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NPL Etappe 9, Røyrvik bis Umbukta

Tag 73, 26.07.2023

Eine letzte Dusche, ein letztes frisches Frühstück und dann geht es los.

Die Rucksäcke sind unangenehm schwer. Verpflegung für die nächsten 10-11 Tage sind nunmal keine Kleinigkeit. Unsere heutige Etappe teilt sich in zwei Hälften auf. Die erste besteht aus 15 km Straße. Kurz nach dem Start telefonieren wir noch mit Stefans Eltern. Die geplante Gepäckfahrt fällt leider aufgrund des schlechten Wetters aus. Stattdessen beschließt Anne, Stefans Mutter, heute gedanklich mit uns Kanu zu fahren und uns die Überfahrt zu schenken. Herzlichen Dank dafür! Jetzt müssen wir nur noch lospaddeln.

Nach den 15 km Straße sind wir am Namsvatnet. Hier kommen wir zur zweiten Hälfte. Es gilt, den See zu queren.

Insgesamt gibt es drei verschiedene Möglichkeiten. Man kann den See umgehen. Das dauert ca. zwei Tage und ist eine Option, die viele Norweger nutzen. Dann kann man sich alternativ per Motorboot innerhalb weniger Minuten auf die andere Seite bringen lassen. Die Option nutzen wohl viele Deutsche. Und dann gibt es ein paar wenige Leute irgendwo dazwischen, die aus eigener Kraft über den See wollen. Das sind wir. Rolf, unser Kanuverleiher kommt zum Treffpunkt am Bootshaus und erzählt uns von den drei Gruppen. Außerdem erfahren wir, dass wir hier am norwegischen Mittelpunkt zwischen Lindesnes und dem Nordkapp stehen. Zumindest per Luftlinie sind es 851 km in jede Richtung.

Die Kanuauswahl ist ein wenig ernüchternd. Der perfekt passende Kanadier ist im Privatbesitz und kann nicht geliehen werden. Der alternativ vorhandene Kanadier sieht etwas klein aus für drei Erwachsene und drei schwere Rucksäcke. Aber auf zwei Kanus umschwenken ist bei der Auswahl hier auch schwierig. Also wird es zwangsläufig der etwas zu kleine Kanadier. Nach einer Runde Pack-Tetris sind wir samt Gepäck im Kanu verstaut.

Ich habe keine Möglichkeit, mich beim paddeln zu beteiligen, da vor mir zwei Rucksäcke stehen. Damit habe ich zwar einen einfachen, wenn auch sehr unbequemen Part, aber ehrlich gesagt finde ich das ziemlich doof. Ich hatte mich tatsächlich auf’s Paddeln gefreut. Außerdem habe ich immer das Gefühl, viel mehr Kontrolle über das Kanu zu haben, wenn ich selbst aktiv bin. Jetzt bin ich den Schwankungen total ausgeliefert. Nicht so angenehm. Stefan und Daniel machen natürlich einen tollen Job, keine Frage. Und da ich hier mit Mühe und Not um die Rucksäcke gepfercht sitze, wäre ein Platztausch auch eher schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Ich versuche mich stattdessen auf die schöne Landschaft zu konzentrieren und die Kanufahrt mit der GoPro einzufangen.

Nachdem wir dreiviertel der Strecke geschafft haben, beschließt die Regenfront, die zu unserer rechten Seite in den Bergen hing, dass es jetzt Zeit ist, über den See zu fegen. Da der Regen auch noch seinen Freund Wind mitbringt, landen wir an einem kleinen Strandstück an und warten den Regen ab. Das ist für mich besonders gut, denn ich muss mir dringend ein paar Jacken anziehen. Ein paar Meter kalter Wind ohne jegliche körperliche Aktivität haben mich zum Eiszapfen werden lassen.

Nachdem der Wind nachgelassen hat und auch der Regen verschwindet, quetschen wir uns wieder in unseren Kanadier. Noch zwei Kilometer, dann sind wir am Ziel. Vom Wasser aus ist bereits ein großer Wasserfall zu sehen. Den wollen wir uns nachher noch genauer anschauen. Aber erstmal legen wir an, bringen uns und anschließend das Kanu sicher an Land…

…und suchen dann rundum den schönen Unterstand, der hier steht, Plätze für die Zelte.

