Skip to content

NPL Etappe 8, Gjefsjøen bis Røyrvik

Tag 68, 21.07.2023

Einen Wecker brauchen wir heute nicht. Um kurz vor halb 6 rüttelt uns starker Regen aus dem Schlaf. Früher als erwartet, aber regnen sollte es ja sowieso. Vielleicht hört er dafür ja eher auf (Nein.).

Um kurz nach 7 Uhr geht es los. Es regnet weiterhin und die Berge um uns herum sind im Nebel kaum zu sehen.

Zunächst geht es sumpfig los, dann kommen wir tatsächlich auf einen Wanderweg. Was für ein Highlight! Die Wegmarkierungen sind zwar etwas abenteuerlich (aufgestellte Steinplatten inmitten von steiniger Gegend fallen jetzt nicht sooo sehr auf), aber mal nicht auf den Weg achten müssen ist sehr angenehm. Man könnte fast meinen…zu angenehm. Denkt sich der Weg wohl auch und verschwindet im Nirgendwo. Stefan und Daniel geben sich größte Mühe, den Weg wiederzufinden, aber irgendwann kapitulieren wir.

Selbst als wir laut Karte mitten auf dem Weg stehen, ist da garantiert kein Weg. Zu lange stehen bleiben ist außerdem keine gute Idee, da die Nässe dann wirklich kalt wird. Also geht es weiter wir bisher. Weglos halt. Stefan pflügt sich durch Sumpf und Wald, Daniel und ich hinterher. Und dann haben wir die Straße erreicht. Endlich eine Straße! Tut das nach den ganzen weglosen Tagen gut!

Aus den grob angepeilten sechs Fjellkilometern sind fast 10 geworden, aber nun geht es auf jeden Fall entspannt weiter. Nach wenigen Straßenmetern entdecken wir ein Hinweisschild. Anscheinend findet hier an diesem Wochenende das Totsås Rock Festival statt. Oha!

Wir ziehen das in unserem durchnässten Zustand nicht ernsthaft in Betracht, aber ein bisschen kribbelt es Stefan und mir doch in den Füßen, jetzt zum Gelände abzubiegen. Ein Festival mitten in den norwegischen Bergen hätte schon was… Während unserer ersten Pause hören wir in die Bands rein und beschließen, dass das Festival wohl doch ohne unsere Anwesenheit auskommen muss. Der angekündigte Dauerregen für das ganze Wochenende tut sein Übriges dazu.

Die restlichen Kilometer bis nach Sandvika verlaufen unspektakulär, aber ungewöhnlich schnell.

Um 14 Uhr sitzen wir schon mit gut gefüllten Tellern im Liverten AS. Mal wieder ist das hier eine Kombination aus Tankstelle, Restaurant und Souveniershop. Das Besondere: NPL-Läufer dürfen sich hier kostenlos den Bauch am Buffet vollschlagen. Was für ein tolles Angebot!

Wir rätseln, wie man wohl die richtigen Leute erkennt, so dass das Angebot nicht ausgenutzt wird. Dann sehen wir uns an und die Frage erübrigt sich. Unser nicht mehr ganz taufrischer Geruch tut wohl sein Übriges dazu. Zum Wohle aller bleiben die Schuhe deshalb an, auch wenn es schön wäre, die Füße trocknen zu lassen. Den ganzen Tag nasse Füße zu haben, sorgt abends wirklich nicht für ansehnliche Zustände… Stellt euch vor, eure Füße würden für 8-10 Stunden baden gehen. Dann bekommt ihr eine Idee.

Aber zurück zum Essen (falls ihr das jetzt noch lesen wollt):
Es gibt Lapskaus (norwegisch, nicht deutsch) und ein Salatbuffet. Nach drei vollen Tellern, einem Kakao, einem Tee und einem Liter Limo fühle ich mich angenehm gesättigt.

