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NPL Etappe 11, Sulitjelma bis Abisko

Tag 97, 19.08.2023

Erneut liegt ein wundervoller sonniger Tag vor uns. Was für ein Glück wir doch haben!

Kurz nach unserem Start kommen wir mit einer Österreicherin ins Gespräch. Sie kennt die Gegend sehr gut und kann uns etwas zu den heutigen Routenoptionen sagen. Der Padjelantaleden führt inzwischen unten um den Berg Loadásj herum. Der alte Weg führt jedoch einmal über den Berg. Er ist etwas anstrengender, dafür aber auch kürzer. Und lockt mit tollen Aussichten. Da die betagte Dame uns mitteilt, dass beide Weg gut begehbar sind, entscheiden wir uns für den „Bergweg“. Bei dem Wetter ist das keine Frage. Ich könnte dem Österreichisch der Frau noch ewig zuhören, so schön finde ich das, aber wir wollen alle weiter, in entgegengesetzte Richtungen.

Unser Weg ist wieder sehr entspannt, wenn man von den Anstiegen absieht.

Und wieder sind natürlich jede Menge Leute unterwegs. Als wir jedoch vom Hauptweg hinauf auf den Berg abzweigen, wird es ganz ruhig. Hier ist nahezu niemand unterwegs.

Der gesamte Weg über den Berg bis zur nächsten Hütte umfasst 16 km. Und die beinhalten eine traumhafte Aussicht auf die umliegenden Gebirge mit ihren teilweise verschneiten Hängen und vereinzelten Gletschern.

Oben angekommen, machen wir eine Pause und staunen in die Weite. Wir sind so froh über jeden schönen Tag auf dieser Tour. Es ist ein wunderbares Gefühl, hier zu sitzen und mit dem Bisschen, das wir dabeihaben, völlig zufrieden zu sein. Stundenlang könnten wir hier sitzen und in die Ferne gucken.

Als wir uns irgendwann doch noch losreißen, geht es gemächlich bergab. Während des Wanderns erzählt Stefan mir, dass er gerade an unsere Verlobung in Island denken muss. Dort hat er mir während einer Wanderung abends am Alftavatn den Heiratsantrag gemacht. Er kommt zu dem Schluss, dass das eine gute Idee war. Na das nenne ich Glück!

Unten im Tal angekommen, passieren wir die Hütte Gisuris, gehen aber ohne Zwischenstop weiter. Auch hier im Tal ist es wirklich hübsch. Wieder stehen überall luftig verstreut kleine Birken, durch die die Sonne strahlt.

Wir queren den Sjpietjavjåhkå über eine Brücke und suchen uns dahinter einen Zeltplatz. Davon gibt es hier einige. Allein bleiben wir vermutlich nicht.

Während Stefan das Zelt aufbaut, sammle ich endlich ein paar Blaubeeren. Wie immer ist das eine eher mühselige Angelegenheit, aber das Ergebnis ist lecker. Wir kochen und essen wieder draußen und genießen die Sonne.

Anschließend beratschlagen wir die weitere Etappe. Ab Montag soll sich das Wetter ändern. Wie sehr und wie lange, können wir hoffentlich morgen in Ritsem in Erfahrung bringen (wir zählen dort auf WLAN!). Sind die Aussichten eher schlecht, wählen wir die Route, die wir immer ausgeschlossen haben: den Kungsleden bis Abisko gehen. Bei gutem Wetter geht es, wie geplant, in das Narvikfjell. Dort würden wir wirklich gerne hin, aber bei schlechtem Wetter würde das zum einen vermutlich wenig Spaß machen, zum anderen wäre viel sehr steiniges Gelände auch einfach tendenziell deutlich gefährlicher. Und – man glaubt es kaum – wir würden wirklich äußerst gerne noch einige Wochen weiter wandern!

Tatsächlich kommen im Laufe des Abends noch weitere Wanderer auf unser Zeltgebiet. Sie sind aber so weit weg, dass wir weiterhin nur das Rauschen des Flusses hören. Als wären wir ganz alleine mitten in der Natur. Herrlich!

Tag 98, 20.08.2023

Der Tag begrüßt uns mit feinstem Kaiserwetter. Heute gliedert sich unsere Strecke in zwei Teile auf. Genau genommen sind es sogar drei. Zuerst geht es für 14 km bis zum Akkajaure, einem großen See.