Nach dem Abendessen suchen wir dann einen Weg zum Wasserfall. Wir sind total beeindruckt, wie groß und schön dieser Wasserfall, der Storelva, ist.

Von zwei unterschiedlichen Stellen bestaunen wir ihn und sind glücklich über diesen Tagesabschluss!

Als wir dann auf dem Rückweg noch die ersten reifen Moltebeeren naschen, ist der Abend rund.

Im „Camp“ sind wir überrascht. Plötzlich sind hier ganz viele Leute. Eine Frau baut ein Zelt auf, drei Männer müssen hingegen woanders suchen. Die Zeltplätze hier sind begrenzt.

Die drei erzählen von ihrer einwöchigen Wandertour durch den Børgefjell-Nationalpark. Außerdem verraten sie uns, dass die Frau auch NPL läuft, aber am Nordkapp gestartet ist. So sitzen wir noch eine Weile mit Ewa aus Polen zusammen und tauschen uns über Erlebnisse und die jeweiligen Routen aus. Wir lachen, als sie uns ein Bild von anderen deutschen NPLern zeigt, die sie schon getroffen hat. Das ist doch Kathi!

Spannend, nun die erste Person zu treffen, die an unserem Ziel gestartet ist!

Tag 74, 27.07.2023

Wir sind beide viel zu müde um aufzustehen. Aber unsere Startzeit ist für 7 Uhr vereinbart, also müssen wir wohl oder übel doch aufstehen. Um zwanzig nach 7 sind wir dann unterwegs.

Die Rucksäcke sind immer noch fürchterlich schwer. Der Unterschied zu gestern macht sich effektiv noch nicht bemerkbar. Zum Glück ist der Weg, der uns in das Børgefjell führt, vergleichsweise angenehm zu gehen. Wäre da nicht der Rucksack.

Zu Beginn können wir tatsächlich einem gut erkennbaren Weg folgen. Bis zur ersten Furt nach knapp sechs Kilometern führt er uns. Der Fluss hat einen niedrigen Wasserstand, aber für Wanderschuhe ist er leider doch zu hoch.

Also rein in die Wasserschuhe und schnell hindurch. Natürlich nicht zu schnell, ich habe ja dazugelernt. Das Wasser ist eisig kalt und die Flussquerung kommt mir viel länger vor, als sie eigentlich ist. Die Kälte versetzt mir unangenehme Stiche in den Beinen und ich bin wirklich froh, als ich aus dem Wasser heraus bin. Kaltes Wasser mag ich nicht so sehr. Aber vermutlich werde ich mich auch damit noch häufiger abfinden müssen.

Danach geht es weglos weiter. Fjellbirken stehen uns mit Vorliebe im Weg, bis wir die Baumgrenze erreichen.

Der Untergrund ist überwiegend fest und eigentlich könnte man hier wirklich gut und zügig vorankommen.

Aber das Gewicht… Es ist sehr frustrierend heute. Mein Kopf scannt immer wieder die Umgebung und sagt mir, dass das eigentlich viel schneller gehen müsste. Mein Körper sagt: Nein, das ist echt anstrengend. Die Uneinigkeit sorgt bei mir nicht für die allerbeste Laune. Dabei ist die Landschaft doch so schön! Nach 12 km machen wir eine längere Pause mit Ausblick auf einen wunderschönen See, den Virmavatnet.

Wir sind alle müde und die Laufmotivation ist …begrenzt. Daniel fragt, ob wir denn wohl noch weitergehen oder hier das Zelt aufbauen. Wäre das hier ein normaler Urlaub, ich würde nicht überlegen. Aber so sind mir 12 km eindeutig zu wenig. Die zwei Männer sehen das ebenso, also geht es weiter.

Ich versuche mich mit einen Hörspiel von Sebastian Fitzek abzulenken, das ich in den Tiefen meiner Spotify-Downloads entdeckt habe. Vielleicht hilft ein bisschen Spannung bei der weiteren Strecke. Es klappt tatsächlich, aber auch die sich weiter verändernde Landschaft lässt meine Laune aufblühen.

