NPL Etappe 5, Vinstra bis Røros
Tag 37, 20.06.2023
Das Hostel ist wirklich super, aber gut schlafen kann ich hier nicht. Also starte ich völlig gerädert in die neue Etappe. Das Konzept des Pausentags zur Erholung hat mein Körper anscheinend noch nicht gänzlich verinnerlicht. Stefan ist ebenfalls noch verschlafen und da es draußen regnet, haben wir es mit dem Start nicht ganz so eilig. Eine letzte Dusche, ein gemütliches Frühstück und dann ist es irgendwie auch schon Zwanzig nach Neun. Nun aber los.
Die Dusche ist nach 10 Minuten bereits hinfällig. Oder wir haben uns einfach nicht abgetrocknet?
In Vinstra herrscht absolutes Waschküchen-Wetter. Dazu stehen heute gute 900 Höhenmeter auf dem Programm – zum Einstieg.
Warm wäre uns also auch so geworden. 500 davon verteilen sich auf sieben Kilometer, die restlichen 400 dann immerhin auf weitere neun Kilometer Wegstrecke.
Damit zumindest das Gehen nicht so schwer ist, folgen wir heute dem Per Gynt seterveg.
Der besteht überwiegend aus Straße mit gelegentlichen kleinen Abstechern über z. B. einen Waldweg.
Aber mir fällt heute jeder einzelne Schritt schwer. Ich bin unglaublich müde und habe das Gefühl, zusätzliche Gewichte an den Beinen zu tragen. Am liebsten würde ich mich einfach irgendwo in den Straßengraben legen und eine Runde schlafen. Aber das lasse ich dann doch lieber.
Über den Weg gibt es zunächst nicht viel zu berichten. Erst nach ca. 10 Kilometern kommen wir so richtig in die Natur. Der Himmel zeigt sich in unterschiedlichsten Graustufen und lässt die unterschiedlichen Grüntöne der Natur so besonders leuchten.
Vom Regen werden wir bisher verschont. Immer mal wieder fallen ein paar Tropfen, aber wohl mehr um bei uns keine Langeweile aufkommen zu lassen. So können wir uns heute immer wieder mit dem Regenkleidung-ja-oder-nein Spiel beschäftigen.
Der Weg führt uns durch eine hügelige Landschaft, die einfach toll aussieht. Auch wenn ich hauptsächlich damit beschäftigt bin, die Augen irgendwie offen zu halten, entgeht mir die Schönheit der Umgebung nicht.
Nach 14km kapituliere ich jedoch und lege mich auf die Bank, die zum Glück am Wegesrand steht. Endlich schlafen! Nach dem Mittagsschlaf fühle ich mich zwar nicht hellwach, aber zumindest wieder fit genug für den weiteren Weg. Wie weit der heute wird, ist aber fraglich.
Heute morgen haben wir beschlossen, dass wir gerne am 29.06. in Røros ankommen wollen. Das bedeutet, dass wir insgesamt noch 10 Lauftage hätten und demnach mit 19km pro Tag auskommen würden. Normalerweise wäre uns das zu wenig, aber heute ziehe ich die Option in Betracht.
Der Weg führt über den nächsten Berg.
Wir können hier dem geschlängelten Weg der Straße folgen oder den direkten Weg nach oben über eine Skiloipe nehmen. Ganz entscheidungsfreudig sind wir nicht, also machen wir ein Spiel daraus. Ich denke mir eine Zahl zwischen 0 und 10 aus. Stefan trifft sie haargenau, also nehmen wir den direkten Weg. Beim zweiten Wegstück tauschen wir die Rollen. Ich treffe die Zahl nicht, also gehen wir nun weiter über die Straße.
Der Ausblick von oben auf die Rondane ist toll, auch in diesem Wetter.
Wie unendlich schön das hier erst bei guten Sichtverhältnissen sein muss! Wir schicken direkt einen Standort an unsere Freunde, damit sie während ihres Urlaubs hier einen Zwischenstop einlegen. Tolle Landschaft, tolle Aussicht und jede Menge Stellplatzoptionen.