Der Weg dorthin ist wieder sehr einfach und mit extrem vielen Planken ausgelegt.

An manchen Stellen ist das schön, an anderen aber auch wirklich überflüssig. Ein bisschen Bodenkontakt hin und wieder ist eindeutig besser, als sehr schiefe und brüchige Bretter. Aber wir hatten in den letzten Monaten schon so viel ausgeprägten Bodenkontakt, dass wir uns gerade nicht ernsthaft beschweren können oder gar wollen.

Je näher wir dem Akkajaure kommen, desto mehr haben wir das Gefühl, irgendwo in der Südsee gelandet zu sein.

Strahlend blaues Wasser, strahlend blauer Himmel, dahinter sanfte Berghänge. Ist das wirklich noch Schweden? Der Blick auf die Gletscher neben uns sagt: ja!

Kurz vor dem Akkajaure gibt es das Café Eno.

Und das hat heute den letzten Tag geöffnet. Die Auswahl ist dementsprechend sehr begrenzt, aber da wir auf dieser Etappe Hunger für 10 Personen haben (im Gegensatz zur letzten Etappe. Da war der Hunger quasi normal), finden wir natürlich etwas essbares. Wir teilen uns einen großen, dünnen Brotfladen mit reichlich Butter und Käse und zwei Stücke undefinierbaren Kuchen. Dann warten wir am See auf das Boot.

Tatsächlich „schummeln“ wir hier das erste und hoffentlich letzte Mal auf unserer Tour. Wir paddeln heute nicht selbst, da es diese Option hier nicht gibt. Stattdessen lassen wir uns per Fähre nach Ritsem auf die andere Seite des Sees bringen. Und ja, wir könnten auch zu Fuß um den See kommen. Das würde dann zwei Tage statt 1,5h dauern. Und wir sind ehrlich: Der Zeitfaktor ist gar nicht mal komplett entscheidend, aber wir wollten einfach mal nicht für 12 Tage Lebensmittel schleppen müssen. Hier gönnen wir uns die vertretbare Abkürzung, wie wir finden. Dafür zählen die Kilometer aber nicht in die Gesamtsumme. Da gehört nur rein, was erwandert wurde.

Übrigens könnte man für nur wenige Kronen mehr statt per Boot auch per Helikopter nach Ritsem kommen. Wie sinnvoll oder sinnfrei das ist, darf jeder für sich entscheiden.

In Ritsem angekommen, startet dann der dritte Tagesteil. Und der zweite Wanderteil des Tages. Erst müssen wir jedoch einkaufen. Wir hatten Ritsem als Ort mit Vollverpflegung eingeplant, nur gibt es die hier gar nicht. Deshalb müssen wir jetzt ein Frühstück und ein paar Snacks nachkaufen. Der kleine Shop ist gut ausgestattet. Den Preisen nach zu urteilen, liegen hier Goldbarren in den Regalen. Warum alles so extrem überteuert ist, verstehen wir nicht. Die Hütte ist per Auto erreichbar und kann deshalb unkompliziert versorgt werden. Der kleine Kiosk in Stáloluokta hat es da deutlich schwerer und dennoch waren die Preise nicht höher. Wie gut also, dass wir keinen Großeinkauf machen müssen.

Danach setzen wir die Wanderung fort. Wir wollen auf jeden Fall noch mindestens 10 Kilometer gehen. Das sollte einfach sein, denn für die nächsten ca. 20 km steht Straße auf dem Programm.

Der erste Kilometer ist schnell geschafft. Doch dann ist die Straße vor uns mit einer Schranke gesperrt. Das betrifft uns Wandernde nie, aber wir lesen das Hinweisschild zur Sicherheit trotzdem. Leider deutet nichts auf dem Schild darauf hin, dass die Sperrung nur für Fahrzeuge gilt. Stattdessen steht dort etwas von Videoüberwachung und Polizei. In der Umgebung befindet sich das Wasserkraftwerk für Ritsem.

