutig voran, habe ich doch gestern schon geübt. Ich will nicht sagen, dass die Übung vergebens war, aber Stefan und Daniel können sich nun auf jeden Fall gut ansehen, wie man es nicht machen sollte. Zum Beispiel ist es wirklich von Vorteil, das Seil nicht plötzlich loszulassen. Ich schaffe es aber doch gut zur anderen Seite.

Damit ihr alle auch etwas zu lachen habt, dürft ihr euch das Elend hier selbst ansehen.😂🫣

 

Die beste, also reibungsloseste, Überfahrt gelingt Daniel. Aber als letzter von uns dreien hat er sich schließlich auch schon alles sehr genau ansehen können. Da ist das wohl ein Kinderspiel. 😉

Dann führt uns der Weg erst durch Gestrüpp, aber schon bald sind wir oberhalb der Baumgrenze.

Jetzt geht es am Wasserfall entlang den Berg hinauf.

Die Aussicht von dort ist traumhaft schön.

Und es geht nun so nahezu den ganzen Tag weiter. Die Nordlandruta ist ein wunderbarer Wanderweg und der strahlend blaue Himmel macht das alles nur noch schöner.

Egal wohin wir blicken, es ist einfach nur atemberaubend schön hier. Nachdem wir die höchste Stelle passiert haben, blicken wir auf diverse weit entfernte schneebedeckte Berge.

Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es ist sooo unglaublich schön!

Zwischendurch bekommen wir noch Gesellschaft von einer Rentiermutter mit ihrem Jungen. Die rennen munter das Fjell auf und ab und um uns herum. Angst haben sie keine, sie schauen eher neugierig, was für ungelenke Tiere da wohl unterwegs sind.

Leider haben es die Berge ja so an sich, dass man erst mühsam hinauf und zumeist noch mühsamer wieder hinunter muss.

Auch wenn wir hier alle zwei Meter perfekte Zeltplätze finden, zieht es uns heute doch ins Tal.

Aber das Børgefjell und die Nordlandruta sind so schön, dass wir es uns gut vorstellen können, nochmal für einen Urlaub wiederzukommen.

Der Abstieg ist hingegen ziemlich steil und beschwerlich. Aber 700 Höhenmeter hinab sind auch ein bisschen was.

Unten merke ich meine Beine ganz gut und freue mich, an einer Straße angekommen zu sein.

Nach wenigen Metern biegen wir aber schon wieder in den Wald ab. Über eine Hängebrücke geht es über den Skardmodalselva. Die Brücke hat durchaus Angstpotential. Sie ist ziemlich hoch, ziemlich luft- und blickdurchlässig und ziemlich wackelig.

Da bin ich doch froh, anschließend wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Jetzt geht es den restlichen Weg gemütlich über einen Waldweg bis zum Grannes-Camping.

Dort begrüßt uns Thomas aus Deutschland, der hier gerade nur kurz Pause macht. Er hat Hans Viktor vorher getroffen und wusste so schon, dass er uns wohl früher oder später begegnet. Thomas ist letztes Jahr eine erste NPL-Etappe vom Nordkapp aus bis Sulitjelma gelaufen und versucht sich nun am weiteren Weg. Wir besprechen mit ihm seine Route durch das Børgefjell, dann bauen wir die Zelte auf und er zieht weiter.

Die Sonne brennt weiter unermüdlich und macht mich ziemlich platt. Nach einer heißen Dusche sieht es aber schon etwas besser aus. Dann wird gekocht.

Dabei entdecken wir, dass der Platzbesitzer nun vor seinem Häuschen sitzt. Den hatten wir vorher nicht angetroffen. Also lassen wir unser Essen in den Tüten ziehen und machen uns auf zum Bezahlen. Der alte Herr (86 Jahre) macht sich erst auf die Suche nach seinem Hörgerät, dann klappt die Verständigung auf norwegisch etwas besser.

Auf Daniels Frage, was er für eine Nacht im Zelt zahlen muss, nennt er eine Zahl. Daniel sieht ihn fragend an, dann mich. Ich überlege kurz. Tjuefem? Hat er gerade 25 Kronen gesagt? Der Mann ergänzt, dass es für unsere beiden Zelte 50 Kronen sind. Also wirklich nur 25 pro Zelt. Das sind keine 5 Euro, die wir hier gemeinsam (!) zahlen. Als er Daniel dann noch auffordert, aus der Küche drei Dosen Bier für uns zu holen, beschleicht uns vollends das Gefühl, hier ein sehr, sehr gutes Geschäft gemacht zu haben. Derweil fragt der Mann, ob wir schon Bären begegnet seien. Hier gäbe es schließlich welche. Hoffentlich begegnen wir denen nicht!

Nach dem Abendessen stoßen wir also an. Und das auf gleich mehrere Dinge: auf die schöne gemeinsame Zeit zu dritt, die nun ein Ende findet. Morgen geht Daniel nämlich allein weiter, wobei wir uns sicherlich noch häufiger über den Weg laufen werden. Und dann noch auf die heute erreichten 1500 Kilometer!

Jetzt ist es ganz definitiv mehr als die Hälfte unserer Tour. Es bleibt zeitweise unwirklich, dass wir das hier wirklich machen und bereits seit 2,5 Monaten unterwegs sind.

Tag 78, 31.07.2023

Als wir um halb 6 aufwachen, ist Daniel noch da. Das überrascht uns. Aber um 6 Uhr verabschiedet er sich dann doch. Wir haben es hingegen nicht eilig, lesen noch ein paar Blogbeiträge von Kathi und machen uns gemütlich um viertel nach 8 auf den Weg.