Diese eigenwillige Kombination aus Geschäft und Restaurant hat für uns heute einen riesengroßen Vorteil. Wir benötigen weder Souvenirs noch Angelausrüstung, aber in einer kleinen Elektroecke finden wir Kopfhörer. Wir kaufen gleich zwei Paar, damit wir eins auf Reserve haben. Die Einkaufsmöglichkeiten werden zunehmend rarer. Die Kopfhörer sind irrsinnig (irrsinnig!) teuer, aber insbesondere auf langen, eintönigen und schlecht gelaunten Abschnitten ist Unterhaltung irrsinnig wichtig. Da bedanken wir uns an dieser Stelle bei Christian S. für die Unterstützung, die wir in diesem Fall für die benötigten Kopfhörer eingesetzt haben. 🙂

Zwischenzeitlich bekommen wir Besuch von Hans Viktor, der heute einen Pausentag in Sandvika macht. Er versucht uns davon zu überzeugen, heute auch hier zu zelten, aber wir wollen noch weiter. In Røyrvik sehen wir uns wohl wieder. Oder auch schon schneller. Denn bevor wir richtig weitergehen, geht es noch in den Supermarkt. Für die nächsten zwei Tage brauchen wir noch ein paar Kleinigkeiten. Als Nachtisch zum Essen gönnen wir uns einen Muffin und einen Apfel. Das geht in dem Supermarkt ganz gemütlich, da es einen extra Raum zum Kaffee trinken und gemütlich sitzen gibt. Und da sitzt auch Hans Viktor wieder und futtert sich durch das Supermarktangebot.

Um 17.30 Uhr gehen wir dann wirklich noch weiter. Selbstverständlich im Regen. Wir nehmen uns noch ungefähr sechs Kilometer vor und hoffen auf einen Zeltplatz an einem See, an dem Sophie letztes Jahr auch gezeltet hat. Nach der langen Pause fühlt sich der weitere Weg für mich trotz Regen an wie ein gemütlicher Abendspaziergang. Die vorher gelaufenen 23km sind quasi schon vergessen. Zum Zeltplatz müssen wir einmal die Böschung hoch und oberhalb finden wir einen See, in dessen Nähe sich tatsächlich ein bzw. zwei Zeltplätze finden lassen. Das ist Glück, denn überwiegend ist hier alles, na? Genau, Sumpf.

Nach insgesamt 29,5 km endet der Tag. Für die nächsten beiden Tage stehen 60km auf dem Programm und dann gibt es zwei ganze Tage Pause. Aber da die Kilometer nur über Straße führen, gibt es morgen keinen Wecker und die Wandergruppe teilt sich auf. Ich glaube Daniel hat ein bisschen Sorge, dass wir seinen Biorhythmus völlig durcheinander bringen und will daher morgen ziemlich früh starten. Wir versuchen es hingegen mal mit richtig Ausschlafen. Das haben wir uns nach dem weglosen, tollen und sehr anstrengenden Stück durchaus verdient, finden wir!

Tag 69, 22.07.2023

Wir lassen es heute ganz entspannt angehen. So entspannt, dass wir tatsächlich erst um 9.45 Uhr losgehen.

Das überrascht uns selbst. Aber wozu beeilen? Heute liegt ausschließlich Straße vor uns. Da ist die Startzeit also egal. Daniel hat sich schon um halb 6 auf den Weg gemacht und so gehen wir heute mal wieder zu zweit.

Unser erster Stopp ist die Kvelibua, ein kleiner Einkaufsladen in Kvelia.

Zwar müssen wir nicht wirklich etwas einkaufen, aber ein kaltes Getränk und ein zweites Frühstück geht immer. Da es keine Brötchen oder etwas vergleichbares gibt, nehmen wir halt einen Zitronenkuchen. Nicht gerade nahrhaft, aber er lachte Stefan einfach an. Was will man da machen?

Der Verkäufer und Inhaber fragt uns direkt, ob wir NPL wandern. Er lädt uns auf einen Kaffee in der überaus gemütlichen Kaffeeecke des Ladens ein und schenkt uns noch dazu jeweils ein paar Wolleinlagen für unsere Schuhe. Das hat hier Tradition. Wir freuen uns riesig über so viel Herzlichkeit. Während wir mit einem Kaffee und Kakao am Tisch sitzen, bringt er uns auch noch ein Gästebuch, in dem wir uns verewigen dürfen. Was für ein toller Ort!

An den Wänden des Raums hängen tolle Fotografien des Theaterstücks, dass hier einmal jährlich stattfindet und landesweit bekannt ist. Mit den daraus generierten Einnahmen kann der kleine Laden das Jahr überhaupt erst überleben. Viel los ist in dem wenige Höfe großen Ort sonst nämlich nicht.