Na super. Und was heißt das nun für uns? Wir fragen ein schwedisches Pärchen, das gerade in der Nähe nach einem Zeltplatz sucht. Sie verstehen das Schild ebenso wie wir. Er meint, wir könnten wohl auf eigenes Risiko weitergehen, 24/7 würde die Kameraüberwachung ohnehin nicht laufen. Es müsste eigentlich noch einen anderen Weg geben. Nach ein bisschen Suche finden wir ihn auch auf der Karte. Wir sind trotzdem irritiert. Erst als wir zufällig auf der Internetseite vom STF (dem schwedischen Wanderverein) landen, steht dort, dass die gesperrte Straße für Wandernde offen ist. Wie gut, dass es hier Internetempfang gibt! Wir machen sicherheitshalber einen Screenshot von der Seite und gehen dann weiter.
Und natürlich passiert nichts.

Der Weg ist nicht sehr spannend, aber die Landschaft zur rechten Seite hin ist schön anzusehen. Die Sonne grillt uns unbarmherzig und sorgt dafür, dass die Arm- und Nackenbräune jetzt definitiv den Winter überdauern wird.

Nach insgesamt 27 km stellen wir das Zelt unter zwei Birken auf.

Es ist die einzige halbwegs brauchbare Stelle, die wir hier im größeren Umkreis gefunden haben. Lediglich ein Problem taucht auf. Es wimmelt nur so vor Mücken. Seit Langem hatten wir nicht mehr so viele Plagegeister um uns herum und wir können auf tiefstem Herzen sagen: Wir haben euch wirklich kein bisschen vermisst!

Von dem langen Tag und der viel zu langen „Pause“ zwischen den Wanderungen sind wir beide sehr müde.

Und wir haben uns heute sehr ausgiebig mit der weiteren Route befasst. Das war für uns ein schwieriges Thema. Wir haben uns nun entschieden, nicht durch das Narvikfjell zu wandern und stattdessen nach Abisko zu gehen. Wir machen also genau das, was wir von Anfang an ausgeschlossen haben. Und wie kommt das nun?

Da wäre zum einen das Wetter. Die nächsten Tage werden nass, aber eigentlich ist das nicht Grund genug, sich gegen das Narvikfjell zu entscheiden. Die ehrliche Antwort lautet viel mehr, dass wir uns so sehr auf diese Gegend freuen, dass wir uns unsicher sind, ob wir sie jetzt wirklich genießen könnten. Das Narvikfjell ist anspruchsvoll. Das haben uns heute auch die Tourenbeschreibungen verdeutlicht. Als Beispiel: 6 Stunden für 10 Kilometer (bei gutem Wetter!) sprechen für sich. Wir sind uns sicher, dass wir mit mehr Stress als Spaß unterwegs wären und das wollen wir nicht. Also gibt es für uns einen ausgedehnten und entspannten Urlaub im Narvikfjell, bei dem es völlig egal ist, wie lange wir unterwegs sind und wie wenig Strecke wir machen.

Der Kungsleden wird hingegen eher ein Spaziergang. Ca. 30 Kilometer der Etappe kennen wir schon aus einem unserer Urlaube. Nur gehen wir diesmal in die entgegengesetzte Richtung. Das wird die Perspektive also etwas verändern.
Wir haben stark mit dieser Entscheidung gehadert. Es fühlt sich falsch an, den einfachen Weg zu wählen. Dabei ist uns klar, dass das völliger Blödsinn ist. Viele NPLer gehen über Abisko und niemand würde das in Frage stellen. Nur wollten wir das nicht und machen es jetzt doch. Das Gefühl, sich für etwas rechtfertigen zu müssen, dass wahrscheinlich niemanden interessiert, bleibt noch ein bisschen. Letztendlich sind wir aber glücklich über unsere Entscheidung.

Tag 99, 21.08.2023

Als wir aus dem Zelt klettern, begrüßen uns jede Menge Knots (nicht schön) und erst zwei, dann plötzlich jede Menge Rentiere (sehr schön!).

Der Himmel zeigt heute sein ganzes Spektrum an Grautönen. Für den Tag ist Regen vorhergesagt, aber noch ist es trocken. Die Birke über unserem Zelt wechselt langsam in ihr goldgelbes Herbstkleid…

…und auch die Rot- und Orangetöne in der Landschaft nehmen zu. Wir freuen uns schon sehr darauf, das ganze Fjell herbstlich bunt leuchten zu sehen. Ein paar Tage darf das aber doch gerne noch dauern.

Zunächst folgen wir der Straße für weitere 10 Kilometer bis zur  Hütte Sitasjaure.