Es wird wieder ein strahlend sonniger Tag heute. Erst folgen wir kurz der Straße. Ein wirklich hübsches Haus steht dort zum Verkauf. Direkt am See gelegen mit herrlicher Aussicht. Also das wäre schon was… Was so ein Haus hier im Nirgendwo wohl kosten mag? Wir beschließen, dass wir es wahrscheinlich trotz der abgeschiedenen Lage nicht wissen wollen.

Dann führt unser Weg aber durch den Wald, wo es schattig ist. Dafür geht es aber gut bergauf.

Einige hundert Höhenmeter später stehen wir wieder auf einer felsigen Hochebene. Und wieder ist es total schön!

Die Nordlandruta ist wirklich toll. Der Weg lohnt sich sehr!

Die Hochebene ist allerdings nur klein, so dass wir kurz darauf wieder ein paar Meter absteigen müssen. Hin und wieder ist der Weg matschig, aber eigentlich können wir überall gut gehen.

Wenn wir an das Skjækerfjell zurückdenken, ist es hier geradezu tiefenentspannt. Für ungefähr drei Kilometer folgen wir einer Schotterstraße. An dieser liegen vereinzelt ein paar Häuser und am Ende der Straße liegt der Hof Tverrelvnes, bei dem man übernachten könnte.

Wir steigen stattdessen in die nächste Hochebene auf. Die Hitze macht mir dabei ordentlich zu schaffen. Wie gut, dass es im Børgefjell nicht so heiß war. Jetzt ist mein Rucksack nämlich bedeutend leichter, aber es fühlt sich mindestens genauso anstrengend an wie dort zu Beginn, wenn nicht noch schlimmer. Oben weht aber ein kräftiger Wind, der die Hitze vertreibt. Und wieder ist es richtig, richtig schön.

Das Wandern macht so einfach Spaß. Die Wegfindung ist leicht, da es entweder erkennbare Pfade gibt oder regelmäßig sichtbare Wegmarkierungen. Um uns herum sind größere und kleinere Berge, Seen und eine Landschaft, die aus vielen kleinen Hügeln besteht.

Auf dem Weg treffen wir eine Norwegerin, die sich in der Gegend gut auskennt, da sie hier oft wandert. Sie gibt uns ein paar wirklich tolle Tipps zu unserer weiteren Route und legt uns Nahe, unbedingt eine Übernachtung bei Kari und Håkon einzulegen. Da hatten wir ohnehin schon drüber nachgedacht, waren aber bisher noch unschlüssig. Nach der überschwänglichen Schwärmerei müssen wir dort aber wohl hin. Kari und Håkon wohnen in der Nähe unserer Route und haben ein großes Herz für Wanderer. Wir hoffen, dass wir morgen Netz haben und uns schon ankündigen können. Nötig wäre das nicht, aber da wir nun mit der Übernachtung planen, können wir uns schließlich auch anmelden.

Für uns geht es immer weiter über die große Hochebene. Am Nachmittag verschwindet die Sonne hinter den Wolken, die der Wind zu uns schickt. Kurzzeitig fallen ein paar Regentropfen, doch bis wir die Regenjacken angezogen haben, ist natürlich schon alles vorbei. Gegen den Wind helfen die aber auch, also können wir sie einfach anlassen.

Die Flussquerung des auf der Karte bedrohlich groß aussehenden Flusses im Tjuvjodalen, der in den Mosvatnet mündet, ist ganz einfach, da das breite Flussbett mehr aus Steinen als aus Wasser besteht.

Wir beschließen, so lange zu gehen, bis wir allmählich von der Hochebene runterkommen. Nachdem wir die höchste Stelle passiert haben, ist uns aber klar, dass wir gar nicht mehr weit absteigen wollen. Wir haben schon wieder ein wundervolles Panorama, so dass wir hier definitiv zelten wollen.

Ein Stück abseits vom Weg finden wir eine geeignete Stelle. Was für ein Ausblick!

Den können wir allerdings nur kurz genießen, denn kaum sitzen wir im Zelt, prasselt Regen auf uns nieder. Die Schauer ist schnell vorbei und so können wir später beim Zähneputzen noch die Aussicht genießen.

An so tolle Plätze kann man sich wirklich gewöhnen…

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Hallo ihr beiden,
    ich lese fleißig eure Blog Beiträge und kann euch einfach nur meinen größten RESPEKT aussprechen. Herzliche Glückwünsche zu (nun schon mehr als) 1500 Kilometern und natürlich auch zum Hochzeitstag.

    Ich weiß nicht, ob ich mich bei moosigem Sumpf, Schneefeldern, Wasserfurten und Insektenplagen immer wieder auf’s neue motivieren könnte. Von zu viel Sonne oder zu viel Regen Mal ganz abgesehen.

    Wie schwer sind eigentlich eure Rucksäcke so im Durchschnitt?

    Ich wünsche euch noch eine gute Zeit und freue mich auf die weiteren Berichte.

    LG aus Straelen
    Sandra

    1. Vielen Dank für deine nette Nachricht. 😊

      Manchmal fragen wir uns auch, wie wir uns motivieren können bzw. warum man das alles macht. Dann gibt es aber immer wieder so Momente, in denen man einfach nur glücklich ist, genau hier zu sein. Dafür lohnt es sich all die Anstrengungen auf sich zu nehmen. 😀

      Unsere Ausrüstung inkl. Gewichtsangaben findest du hier.
      Wieviel kg es inkl. Essen für bis zu 10 Tage sind, wissen wir gar nicht so genau – ist vielleicht auch besser so. 🫣 Vermutlich sind es irgendwas um die 20-22 kg. Wir wissen nur, dass es ganz schön schwer ist. Aber es wird dann ja täglich weniger. 😉

      Viele Grüße nach Straelen!

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