Es wird immer karger. Bald gibt es um uns herum nichts anderes mehr als raues Gestein, das von kleinen Bächen und Flüssen durchzogen ist.

Die einzigen Kontraste, wenn man das so nennen will, bilden dunkle Flechten und Moose sowie kleinere und größere Altschneefelder. Ich finde es unendlich schön. Mein Vater würde jetzt sagen: „Was kann man daran schön finden? Da ist doch nichts.“ Genau erklären kann ich mir die Faszination auch nicht. Aber sie ist da.

Wir wählen wieder unsere eigene Route, die uns über einen niedrigen Pass mit einem See des Virmafjellets führt.

Wir überlegen, direkt unterhalb zu zelten, aber der vorhandene Platz hat zu viele Steine im Boden. Also geht es weiter über den Pass.

Es bietet sich uns ein beeindruckendes Panorama. Vor uns liegt ein Tal, das von großen Bergen umringt ist. Ich frage mich, ob wir noch in Norwegen oder schon auf dem Mond sind. Was für ein Ausblick!

Da hier noch viel Schmelzwasser den Hang herabfließt, dauert die Zeltplatzsuche ein bisschen. Heute zelten wir nicht nebeneinander, sondern mit ein bisschen Abstand. Aber wenn man die ganze Weite zur Verfügung hat, muss man schließlich auch nicht eng an eng stehen.

Um uns herum wechseln sich Sonnenschein und tiefdunkle Wolken ab. Das ist bereits den ganzen Tag so. Mal regnet es ein bisschen, aber überwiegend ist es schön. Hier oben wird es jedoch schnell frisch. Auf etwas über 1000 Metern sind die Temperaturen doch anders. Nach dem Abendessen verschwinden wir also schnell im Zelt.

Heute sind wir 18,5 km gewandert. Mit schwerem Rucksack und durch wegloses Gelände ist das wohl in Ordnung, sage ich mir. Mein Körper bestätigt das laut und deutlich. Die Freude auf den warmen Schlafsack und eine erholsame, lange Nacht ist jedenfalls groß!

Tag 75, 28.07.2023

Heute morgen machen wir etwas völlig Verrücktes. Wir verkleinern unsere Frühstücksportionen. Ja, richtig gelesen, verkleinern. Tatsächlich waren uns die Portionen gestern und auch heute wieder zu viel. Gewicht mitschleppen, das wir schlussendlich nicht essen? Das halten wir für Blödsinn. Also nehmen wir aus jedem Portionsbeutel etwas heraus und verstreuen es in der Landschaft. Hoffentlich rächt sich das nicht in den nächsten Tagen. Aber in Umbukta wissen wir dann für die nächste Etappe Bescheid, wie gut oder schlecht unsere Versorgungsplanung vom heimischen Wohnzimmer aus war.

Vor uns breitet sich heute die wunderbare Landschaft in schönstem Sonnenlicht aus. Wir wissen, dass sich das Wetter heute noch ändern wird, aber jetzt brauchen wir erstmal alle unsere Sonnenbrillen.

Nach einer kurzen Suche, über welchen Pass wir als nächstes gehen müssen (der rechte oder doch der geradeaus? Ah, der geradeaus ist es!) gehen wir zunächst bergauf.

In der endlosen Weite der Landschaft fällt es mir schwer, Distanzen abzuschätzen. Ich lasse mich also einfach überraschen. Als wir auf dem Pass stehen, sehen wir vor uns das nächste weite Tal. Die Berghänge um uns herum sind noch von Schneefeldern bedeckt. Eins davon müssen wir queren.

Schnee und Sonne? Für Daniel und mich Grund genug, einen Schneeengel zu machen. Leider ist der Schnee nahezu steinhart, so dass das an meine Armen ziemlich weh tut. Daher scheint es meiner Darbietung ein wenig an Eleganz zu mangeln. „Sah eher aus wie eine Schneerobbe“, urteilt Stefan. Nunja.

Aus etwas weiterer Entfernung sehen wir oben am verschneiten Hang eine kleine Rentierherde. Nahezu alle Tiere liegen im Schnee. Sie genießen die Kälte wohl sehr.