Als wir uns verabschieden wollen, schlägt uns der Inhaber vor, dass wir auch in seiner Hütte übernachten könnten. Die ist für NPL-Wanderer nämlich ebenfalls kostenlos. Ihm ist aber klar, dass es uns dafür noch zu früh am Tag ist. Allerdings nimmt er uns das Versprechen ab, dass wir bei der nächsten Tour hier übernachten. Falls es jemals eine nächste Tour geben sollte, machen wir das auf jeden Fall. Soviel steht fest. Dass wir an einem zweiten Mal NPL eher zweifeln, lässt er nicht gelten. Simon (Michalowicz, der „Schuld“ daran ist, dass wir nun hier sind) habe das schließlich schon dreimal gemacht!

Wir sind tief gerührt von soviel Gastfreundschaft und Begeisterung für unsere Tour. Das war wirklich ein ganz besonderer Ort für uns und es tut uns ehrlich Leid, dass wir nicht am Tag zuvor bis hierhin gegangen sind. Das wäre sicherlich ein toller Abend geworden.

Da wir uns aber für Sonntag Abend in Røyrvik angekündigt haben, müssen wir weiter. Die verbleibenden 54km laufen sich ja leider nicht von allein. Viel los ist auf der Straße nicht.

Dafür ist ein Großteil der Autofahrenden wieder total freundlich. Wir werden angelächelt, richtig angelacht und oft wird gewunken. Das macht uns total gute Laune.

Die einzige „Abwechslung“, die wir für ein paar Kilometer haben, ist der Wechsel auf die schwedische Seite.

Zum ersten Mal sind wir außerhalb von Norwegen unterwegs. Bis auf die norwegischen Grenzschilder und zwei blau-gelbe Fahnen gibt es aber keine Unterschiede. Warum auch?

Nach ca. 7 km sind wir bereits wieder zurück in Norwegen.

Auch wenn die Aussicht auf zwei Tage nur Straße gehen nicht sehr aufregend ist, genießen wir das gerade. Wir müssen nicht auf den Weg achten, können einfach unseren Gedanken nachhängen und uns keine Sorgen um die weitere Route machen. Auch mal eine angenehme Abwechslung.

Das Einzige, was doch zu kritischen Momenten führen kann, sind die Fahrzeuge. Auf einer Straße kann noch so wenig los sein, wenn die Leute mit ihren Fahrzeugen nicht umgehen können, ist das kritischer, als so manche schwierige Stelle im Fjell. Ich laufe ganz am Straßenrand und höre das Auto von hinten kommen. Weiter an den Rand kann ich nicht, sonst lande ich im Straßengraben. Das ist aber auch gar nicht nötig, denn die Straße ist breit genug. Denke ich jedenfalls. Bis unmittelbar neben mit ein Wohnwagen hinter dem Auto vorbeizieht. Offenbar haben die Autofahrer MAL WIEDER nicht daran gedacht, dass das Ding breiter als ihr Auto ist. Ich stehe kurzzeitig unter Schock. Wie kann man nur so unvorsichtig sein? Dann reduziert doch wenigstens die Geschwindigkeit. Aber nein, Hauptsache man kann weiter mitten auf der Straße fahren. Wir nehmen uns vor, zukünftig nicht mehr am äußersten Rand zu laufen, damit die Autofahrer zwangsläufig abbremsen müssen. Damit nerven wir vielleicht, aber das sollte die Sicherheit für alle Beteiligten erhöhen…

Zum Glück gibt es kurz darauf Ablenkung. Eine ältere Frau ist auf der Straße mit ihrem Dackel unterwegs. Der hat uns gesehen und bewegt sich seitdem keinen Milimeter mehr. Die Frau ist bemüht, denn Hund zum Weitergehen zu bewegen, aber nein, keine Chance. Insbesondere die kleinen Hundrassen sind da ja seeeehr stur. Das kenne ich noch von unseren Hunden früher.😂 Wir gehen also lachend auf die zwei zu und der Dackel begrüßt uns begeistert. Die Frau überschüttet uns derweil mit einem norwegischen Monolog. Ich verstehe einzelne Worte, kann mir aber auch so denken, dass sie wohl die Situation und das Verhalten ihres Hundes erklärt. Das ist doch überall gleich, Sprache hin oder her. Erst als sie eine Frage stellt, müssen wir erklären, dass wir nur wenig norwegisch sprechen. Sie blickt mich irritiert an. Ich habe wohl den Eindruck gemacht, jedes Wort zu verstehen. Wir unterhalten uns noch kurz auf Englisch und ziehen dann jeweils unserer Wege.

