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NPL Etappe 11, Sulitjelma bis Abisko

Tag 94, 16.08.2023

Es regnet. Und regnet. Und regnet. So ein Pech, dass wir erst noch ganz viel frühstücken müssen und dann noch das große Packen ansteht und und und…

Wir vertrödeln viel Zeit, aber wozu sollen wir uns schließlich auch beeilen? Bis wir dann tatsächlich startklar sind, ist es halb 12. So spät waren wir schon lange nicht mehr.

Der erste Teil der heutigen Strecke ist aber nicht sehr komplex.

Wir folgen der Straße nach Sulitjelma, laufen am Supermarkt vorbei und kaufen nichts. Unsere Rucksäcke sind äußerst gut gefüllt und schwer, aber sie waren schon mal schwerer. Gefühlt haben wir jedoch mehr Proviant eingepackt, als für die Etappe nötig wäre. Es ist wirklich immer schwierig, im Supermarkt nur haargenau nach Plan zu kaufen, wenn man so selten die Gelegenheit dazu hat… Nichts, dass ich sonst zuhause wesentlich disziplinierter wäre. 😀

Kurz hinter dem Supermarkt geht es dann allmählich hoch zur Ny Sulitjelma Hytte. Ca. 500 Höhenmeter hinauf auf 5,5 km Strecke. Es klingt schlimmer als es tatsächlich ist.

Glücklicherweise hört pünktlich zum Aufstieg der Regen auf, so dass wir aus den viel zu warmen Regenjacken raus können. An einer Stelle gibt es die Möglichkeit, die Straße zu verlassen und teilweise über einen Wanderweg zur Hütte zu gehen. Wir bleiben aber auf der Straße, da wir sonst entweder nass von den Sträuchern oder unseren Regenjacken werden. Auf der Straße weht hingegen ein leichter Wind. Und die Aussicht auf Sulitjelma und die Umgebung ist wirklich toll!

In der Hütte treffen wir auf Daina, die seit gestern hier ist und auch auf Nadja und ihren Mann, der die nächsten drei Wochen mit ihr wandert.

Die „Hütte“ ist sehr luxuriös ausgestattet. Es gibt fließendes (heißes) Wasser, einen Kühlschrank und einen Backofen. Dafür kann sie nicht direkt mit Gemütlichkeit punkten.

Nach unserer Pause verabschieden wir uns von den Dreien und steigen weiter auf in Richtung Sorjushytta, unserem heutigen Ziel.

Beim Start merke ich meine Waden total und rätsele kurz, woran das wohl liegen mag. Dann fallen mir die schon erwanderten 500 Höhenmeter ein… Wie gut, dass bis zum Ziel nur noch mindestens weitere 500 auf uns warten.

Nach den ersten drei Kilometern ist der Großteil der Höhenmeter schon geschafft und wir sind mitten in einer sehr kargen und felsigen Berglandschaft.

Allerdings besteht der Untergrund heute überwiegend aus kleinen, lockeren und brüchigen Steinen, die das Vorankommen nicht allzu angenehm gestalten. Da immer mal wieder leichter oder stärkerer Regen aufkommt, wird das Gehen nicht einfacher. Dennoch klappt alles. Und dann hört der Regen sogar auf und die Sonne kommt heraus.

So leuchten die Gletscherseen in einem noch intensiveren Blau und wir können sogar ein paar Blicke auf die Gletscherausläufer des Sulitjelmaisen und des Blåmannsisen werfen. Toll!

Die Hütte liegt tief unten im Bergtal. Wir können sie schon von Weitem sehen und freuen uns auf unser Ziel.

Aber der Weg dorthin zieht sich.

Ein kleiner Fluss gliedert sich in locker 10 Arme auf, die es zu queren gilt. Wir könnten einfach die Schuhe wechseln und geradeaus hindurch gehen, aber da haben wir gar keine Lust drauf. Stattdessen suchen wir ein bisschen und kommen auch so weiter.

Der Abstieg in das Tal ist nochmal besonders steinig und rutschig. Als wir dann an einen Gletscherfluss kommen, sind wir kurz ratlos. Es gibt zwar eine Brücke, doch die sieht ziemlich lädiert aus und führt irgendwie nur über den halben Fluss.

Unsere Karte sagt, dass wir auch auf unserer Seite bleiben könnten und die Hütte ohne Flussquerung erreichen, aber wir haben das Gefühl, dass das wieder viel Geröll und einen steilen Abstieg beinhaltet. Also testen wir die kaputte Brücke und es funktioniert. Dahinter liegen Steine im Wasser, so dass wir auch dort keine nassen Füße bekommen.

