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NPL Etappe 10, Umbukta bis Sulitjelma

Tag 85, 07.08.2023

Da die Wettervorhersage ab heute Mittag Regen und Sturm meldet, sind wir um viertel vor 7 unterwegs. Die Nacht war sehr unruhig, da ständig Türen in unserem Gebäude auf und zu gingen und entsprechend erholt sind wir. Also genau gar nicht.

Dazu gibt es noch den total schweren Rucksack. Und natürlich einen Anstieg kurz nach dem Start.

Rückblick auf Umbukta

Das Wandern ist doch eine einzige Freude… Aber heute gibt es nur eine kurze Strecke.

Die erste Hütte hinter Umbukta ist die Sauvasshytta und diese steuern wir an. Bedingt durch die Wetterlage werden wir dort auch bleiben, obwohl knapp 12 km eigentlich kaum als Tagesetappe zählen. Also machen wir nach dem Pausentag direkt wieder einen (halben) Pausentag. Nachdem der Anstieg bewältigt ist und wir uns leidlich eingelaufen fühlen, sieht die Wanderwelt schon wieder besser aus.

Die Landschaft wird felsiger und zieht uns schnell in ihren Bann. Wir entdecken ein Zelt und reden kurz mit zwei Finnen, die eine Urlaubstour machen. 25km seien sie in den letzten drei Tagen gelaufen. Das klingt sehr nach Urlaub und nach einer total guten Idee, finden wir!

Das Tal, welches zur Hütte führt, begrüßt uns mit einem Warnschild. Hier besteht akute Steinschlaggefahr.

Gut, dass wir vor Wind und Wetter hier unterwegs sind. So viel Geröll, wie da bereits vom Berg gekommen ist…

Bei uns ist aber alles in Ordnung. Allmählich setzt der Regen ein, aber wir können die Hüttendächer in der Ferne schon erkennen. Die Flüsse sind bisher alle entspannt zu queren.

Bei Regen ändert sich das aber sicherlich schnell, da sich das ganze Wasser aus den umliegenden Bergen hier im Tal sammelt.

Gut, dass wir früh unterwegs sind. Je näher wir zur Hütte kommen, desto mehr freuen wir uns auf sie.

Die Lage kann nur schön sein und von der Hütte selbst haben wir auch nur Gutes gehört. Um 10 Uhr sind wir da.

Also etwas über drei Stunden inklusive einer Pause. Ein entspannter Wandertag. Selbstverständlich ist Daniel schon da und begrüßt uns. Die Hütte erfüllt unsere Erwartungen voll und ganz. Die Aussicht rundherum ist herrlich und innen ist sie super schön und gemütlich eingerichtet.

Da kann man dann ausnahmsweise auch mal früh am Tag Feierabend machen. 😀

Wir verbringen den Nachmittag auf der Couch, holen ein bisschen Schlaf aus der Nacht nach und essen möglichst viel, damit die Rucksäcke leichter werden.

Zum Abendessen gibt es ein Polentagericht mit Käse. Genau genommen ist es aber eher Käse mit einem Hauch Polenta. Der Rucksack soll ja leichter werden…

Danach spielen wir ein bisschen Kniffel und schauen dem Wetter zu. Von starkem Wind über Regen und dicken Nebelwolken ist den ganzen Tag über alles vertreten. Als Einschlafprogramm lassen sich auch noch ein paar Blitze blicken.

Als besonderen Programmpunkt muss ich noch erwähnen, dass man im Holzschuppen/Klohäuschen leichten Telefon- bzw. Internetempfang hat. Jeder unserer Klogänge dauert also erstaunlich lang. 😂 Erst als wir im Bett liegen, entdecken Stefan und ich, dass wir in Zimmer drei auch ebenso gutes Netz haben. Und da ist es durchaus wesentlich gemütlicher als auf dem Holzstapel zu sitzen.

Jetzt freuen wir uns auf eine ruhige Nacht. Heute aber definitiv nur mit Ohropax, da der Wind wie wild um die Hütte pfeift. Hoffentlich weht der morgen von hinten…

Tag 86, 08.08.2023

Während der Nacht hat es viel geregnet, gestürmt und gewittert. Aber wir haben dennoch gut geschlafen. Als wir um halb 7 aufstehen, liegt auf dem Tisch eine Abschiedsnotiz von Daniel. Wie nett! Mal sehen, ob wir uns schon heute oder doch erst irgendwann wieder über den Weg laufen.

Uns fällt es nicht ganz leicht, uns von der tollen Hütte zu trennen… also ist es schon nach halb 9, bis wir endlich losgehen.

Der Wind flüstert, nein, Unsinn, BRÜLLT uns ins Ohr, ob wir nicht doch lieber in der Sauvasshytta bleiben wollen. Da wir nicht zuhören, versucht er es mit starkem Druck von vorne, aber wir bleiben stur. Vom Wind lassen wir uns gar nichts vorschreiben!

Allerdings müssen wir zugeben, dass schon die ersten Meter super anstrengend sind. Immerhin ist es trocken und der Wind ist warm. Das macht die Sache ein kleines bisschen erträglicher. Zunächst steigen wir einige Meter weiter auf und bemühen uns, nicht vom Berg zu fliegen.