Für uns geht es bergab. Auf einer Informationstafel stand, dass in der Rondane noch wilde Rentierherden leben. Aktuell sind wir aber nur von Schafen, Schafen und Schafen umgeben. Der „Duft“ der Tiere umweht uns quasi pausenlos.
Und dann trifft uns tatsächlich die erste richtige Regenschauer der ganzen Tour. Als wir noch auf dem Weg bergauf waren, haben wir bei einer vermeintlichen Schauer Regenjacke und -hose angezogen. War natürlich ein Fehlalarm. Aus Bequemlichkeit (oder aus Frust?) haben wir die Sachen dann nicht zum x-ten Mal wieder ausgezogen. Und das kommt uns jetzt zu Gute.
Über uns zieht eine richtige Regenschauer, die aber bald schon wieder verschwunden ist. Nach mehr als fünf Wochen ist uns der Regen noch durchaus willkommen, vor allem, wenn er immer nur kurz vorbeikommt.
Wir laufen nun durch ein Gebiet, dass noch richtig urtümlich aussieht. Die Landschaft wirkt rau, wahrscheinlich wegen des Wetters,
und die Häuser alle eher alt. Wir fühlen uns ein bisschen in der Zeit zurückversetzt. Es ist richtig schön!
Und es läuft sich auch ganz gut, wenn man nicht mehr das Gefühl hat, ständig einschlafen zu können. So steuern wir Daniels Zeltplatz vom Vorabend an. Mücken umschwirren uns sowieso, dann können wir auch direkt am Wasser zelten.
Und irgendwie sind es dann doch 25km geworden heute. So lang die ersten 14 gedauert haben, so locker gingen die letzten 11. Stefan ist am Abend richtig müde und schläft um halb 9 innerhalb von Sekunden tief und fest ein (wobei, das macht er immer so. Darum beneide ich ihn sehr!). Ich schreibe derweil noch den Tagesbericht und freue mich nun auch auf den Schlaf. Endlich wieder im eigenen Bett liegen! Auch wenn das hier „nur“ ein Zelt und „nur“ eine Luftmatratze ist, so ist es gerade doch unser Zuhause und unser Bett. Und dafür ist keine Hütte und kein Hostel ein Ersatz!
Tag 38, 21.06.2023
Wir starten heute wieder gemütlich in den Tag. Über Nacht hat es geregnet, aber der Morgen ist trocken. Und kurz nachdem wir losgegangen sind, gibt sich auch die Sonne die Ehre. Wir steigen nun hoch in die Rondane. Der Einstiegsweg ist nicht markiert, aber ganz einfach zu finden.
Schon bald sind wir wieder über der Baumgrenze und genießen die Aussicht auf die umliegenden Berge.
Während wir unterwegs sind, stellen wir fest, dass wir wieder Netz haben. Wie praktisch, dass auch Lars gerade Zeit hat. Dann können wir nochmal schnell die Reisepläne besprechen. Und dabei fällt auf, dass Stefan und ich einen klitzekleinen Denkfehler hatten. Wenig überraschend wollen sich die zwei nach ihrer Ankunft in Oslo erst noch die Stadt ansehen. Das haben sie uns gegenüber auch sicherlich ein, zwei, dreimal erwähnt. Nur in unseren Köpfen hieß der Plan: Ankommen und ab nach Røros. Nun haben wir also zwei weitere Tage gewonnen. Das entschleunigt die nächste Zeit weiter. Wir spielen mit dem Gedanken, eventuell einfach an der kommenden Hütte zu bleiben. Aber wir gucken sie uns erstmal an.
Vorher geht es weiter durch die weite Fjelllandschaft. Neben einem erschockenen Moorschneehuhn (das klingt wie ein Hund auf Helium, sagt Kathi und trifft es damit erstaunlich gut) treffen wir noch eine kleine Kuhherde.
Die begegnet uns ungewohnt skeptisch und trabt direkt auf uns zu. Das gefällt uns nicht so ganz gut, aber wir gehen mal davon aus, dass sie friedlich sind. Andererseits spekulieren wir über die möglichen Schlagzeilen: „NPL-Wanderer in Rondane von wilden Kühen attackiert“. Das klingt aber sowohl für uns als auch für die Kühe zu albern. Der Bulle stellt sich schützend vor seine Herde, lässt uns aber unbehelligt vorbeiziehen.