Danach geht es auf dem Wanderweg weiter hinab bis zur zweiten Brücke. Die ist in einem guten Zustand. Der Blick zurück zeigt uns, dass die Wegwahl richtig war.

Direkt auf der Hüttenseite abzusteigen, wäre eine Katastrophe geworden. Dort geht es nicht nur steil über Geröll hinab, zusätzliche ist der Hang von einem großen steil abfallenden Schneefeld bedeckt.

Wir kommen um 19.15 Uhr an und haben viel Gesellschaft. Beide Hütten sind schon bewohnt. Wir gehen erstmal zur Haupthütte und finden dort auch noch Platz. Vier Schweden sind schon hier und haben sich auf zwei Zimmer verteilt. Sie wollen direkt eins für uns räumen, aber das ist nicht nötig. Wir nehmen stattdessen das niedliche Matratzenlager unter dem Dach.

Die Unterhaltung mit der Gruppe ist ein bisschen lustig. Sie beeindruckt zwar, was wir hier machen, aber NPL zu laufen zählt wohl trotzdem nicht wirklich. Denn dass wir noch nie im schwedischen Sarek Nationalpark waren… also das erstaunt sie schon sehr und das wird auch mehrfach betont!

Der Sarek wird gekonnt als Europas letzte Wildnis vermarktet, da es dort keinerlei Wege oder Hütten gibt. Und ja, wir würden dort gerne mal wandern, aber weglos und ohne Hütten ist jetzt auch nicht direkt einzigartig für Schweden. 😀

Da wir uns im Supermarkt eine Pfannkuchenmischung gekauft haben, gibt es heute nochmal Hüttenpfannkuchen. Lecker!

Im Hüttenbuch lesen wir, dass es hier sehr häufig sehr stark stürmt. Wir haben demnach wohl Glück mit dem Wetter gehabt. Beim Zähneputzen draußen fällt uns auf, dass die Hütte äußerst massiv befestigt ist. Dicke Drahtseile stabilisieren die Hütte.

Wir wollen wirklich nicht wissen, was hier los sein kann…

Um 22 Uhr liegen wir auf unseren Matratzen. Es ist schon richtig dunkel draußen. Zuhause kommt das immer überraschend, finde ich. Aber hier, wo wir jeden Tag draußen sind, überrascht es mich trotzdem nicht weniger, wie rasend schnell sich die Tageslängen ändern. Quasi gestern war es doch noch die ganze Nacht hell und nun geht die Sonne schon vor 22 Uhr unter. Bis Ende September haben wir aber immer noch bis ca. 19 Uhr Tageslicht. Das wird uns also auf dem weiteren Weg keine Probleme bereiten.

Tag 95, 17.08.2023

Da die Wettervorhersage für heute Sonne gemeldet hat, packe ich zuversichtlich meinen Hut in Griffweite. Den hatte ich zuletzt immer tief im Rucksack, wenn ich ihn gebraucht hätte. Heute haben wir also natürlich den ganzen Tag dicke Wolken.

Der Weg führt uns am See Sårjåsjávvre entlang, bis wir nach einigen Kilometern zu einem Gletscherfluss kommen.

Früher gab es wohl mal eine Brücke, aber inzwischen gibt es nur noch den Weg durch den Fluss. Kurz bevor dieser in den See übergeht, ist das Wasser nicht allzu tief und die Strömung nicht mehr so stark. Leider ist das Wasser aber deutlich zu tief für Wanderschuhe. Es wird also kalt. Und als ob das nicht schlimm genug wäre, haben wir es hier nicht mit einem einzigen Fluss zu tun, sondern mit diversen breiten Flussarmen.

Stefan schätzt die Gesamtlänge auf 150m. Auf den ersten Metern tut das kalte Wasser einfach nur weh. Selbst Stefan, der an dem Füßen nicht so kälteempfindlich ist, findet es eisig. Ab dem dritten Flussarm geht es dann besser. Meine Füße und Zehen sind so dermaßen taub, dass ich einfach nichts mehr spüre, außer den Steinen unter meinen Füßen. Nachdem wir die Schuhe angezogen haben, müssen wir uns erstmal wieder warmlaufen. Das dauert ein bisschen.