Nach fünf Kilometern gibt es die erste Pause. Die für später angekündigten Gewitter lassen sich bereits erahnen. Nahezu an sämtlichen Bergen um uns herum sehen wir dicke Gewitterwolkentürme. Also lieber weiter, damit wir es vor Regen und Gewitter zum Fluss schaffen, den wir heute furten müssen. Die Landschaft ist weiterhin absolut schön. Wir sind alle sehr glücklich hier.

Als wir nach knapp 11 km den Fluss Ranserelva erreichen, sind wir mal wieder erleichtert. Der Wasserstand ist niedrig, die Strömung nicht stark und der Fluss demnach gut zu durchqueren. Zwar müssen wir die Schuhe wechseln und ich erfriere wieder kurzzeitig an den Füßen, aber dann sitzen wir auch schon wieder entspannt am nächsten Ufer.

Etwas weniger entspannt blicken wir auf die dunkle Wolkenwand vor uns. Da kommt definitiv ein Gewitter und so wie es aussieht, direkt auf uns zu.

Wir überlegen kurz, wie sinnvoll es wäre, jetzt direkt in das Gewitter hineinzugehen. Also bauen wir ein paar Meter weiter die Zelte auf und wettern ab.

Draußen herrscht bald tiefe Nacht und ein paar Donnerschläge sind zu hören. Viel mehr kommt aber nicht. Wir genießen die ausgedehnte Zeltpause stattdessen mit einer Mittagsmahlzeit und einem schönen Nickerchen.

Um 14 Uhr strahlt draußen wieder die Sonne und wir gehen weiter. Das nächste Gewitter steht bereits in der Warteschlange, aber da es noch recht weit weg ist, ziehen wir erstmal weiter.

Statt Gewitter erwischt uns nun eine dicke und ausgedehnte Regenschauer. Wir kommen dennoch gut voran. Ich bin mit meinem äußert spannenden Hörbuch sowieso gut beschäftigt und lasse mich vom Regen nicht stören. So plötzlich wie er angefangen hat, endet der Regen dann auch wieder.

Die Regenkleidung bleibt aus Trocknungsgründen aber noch ein bisschen an. Als wir an eine Stelle kommen, an der wir eine fantastische Sicht auf den schneebedeckten Kvigtinden haben, steht für Stefan und Daniel fest, dass sie morgen zu diesem Anblick aufstehen wollen.

Also bauen wir die Zelte nach 19,3 km auf.

Morgen geht es für uns schon wieder aus dem Børgefjell heraus. Das ist richtig schade. Hier kann man es echt gut aushalten!

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Hallo ihr beiden,
    ich lese fleißig eure Blog Beiträge und kann euch einfach nur meinen größten RESPEKT aussprechen. Herzliche Glückwünsche zu (nun schon mehr als) 1500 Kilometern und natürlich auch zum Hochzeitstag.

    Ich weiß nicht, ob ich mich bei moosigem Sumpf, Schneefeldern, Wasserfurten und Insektenplagen immer wieder auf’s neue motivieren könnte. Von zu viel Sonne oder zu viel Regen Mal ganz abgesehen.

    Wie schwer sind eigentlich eure Rucksäcke so im Durchschnitt?

    Ich wünsche euch noch eine gute Zeit und freue mich auf die weiteren Berichte.

    LG aus Straelen
    Sandra

    1. Vielen Dank für deine nette Nachricht. 😊

      Manchmal fragen wir uns auch, wie wir uns motivieren können bzw. warum man das alles macht. Dann gibt es aber immer wieder so Momente, in denen man einfach nur glücklich ist, genau hier zu sein. Dafür lohnt es sich all die Anstrengungen auf sich zu nehmen. 😀

      Unsere Ausrüstung inkl. Gewichtsangaben findest du hier.
      Wieviel kg es inkl. Essen für bis zu 10 Tage sind, wissen wir gar nicht so genau – ist vielleicht auch besser so. 🫣 Vermutlich sind es irgendwas um die 20-22 kg. Wir wissen nur, dass es ganz schön schwer ist. Aber es wird dann ja täglich weniger. 😉

      Viele Grüße nach Straelen!

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