Wir hoffen, dass es im nun folgenden Tal etwas ruhiger wird. Dafür müssen wir aber erst ein Schneefeld queren.

Ein paar Schritte lang versuchen wir das, dann entscheiden wir uns für eine Umgehung. Der Regen der letzten Nacht hat große Teile des Schneefeldes zu einer Eisfläche verwandelt. Da wir die Tour nicht vorzeitig durch vermeidbare Knochenbrüche beenden wollen, testen wir unsere Eislauffähigkeiten mit Wanderschuhen lieber nicht.

Tatsächlich sind wir in dem Tal etwas windgeschützt und können nahezu entspannt laufen.

Aber wie war das noch mit nächtlichem Regen? Richtig! Der Boden steht völlig unter Wasser.

Wir sinken ständig tief ein. Auch ohne Wind bleibt es also anstrengend. Wie schön, dass wir auf dem weiteren Weg dann starken Gegenwind und überschwemmte Wege haben. Die Strecke ist einfach wieder die totale Freude heute. 😉

Trotz viel Wasser können wir die meisten Flüsse und Bäche trockenen Fußes überqueren. Nur zwei Mal müssen wir die Schuhe dann doch ausziehen. Beide Furten sind aber unproblematisch.

Ursprünglich hatten wir heute den Plan, bis zur Kvitsteindalstunet (Hütte) zu gehen, um dort eine Pause zu machen und dann im Anschluss einige Kilometer weiter zu zelten. Bis zur Hütte sind es schließlich nur 15 km, sagt der DNT. Nach fast drei Monaten wandern in Norwegen haben wir immer noch nicht allzu viel gelernt. Kilometer sind eine Angabe, die einfach nichts mit dem Schwierigkeitsgrad zu tun haben. Aber das müssen wir spüren, sonst verstehen wir es nicht.

Der Weg und der konstante, starke Gegenwind helfen uns aber, uns in der Hinsicht erneut fortzubilden.

Nach der zweiten Furt fehlen noch 5km bis zur Hütte und uns ist klar: bis da und nicht weiter!

Aus den 15 km werden ohnehin 18 km, aber DNT Kilometerangaben sind ja manchmal auch eher variabel zu verstehen. Wir sind froh, als wir um 15.45 Uhr ankommen.

Die letzten Kilometer waren nochmal richtig anstrengend. Der Wind hat alles gegeben, um uns nicht an der Hütte ankommen zu lassen.

Mit Windböen von über 80 km/h war er da fast erfolgreich. Aber wir haben uns, wie schon heute morgen, durchgesetzt!

Sturmfrisur

Die Hütte ist bereits von zwei Norwegerinnen bewohnt, die hier seit gestern sind. Sie halten uns für völlig verrückt und fragen, wie man nur auf so eine Idee kommen könnte, von Lindesnes zum Nordkapp zu laufen. Wenn wir das nur wüssten…

Wir essen früh zu Abend und spielen danach ein bisschen Karten. Während die zwei Frauen neben uns zu Abend essen, reden sie anscheinend über uns. Dann reicht uns eine der beiden den großen Topf. Sie seien fertig, aber wir könnten sicherlich noch etwas essen. Als ob wir da nein sagen würden! Als sie dann zum Nachtisch noch einen Eimer voller Moltebeeren auf den Tisch stellt, sind wir vollends glücklich.

Doch den beiden reicht das anscheinend noch nicht, denn nun plündern sie ihre Vorräte und geben uns alles, was sie nicht mehr benötigen. Sie würden schließlich morgen nach Hause gehen. Wir bräuchten definitiv mehr für unseren Weg. Wir sind absolut überwältigt von so viel Freundlichkeit! Manchmal muss man einfach Glück haben und zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein!

Aber fest steht nun auch, dass wir in den nächsten Tagen viel essen müssen, damit die Rucksäcke leichter werden. Heute sieht das eher nach einem Gewichtsbonus aus…

Später stoßen noch Nadja und Daina zu uns. Sie sind beide bis auf die Haut durchnässt, da sie eine dicke Gewitterschauer erwischt haben. Schön, euch nochmal gesehen zu haben! Wahrscheinlich laufen sie uns morgen nämlich davon.

Übrigens: der DNT gibt für die heutige Strecke eine Laufzeit von 7 Stunden an. Also ist die „kurze“ Strecke wohl auch ohne starken Wind nicht so ganz einfach. Pausen eingerechnet, waren wir 7,5 Stunden unterwegs (6,5h ohne Pausen). Es fühlte sich zwar nicht so an, aber anscheinend können wir inzwischen gut mit den norwegischen Zeitangaben mithalten. Das ist doch was!

Tag 87, 09.08.2023

Wir werden am Morgen wieder von starkem Wind begrüßt. Vielleicht wird es zumindest im Laufe des Tages etwas weniger. Um 8 Uhr starten wir.

Zeitgleich machen sich Nadja und Daina auf den Weg, denen wir direkt den Vortritt lassen. Sie sind schneller unterwegs als wir.