Allerdings habe ich das Gefühl, ein Stück des Gletscherwassers eingepackt zu haben. Mir ist heute zum allerersten Mal kalt. Es weht ein frischer Wind und es ist sicherlich nicht allzu warm, aber ob es so kalt ist, wie ich es empfinde – ich weiß es nicht. Mal sehen, wie es morgen ist. Entweder ändert sich die Jahreszeit oder ich werde krank. Da nehme ich also lieber die erste Variante.

Unsere erste Pause machen wir heute kurz hinter der schwedisch-norwegischen Grenze.

Ab jetzt sind wir für einige Tage in Schweden unterwegs.

Landschaftlich ändert sich dabei nicht allzu viel, nur die Wege sind teilweise anders. In Schweden läuft das ungefähr so:
„Ihr wandert gerne? Toll! Wir finden Wandern auch super! Also machen wir euch das Wandern so angenehm wie möglich. Hier sind jede Menge Holzplanken und Brücken. Viel Spaß damit!“
In Norwegen läuft es hingegen eher so:
„Hier ist die Natur. Wenn du damit nicht klarkommst, bleib‘ zuhause. Brücken? Im Notfall. Stell dich halt nicht so an. Aaaaber: Wir haben tolle Hütten! Du musst nur irgendwie hinkommen.“

Auf den ersten Kilometern hinter der Grenze dürfen wir uns noch am Sumpf erfreuen, dann wird es besser.

Wir passieren die Sårjåsjaurestugan und folgen dem Weg in Richtung Staloluokta (Hütte). Der Weg ist nicht übermäßig spannend. Es geht eigentlich den ganzen Tag nur geradeaus. Aber wir sind die ganze Zeit von Rentieren umgeben, die hier wirklich ständig und überall umherwandern.

Über den Stáddájåhkå führt uns eine typische schwedische Brücke. Die wackeln/schwingen einfach meistens nicht so viel wie die norwegischen.

Und danach gibt es dann auch vermehrt Planken über Matsch und Sumpf.

Alles in allem also ein bequemer und einfacher Weg. Wir peilen für heute 25 km an und stellen einen Kilometer später unser Zelt auf. Wir haben einen wunderschönen Blick auf einen großen mehrarmigen Wasserfall, der zum Viejejåhkå gehört.

Da mir heute kein vernünftiger Abschluss für die Tageszusammenfassung einfällt, frage ich Stefan nach einem Schlusssatz. Er sagt, ich solle „Stefan ist der Knaller“ schreiben. Das kann ich so (unter)schreiben. 😂

Tag 96, 18.08.2023

Am Morgen ist klar, dass es tatsächlich einfach kälter geworden ist. Es liegt also nicht an mir.

Heute erwartet uns aber ein strahlend blauer Himmel und nach einigen Kilometern ist die Sonne ebenfalls richtig da.

Wir gehen weiter Richtung Staloluokta und hoffen hier auf irgendeine nette Kleinigkeit aus dem Kiosk.

Als die Inhaberin das kleine Lädchen für uns öffnet, sind wir erstaunt. Hier gibt es auf wenigen Quadratmetern ungefähr alles!

Da hätten wir problemlos ein bisschen Gewicht sparen können. Und selbstverständlich kann man mit Karte zahlen. Da wir aber genug Proviant haben, gibt es nur Snacks, die wir direkt essen. Die freundliches Dame lädt uns auf eine Cola ein und wir vervollständigen unser zweites Frühstück mit Chips und einer Tafel Schokolade. Gesunde Ernährung wird bei uns gerade klein geschrieben…

Während wir in der Sonne unser Mahl verspeisen, sehen wir schon von Weitem Daina kommen. Sie steuert auch das Kiosk an und setzt sich dann zu uns. Nach der gemeinsamen Pause ziehen wir weiter. Daina läuft uns sofort davon. Auf dem Weg ist das aber auch besonders einfach. Der Padjelantaleden hat für uns überwiegend Spaziergang-Format. Es ist die absolute Wanderautobahn.

Aber wir kommen trotzdem nur sehr langsam voran. Ständig müssen wir stehen bleiben. Zu schöne Aussichten, zu tolle Rentier-Modelle…

…und zu viele Leute. Die Saison ist quasi vorbei, aber hier treffen wir an einem Tag gefühlt auf mehr Leute, als in den letzten drei Monaten zusammen. Das stresst uns ein bisschen, aber wir wissen nun auch sicher, dass wir zur normalen Urlaubszeit unter keinen Umständen hier wandern wollen.