Unsere Straße nach Røyrvik biegt irgendwann nach rechts ab. Die offizielle Verkehrsverbindung von hier aus wird nun zu einer Schotterstraße. Verrückt. Und es geht ordentlich bergauf.

Die Fjelltage stecken uns noch gut in den Beinen und der Anstieg ist deshalb gefühlt doppelt anstrengend. Oben angekommen, landen wir bei einer kleinen Nothütte. Die hatte Martin uns heute Vormittag als möglichen Schlafplatz empfohlen. Wir sehen sie uns an. Ein Kamin ist vorhanden und alle Bänke sind mit Rentierfellen ausgelegt.

Aber diese Hütten sind immer so dunkel. Im Notfall sicherlich super, aber heute zieht es uns doch wieder ins Zelt.

Wir folgen der Straße hinab in das nächste Tal. Unten entdecke ich von der Straße aus eine kleine Waldlichtung. Der Boden steht nicht unter Wasser und so bauen wir das Zelt auf.

33 km sind es geworden. Das ist schön, da morgen nun nur noch 27 km auf dem Programm stehen. Weniger als die Hälfte also. Das ist immer gut für den Tag, an dem man an der Pausenstelle ankommen möchte.

Entgegen der Wettervorhersage hatten wir heute keinen Regen. Nur mal ein paar Tropfen, für die wir die Regenjacke gar nicht gebraucht hätten. Dabei haben die Schuhe eine ungewöhnlich hellbraune Farbe angenommen. Ich glaube, so sehen sie aus, wenn sie komplett trocken sind. Wie ungewöhnlich!

Tag 70, 23.07.2023

Heute starten wir deutlich früher. Um 7.40 Uhr geht es im Regen los. Es tröpfelt aber nur leicht, dafür stetig. Gerade so viel, dass wir die Kapuzen nicht abnehmen können. Vor uns liegen 27 km Straße.

Und effektiv kann man da auch nicht viel Interessantes zu sagen. Lediglich ein Autofahrer hält an und erkundigt sich nach unserer Tour. Der Norweger spricht kein Englisch und so entsteht die erste rein norwegische Unterhaltung. Kurz, aber es funktioniert.

Um halb drei kommen wir in Røyrvik an der Limmingen Gjestegård an.

Hilde, die Inhaberin, drückt uns direkt einen Zimmerschlüssel in die Hand. Bezahlen? Ach was, erstmal ankommen. Wir freuen uns über unser eigenes schönes, ordentliches Hotelzimmer. Zwei ganze Tage und drei Nächte sind wir jetzt hier. Es kommt uns vor wie ein vollwertiger Urlaub. Das kleine Bad hat Fußbodenheizung und die Dusche ist herrlich! Anschließend können wir dort unsere Schuhe trocknen. Da hilft die Wärme von unten ungemein.

Dann holen wir unser erstes Versorgungspaket ab.

Wie wir das alles in den Rucksack bekommen sollen, ist uns noch ein Rätsel. Und das Tragen wird wohl noch schlimmer… Aber was sollen wir uns jetzt schon um die Probleme von Mittwoch kümmern? 😀

Als nächstes wird Wäsche gewaschen. Das ist sehr, sehr, sehr nötig. Die Socken verbreiten in unserem Zimmer nämlich einen bestialischen Gestank. Zum Glück können wir die Waschmaschine im Keller nach Belieben nutzen.

Zum Abendessen machen wir es uns im Restaurant/Esszimmer gemütlich. Hier herrscht guter Betrieb. Auch viele Einheimische genießen Hildes Küche. Wie sie es schafft, den kompletten Hotel- und Restaurantbetrieb alleine zu schmeißen, ist uns ein Rätsel. Wahnsinn, was diese überaus herzliche Frau hier leistet! Da warten wir wirklich gerne ein paar Minuten auf unser Essen. Und das schmeckt ganz hervorragend. Stefan und Daniel essen Lachs, ich bekomme eine Art Hähnchengyros. Nur satt sind wir danach nicht. Wir überlegen hin und her und bestellen schlussendlich nochmal drei Portionen Pommes als Dessert. Leider gibt es nur noch eine, aber als Ersatz noch eine Pizza mit Unmengen Käse.

Herrlich! So kann der Kurzurlaub weitergehen.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Toll geschrieben, tolle Begegnungen, tolle Fotos und offensichtlich ganz viel tolles Essen. Weiterhin alles Gute, ich freue mich wie immer auf die Fortsetzung 🙂
    Hat der bra, Andrea

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

An den Anfang scrollen