Zunächst bläst uns der Wind wieder mächtig gegen die Körper. Heute kommt er von der Seite. Gerade bei starken Böen müssen wir uns richtig gut stabilisieren. Daina hat aber vorhergesagt, dass uns die Berge heute Windschutz bieten und teilweise klappt das sogar. Der Weg ist heute wesentlich besser zu gehen als gestern. Viele Abschnitte sind trocken und als richtige Wege zu erkennen. Das ist herrlich! Die sumpfigen Teile sind dafür massiv sumpfig, aber das ist uns immer noch lieber als dauerhaft da durch zu stapfen. Wir sind richtig begeistert, wie schnell wir heute unterwegs sind. Immer mal wieder entdecken wir einzelne Rentiere, die über die Berge und Ebenen huschen.

Ich finde das Gehen heute trotzdem wieder ziemlich anstrengend. Erst Abends stellen wir fest, dass der Weg heute erstaunlich viele Höhenmeter beinhaltet und die geplante Angabe von 600Hm mal eben verdoppelt wurde.

Nach ein paar Stunden lassen wir das Kvepsendalen hinter uns.

Von einem Moment auf den anderen öffnet sich vor uns eine große Weite, das Vardfjellet.

Keine großen Berge, nur noch sanfte Hügel und besonders einfacher Weg. Ist das schön!

Dort kommt uns eine junge Norwegerin entgegen. Sie arbeitet für den Statskog und ist auf der Suche nach Polarfüchsen und deren Bauten. Bisher war sie jedoch noch nicht erfolgreich. Wir können nicht weiterhelfen, aber wir wüssten auch gar nicht, worauf wir achten müssten. Der Polarfuchs müsste sich wahrscheinlich mitten auf unseren Weg stellen, damit wir ihn bemerken.

Auf dem Weg zur Virvasshytta stehen nun noch ein paar Flüsse auf dem Programm, bei denen wir gespannt sind, ob und wie wir sie queren können. Der erste ist extrem einfach, da sich zwei Felsen quer über den Fluss spannen und der durchaus starke Fluss unterhalb seinen Weg gesucht hat.

Bei dem zweiten Fluss, dem Stabburbekken, müssen wir aber aus unseren Schuhen raus. Der ist eindeutig zu tief, zumindest im Hauptarm. Da der Fluss ansonsten aber Niers-Charakter hat, können wir trotz Knietiefe einfach hindurchgehen.

Hinter der Furt verzichten wir auf unsere Gamaschen. Der Weg ist so gemütlich, dass wir die bestimmt nicht mehr benötigen. An so mancher stark sumpfiger Stelle danach bereuen wir diesen Entschluss und hasten schnell weiter, bevor uns das Wasser doch noch in die Schuhe läuft.

Um halb 4 erreichen wir nach 23 km die Virvasshytta. Zuvor hat uns der Wind äußerst deutlich daran erinnert, dass er noch da ist. Und wie!

Wir haben die Aussicht, dass der Wind gegen 17 Uhr nachlassen soll und wollen so lange in der Hütte pausieren. Die Virvasshytta ist riesig und besteht aus etlichen Zimmern. Die Couch ist fast so lang wie unser Wohnzimmer. Vielleicht sind wir nach den letzten beiden Hütten etwas verwöhnt (die waren aber auch toll!), aber gemütlich ist es hier nicht.

Wie gut, dass wir sowieso zelten wollen. Das letzte Mal kommt uns nämlich ewig her vor. Um kurz vor fünf bekommen wir Gesellschaft von einer Deutschen, die seit zwei Monaten von Finnland aus unterwegs ist und vielleicht noch einen Monat weiterwandert. Sie macht das davon abhängig, wie viel Gewichtsverlust ihr Körper noch verkraftet. Okay… Da ist es wohl nicht so schlimm, dass wir mit guten Reserven gestartet sind. Allerdings merken auch wir, dass der Gewichtsverlust auf so einer Tour nicht zu unterschätzen ist. Der anhaltende Hunger kommt nicht von ungefähr.

Um 17.30 Uhr machen wir uns wieder auf den Weg.

Es weht immer noch ziemlich, aber es wird allmählich etwas ruhiger. Wir folgen nun dem Weg zur Bolnastua und dazu müssen wir wieder ordentlich bergauf gehen.

Nach drei Kilometern inklusive einer kleinen Zeltplatz-Suchrunde bauen wir das Zelt auf. Als es gerade steht, bekommen wir das allerschönste Abendprogramm. Etwa hundert Meter entfernt taucht eine kleine Rentierherde auf.

Wir beobachten sie ganz begeistert und freuen uns, dass wir sie nicht stören. Offenbar sind wir den Rentieren sogar vollkommen egal, denn sie bleiben nicht an der Stelle, sondern kommen ganz gemächlich bis auf wenige Meter an uns heran, bleiben eine Weile stehen und spazieren dann weiter bergauf. Wow! So eine Begegnung aus nächster Nähe hatten wir noch nie! Schöner könnte der Tag wirklich nicht enden.

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