Tatsächlich holen wir Daina nochmal ein, da sie mit einem Wanderer redet. Er ist ebenfalls aus Deutschland und versprüht innerhalb von wenigen Minuten eine unglaubliche Arroganz. Er ist letztes Jahr den Pacific Crest Trail gelaufen. Das ist durchaus eine Leistung! Nur denkt er, dass er dadurch zum Wandergott geworden ist und alles besser kann, weiß und er sowieso viel krasser unterwegs ist, als wir drei. Wir laufen ja „nur“ durch Norwegen und haben von nichts eine Ahnung… Wir drei sind uns einig, dass da eine ziemliche Pfeife unterwegs ist und gehen lieber weiter.

Später, vor einem Anstieg, spricht Stefan eine Wanderin an, wohin sie unterwegs ist (natürlich auf Englisch). Der übliche Smalltalk halt. Und dann antwortet sie: „Ihr seid doch 1zelt4beine, oder?“. Da sind wir mal kurz perplex. Berit kommt aus Berlin und läuft den Nordkalottleden. Sie hat unseren größten Respekt, denn sie musste die Tour in den letzten zwei Monaten aus familiären Gründen bereits zwei Mal unterbrechen und geht dennoch weiter. Den Willen muss man erstmal haben!

Berits erste Frage lautet, ob wir es wohl bis zum Nordkapp schaffen? Tja, eine gute Frage. Allmählich glauben wir daran, dass es machbar ist. Aber weiterhin hängt das von so vielen Faktoren ab… Wie wird das Wetter? Wie kommen wir mit wirklich schlechtem Wetter zurecht? (Denn das hatten wir noch nie mehr als zwei Tage am Stück, glaube ich!) und geht weiterhin alles gut? Das Können stellen wir nach 1900 km nicht mehr direkt in Frage, aber wer weiß was die Tour noch für uns bereithält.

Wir unterhalten uns eine Weile und finden es total spannend, welchen Eindruck wir von uns vermitteln, wenn man die Berichte liest, uns aber persönlich nicht kennt. Und da die Frage aufkam: Stefan und ich haben uns während der Tour noch nicht wirklich gestritten. Aber je nach Laune können wir uns durchaus gut anzicken. 😉 Das ist im „normalen“ Alltag aber auch nicht anders. Alleine würden wir das hier auf keinen Fall machen wollen!

Es war sehr schön, dich kennengelernt zu haben, Berit! 😊

So vergehen die Stunden heute ohne dass wir nennenswert voran kommen… Letztendlich schaffen wir es bis kurz vor 18 Uhr dann doch noch auf 24km.

Die Aussicht ist mal wieder so schön, dass wir einfach unser Zelt aufbauen müssen.

Genau genommen ist es hier aber alle drei Meter so schön, dass man das Zelt aufbauen könnte. Wir verbringen den Abend noch eine Weile in der Sonne, kochen und essen draußen. Es kommen ein paar Mücken, aber nur wenige.

Doch bald verliert die Abendsonne an Kraft und es wird wieder frisch. Im warmen Schlafsack ist das aber noch völlig egal, zumindest wenn man den Reißverschluss bis obenhin zu zieht. Für Stefan ist das gerade eine völlig neue Erfahrung. 😀

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Wow…. Sehr schoen… Ich gruesse euch aus Nordnowegen. Freut euch auf den Nordkalotten und Dividalen, Kilpis und den Rest… Samt DEN HERBST. Da vergisst man sowohl die arroganten Pfeiffen und die kungsleden autobahn. Vielleicht sieht man sich da oben irgendwo.

  2. Hallo, Eure Reiseberichte faszinieren mich jedes Mal. Vielen Dank, daß man an Eure Reise so teilhaben kann. Ihr schafft es bis zum Nordkapp, da habe keine Zweifel. Gruß Christian

  3. Grüße aus Abisko. Ich bin hinter Euch. Daniel hab ich 2 Tage später auch noch aufgegabelt. Schön Euch getroffen zu haben. Hat mir Mut gemacht.
    Ich lese weiter mit U wünsche Euch alles Gute!

  4. Hi,
    einen deutschen PCT Wanderer haben wir vor 3 Tagen kurz vor der Virvasshytta getroffen und nach deiner Beschreibung könnte er das sein.
    Wir sind leider in 3 Tagen in Sulitjelma und damit mit unserer diesjährigen Tour durch. Ihr habt ja noch schöne Abschnitte vor euch. Viel Spaß und Erfolg, Andreas

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