Kurz danach legen wir die erste Pause ein und freuen uns nochmal kurz über Internet.

Inzwischen sind wir sehr zufrieden mit der getroffenen Wegentscheidung. Die Wettervorhersage für die nächsten Tage wird beständig schlechter. Da verschwindet das (völlig unnötige) schlechte Gewissen dann vollends. In Abisko wartet stattdessen ein nettes Airbnb auf uns, das sogar eine Waschmaschine hat und nur wenige hundert Meter vom Supermarkt entfernt ist. Das letzte Mal, dass wir ein vernünftiges (!) Apartment hatten, ist schon eine ganze Weile her und wir freuen uns auf das „Luxusprogramm“.

Nach unserer Pause geht es bergauf und hinein in die Natur. Wir sind wieder allein in der Weite der Landschaft.

Das ist nach den letzten Tagen ein ungewohntes, aber sehr schönes Gefühl. Der Weg dient als Querverbindung vom Padjelantaleden zum Kungsleden und wird, im Verhältnis zu den Hauptwegen, nicht so häufig genutzt. Die Wegfindung ist aber einfach. Es gibt wieder viele Planken, die aber oft in einem mittelmäßigen Zustand sind. Da sie die meiste Zeit gar nicht nötig wären, macht das aber nichts.

Für einen kleinen Teil der Strecke werden wir von Schneehühnern begleitet, die aufgeregt vor uns her watscheln. Unter den Planken wuseln ein paar Lemminge, Meerschweinchen-ähnliche Tiere. Zu unserer großen Überraschung kommt uns tatsächlich ein Wanderer entgehen. Er geht zur Hütte und berichtet, dass der weitere Weg ziemlich durch die Quads der Sami zerfurcht wäre, ein paar Kilometer später aber wieder besser würde. Wir können den Matsch aber gut umgehen.

Nach 25 Kilometern legen wir die letzte Pause ein. Noch fünf weitere haben wir uns vorgenommen. Die sollten nun schnell gelaufen sein. Doch die Landschaft hat andere Pläne.

Sie gibt uns doch ein kleines bisschen Narvikfjell-Gefühle und präsentiert sich uns richtig steinig. Das ist schön, aber auch ziemlich anstrengend. Vor allem, wenn man gedanklich schon Feierabend gemacht hat. Wir sind nun noch weniger traurig, das Gebiet auf dieser Tour zu verpassen. Denn langsam kündigt sich der versprochene Regen an, der uns bisher den ganzen Tag verschont hat. Den bräuchten wir auf ausschließlich felsigem Untergrund echt nicht.

Richtig kommt der Regen aber erst am späteren Abend, als wir nach 31 km schon längst im Zelt in unseren warmen Schlafsäcken liegen.

Um uns herum ist es felsig, auf einer zurückliegenden Anhöhe sehen wir noch die Hukejaure Hütte, die wir passiert haben.

Morgen geht es zum Kungsleden. Beim letzten Mal hatten wir an der Stelle, die wir für morgen Abend anpeilen, Sonne und in der Nacht den ersten leichten Schnee. Wir sind gespannt, was uns erwartet.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Wow…. Sehr schoen… Ich gruesse euch aus Nordnowegen. Freut euch auf den Nordkalotten und Dividalen, Kilpis und den Rest… Samt DEN HERBST. Da vergisst man sowohl die arroganten Pfeiffen und die kungsleden autobahn. Vielleicht sieht man sich da oben irgendwo.

  2. Hallo, Eure Reiseberichte faszinieren mich jedes Mal. Vielen Dank, daß man an Eure Reise so teilhaben kann. Ihr schafft es bis zum Nordkapp, da habe keine Zweifel. Gruß Christian

  3. Grüße aus Abisko. Ich bin hinter Euch. Daniel hab ich 2 Tage später auch noch aufgegabelt. Schön Euch getroffen zu haben. Hat mir Mut gemacht.
    Ich lese weiter mit U wünsche Euch alles Gute!

  4. Hi,
    einen deutschen PCT Wanderer haben wir vor 3 Tagen kurz vor der Virvasshytta getroffen und nach deiner Beschreibung könnte er das sein.
    Wir sind leider in 3 Tagen in Sulitjelma und damit mit unserer diesjährigen Tour durch. Ihr habt ja noch schöne Abschnitte vor euch. Viel Spaß und Erfolg, Andreas

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