Die Hütte ist schon von Weitem sichtbar. Ich freue mich, weil wir dort bestimmt eine schöne Aussicht haben. Andererseits bin ich bei Hütten, die man von weit her sieht auch nicht so angetan, weil der noch zu gehende Weg bis dort meist viel länger ist, als man denken würde. Und „die letzten Paar Meter“ sind dann auch nochmal ein kleines bisschen anspruchsvoller. Den einen Hügel geht es leicht steil hinab über Geröll,
den nächsten dafür auch wieder steil nach oben.
Und dann sind wir da.
Die Hütte hat eine schöne Aussicht und ist ganz gemütlich. Das Vorratsregal ist bis obenhin gefüllt und insgesamt gefällt es uns hier so gut, dass wir den Wandertag nach nur 8km beschließen. Und der Blick auf die Wettervorhersage bestätigt unsere Wahl. Am Nachmittag soll es Starkregen und Gewitter geben. Da können wir heute ohne schlechtes Gewissen auf unser Zelt verzichten.
Zum späten Frühstück gibt es heute Pfannkuchen. Hüttenluxus! Dann gönnen wir uns ein Mittagsschläfchen und kochen uns am späten Nachmittag ein gutes Abendessen.
Kurz zuvor bekommen wir noch Gesellschaft von einer Norwegerin. Sie hat die Zeit perfekt abgepasst. Nur wenige Minuten nach ihrer Ankunft schüttet es wie aus Eimern. Da hatte die Wettervorhersage wohl doch recht.
Den Abend verbringen wir mit Karten und Kniffel spielen und natürlich ein bisschen Routenplanung. Mehr Kilometer müssen her, um die nächsten 10 Tage zu füllen. Hinter Tynset wollen wir nun statt des Olavswegs für 85km in die Femundsmarka einsteigen und darüber nach Røros gehen. Dann hätten wir immerhin acht oder ganz gemütliche neun Tage gefüllt und würden in Tynset zusätzlich einen Pausentag einlegen.
Bevor es ins Bett geht, lesen wir noch Kathis neusten Blogbeitrag. Die regen immer zum Denken an und beschreiben oft viele Gedanken, die uns hier auch durch den Kopf gehen.
Tag 39, 22.06.2023
Einen Mittsommernachtsspaziergang konnten wir in der Nacht nicht machen. Es hat noch sehr lange sehr stark geregnet. Aber da die Norweger Mittsommer erst am 23.06. feiern (erklärt uns die anwesende Norwegerin), können wir das ja nochmal überlegen.
Heute strahlt der Himmel in schönstem blau, gespickt mit ein paar Wolken.
Die Sonne scheint, aber ein ordentlicher Wind sorgt für eine angenehme Kühlung. Der Weg führt uns heute in Richtung der Bjørnholliahütte. Suchen müssen wir nicht und so bleibt uns viel Zeit dafür, uns die wunderschöne Gegend anzusehen.
Wir laufen durch Täler und über sanfte Hügel, die allesamt in verschiedenen Grüntönen erstrahlen. Wir erkennen schnell, warum die Rondane ein so beliebtes Wanderziel ist. Allerdings erkennen wir das auch ganz besonders schnell an den breit ausgetretenen Wegen. Wir sind froh, vor der Saison hier zu sein und möchten gar nicht so genau wissen, was hier im Sommer los sein muss.
Alle Bäche und Flüsse, die wir heute furten müssen, haben durch den Starkregen deutlich erhöhte Pegelstände. Die üblichen Wege sind zeitweise nicht ohne nasse Füße machbar, aber wir finden immer eine gehbare Alternative.
Nur einmal ziehen wir lieber die Gamaschen über. Sicher ist sicher. Begleitung bekommen wir hier und dort von ein paar Schafen. Sonst sind wir ganz und gar allein inmitten der Natur.
Ich genieße das Wandern heute sehr. Seitdem klar ist, dass wir einen festen Termin in Røros haben und bis dort eher gemütlich unterwegs sein werden, habe ich in den Urlaubsmodus geschaltet. Keine Eile, kein Stress, nur genießen.
Das fällt mir sonst nicht ganz leicht. Wer mich kennt, weiß, dass wenn ich mir ein Ziel gesetzt habe, jenes auch erreicht wird. Und so fühle ich mich auch auf dieser Tour bisher immer mal wieder getrieben, voranzukommen. Man weiß nie, was noch passiert und was ich jetzt schonmal gut geschafft habe, habe ich weg. So denke ich. Jetzt muss ich mir dazu aber keine Gedanken machen. Die angesetzten Kilometer sind sowieso gut machbar und ein paar Tage Erholung können wir uns locker leisten. Ein Urlaub innerhalb der NPL-Tour quasi. Warum auch nicht?
Stefan ist heute hingegen nicht so fit. Ihn plagen leichte Kopfschmerzen, die die Leichtigkeit des Wanderns ein wenig trüben.
Unser Weg führt uns irgendwann hinab in Richtung der Bjørnholliahütte.
Wir biegen jedoch rechts ab, denn dort wollen wir gar nicht hin. Einen letzten Anstieg haben wir noch vor uns, bevor wir allmählich zum Ende kommen wollen. Und dann besteht der Anstieg zum großen Teil aus Stufen.
Och nee… Steinstufen sind so mühsam zu gehen. Jeder Tritt hat eine andere Höhe, so dass man völlig aus dem Rhythmus gerät. Sowas mag ich gar nicht. Ein paar Meter kann ich neben den Stufen gehen, meistens aber nicht. Zum Glück sind es insgesamt nicht so ganz viele. Auf den Lofoten hat mich der Aufstieg und anschließend vor allem der Abstieg vom Reinebringen mit seinen zig-hundert Stufen nicht nur sämtliche Nerven gekostet, sondern auch meinen rechten Fuß arg in Mitleidenschaft gezogen… Eventuell lag das auch an der zu dem Zeitpunkt noch relativ frischen Bänderdehnung, aber schön war es in jedem Fall nicht. Also: Angelegte Steinstufen in der Natur sind doof, aber diese hier sind schnell geschafft.
Wir beenden unseren Wandertag nach 19km. Das ist ein bisschen früher, als wir angedacht hatten, aber der Platz ist traumhaft schön. Die Bilder sprechen für sich.
Schön wieder von Euch zu hören 😃.Haltet weiterhin durch, trotz der vielen Fliegen und Mücken 👍.
Vielen Dank. Wir lassen uns von denen nicht unterkriegen – auch wenn sie wirklich sehr, sehr nervig sein können. 😀
Hallo ihr zwei.
ich fühle mich sehr geehrt, dass Frau Elch jetzt meinen Namen trägt 🥰
Wir sind gerade im Urlaub in Luxemburg und „wandern“ aber nur ein wenig…für euch wäre das wahrscheinlich ein kleiner Spaziergang an einem Ruhetag 😅Wir fiebern jede Woche aufs Neue auf eure Blogbeiträge und verschlingen diese und freuen uns mit und für euch und lachen immer Mal wieder herzlich. Es ist so mega gut geschrieben Ihr habt da echt alles richtig gemacht, so sehen es sicherlich auch eure Fliegen oder Mückenfreunde 😜
Selbst unsere Kinder sind angesteckt und bekommen als Einschlagprogramm jeweils ein paar Tage NPL vorgelesen.
Genießt noch weiter eure Auszeit und lasst uns auch gerne noch so unterhaltsam dran teilhaben.
GLG
Silvie
Hey Silvie,
da haben wir total vergessen, auf deinen lieben Kommentar zu antworten.😨 Wir haben sehr geschmunzelt, dass wir auch als Gute-Nacht-Lektüre dienen. 😀 Wir hoffen, dass wir euch weiterhin gut unterhalten. Einige Wochen sind wir schließlich noch unterwegs. Danach müssen wir uns wohl was Neues einfallen lassen…
Liebe Grüße an die ganze Elchfamilie!