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NPL Etappe 6, Røros bis Meråker

Tag 54, 07.07.2023

Heute morgen haben wir es nicht ganz eilig und trinken noch gemütlich eine Tasse Tee, bevor wir gegen halb 9 starten.

Das Wetter zeigt sich optimistisch für die ersten Kilometer und so blicken auch wir zuversichtlich auf die Strecke.

Da der Regen erst in ein paar Stunden kommen soll, entscheiden wir uns für die weglose Variante mit möglichem Flussproblem. Das macht uns beide zugleich etwas unruhig, aber auch positiv aufgeregt, da solche Herausforderungen erstmal immer Spaß machen.

Zunächst geht es dem markierten Weg nach. Nach dem gestrigen Regen ist der Untergrund ziemlich aufgeweicht, aber darauf sind wir eingestellt und haben die Gamaschen an. Schon nach wenigen Metern machen wir die erste Pause. Die Gegend vor uns ist von einer ganzen Rentierherde bevölkert.

Sie sind wunderschön anzusehen und zwischen den erwachsenen Tieren tummelt sich der Nachwuchs. Da wir im Gegenwind stehen, können wir die Tiere völlig unbemerkt beobachten.

Wir könnten glatt stundenlang stehen bleiben… Der Weg führt uns nun zu unserer ersten Kletterpartie. Wir müssen über eine wackelige Leiterkonstruktion den Rentierzaun überqueren. Eigentlich führt unser Weg dann später wieder auf der bisherigen Zaunseite weiter. Wir hoffen einfach darauf, dass es dann nochmal eine Überquerung gibt. Auf der anderen Zaunseite geht der Weg entspannt sumpfig weiter. Und wieder sehen wir viele Rentiere.

Als Stefan auf die Karte schaut, fällt ihm auf, dass unser wegloser Weg schon vor längerer Zeit abgebogen wäre. Aber finde mal eine Abbiegung auf einen Weg, den es nicht gibt. 😉 Da kann man ins Gespräch vertieft wohl mal dran vorbeigehen… Wir suchen uns also unsere eigene Abbiegung und laufen eine Weile am Zaun entlang bis wir zum Glück tatsächlich auf eine Lücke stoßen.

Puh, klettern wäre auch wirklich schwierig geworden.
Wir durchqueren nun das Grøndalen, das uns richtig gut gefällt. Steinige Berge zu beiden Seiten, eine hügelige Landschaft und dazwischen immer wieder kleine Seen und Flüsse.

Wir kommen gut voran. In der nur flach bewachsenen Landschaft ist die Orientierung gar kein Problem.

Unser GPS Track sieht wahrscheinlich trotzdem etwas abenteuerlich aus, da wir nicht einfach geradeaus gehen, sondern immer wieder auf Hügel steigen und dann doch wieder nach rechts oder links abbiegen, um die einfachsten Wege zu nehmen. Zumindest so wie es für uns aussieht. An manchen Stellen ist die Wegfindung besonders leicht. Einmal bietet sich eine Gruppe Rentiere als Tourguide an und zeigt uns schon aus der Entfernung, wo wir entlang gehen müssen. Den gut ausgetretenen Tierpfaden kann man besser folgen als manchem Wanderweg.

Nach 6 km erreichen wir den Fluss, der uns ein wenig Sorgen bereitet. Alle bisherigen Flussquerungen heute waren super einfach. Jetzt hören wir den Fluss schon, bevor wir ihn sehen können. Das kann alles, muss aber gar nichts heißen.

Stefan sieht zuerst den Wasserfall und die Sorgen wachsen.

Ich sehr zuerst ganz viele Steine, die aus dem Fluss hervorstehen und meine Sorgen sinken.

Direkt am Fluss angekommen, sind wir beide maximal erleichtert. Die Strömung ist ordentlich, aber der Wasserstand so niedrig, dass wir unsere Schuh-Gamaschen-Kombination einfach anlassen können.

Glücklich legen wir auf der anderen Uferseite eine Pause ein.

Gerade noch rechtzeitig können wir ein paar Knäckebrote essen, dann setzt der Regen ein. Aber da die Furt geschafft ist, kann uns der Regen jetzt einfach nicht ärgern.

Rein in die Regenkleidung und weiter geht die weglose Wanderung. Wir laufen noch einige Zeit durch die Fjelllandschaft, dann verlieren wir allmählich an Höhe. Es geht durch Birken… naja, Wald ist das nicht. Ein Birkenwäldchen vielleicht?

Auf jeden Fall ist es sehr hübsch. Und dann haben wir das weglose Stück geschafft.

Hurra! Das war toll! Wir sind super glücklich mit unserer Wegwahl.

Der restliche Weg wird jetzt allerdings weniger spannend. Wir folgen gefühlt endlos lange einem Schotterweg, der sich durch eine immer noch schöne Landschaft schlängelt.

Der Regen hält dabei kontinuierlich an.

Gelegentlich ist es ein bisschen frustrierend, wenn man schon weit im Voraus den Verlauf der Straße sehen kann. Nicht gerade abwechslungsreich. Aber wozu gibt es schließlich Hörbücher?

In einer quasi-Regenpause (nur noch leichter Nieselregen) setzen wir uns auf den Weg und machen ebenfalls Pause.

17 von grob angedachten 25 km haben wir hinter uns. Das geht ja, finde ich. Dass wir nach 25 km gerade mal in Ås ankommen und danach noch einen Zeltplatz suchen müssen, blende ich vorerst lieber aus. Sicher ist sicher.

Als der Regen wieder zunimmt, geht es für uns weiter. Zu lange pausieren ist ohnehin keine Idee, sonst merkt der Körper, an welchen Stellen er nass ist und kommt auf die Idee, Kälte zu melden. In Bewegung bleibt man immerhin schön warm. Der Regen kommt aber zum Glück nur an den Schultern durch. Der Rucksackdruck ist für die beste GoreTex-Membran eben doch zu viel…

Als der Schotterweg geschafft ist, biegen wir für einen knappen Kilometer auf die richtige Straße ab. Dann folgen wir dem Romboleden, einem Pilgerweg. Besonders schön ist der hiesige Teil des Pilgerweges aber nicht. Zum Glück entdeckt Stefan etwas versteckt vom Wegesrand einen Unterstand, in dem wir eine wirklich trockene Pause einlegen können.

Und das genau im richtigen Moment, denn nun öffnet der Himmel seine Schleusen. Da genießen wir es doppelt, einfach mal die Schuhe ausziehen zu können. Und dann hören wir einen Traktor. Was der wohl auf dem Wanderweg macht? Fragen wir uns noch, als die Geräusche zunehmen und kurz darauf der Traktor vor dem Unterstand steht. Der Fahrer unterhält sich ein bisschen mit uns und erklärt, dass er den Unterstand begradigen will. Tatsächlich steht die Konstruktion ein kleines bisschen schräg. Der Bauer (dem die Ecke hier gehört, wie er uns später erzählt) bindet ein langes Seil um den gesamten Unterstand und will diesen durch Zug vom Traktor gerade biegen. Das sieht für uns nach einer abenteuerlichen Idee aus, aber er wird schon wissen, was er tut. Sicherheitshalber sollen wir uns aber doch lieber in den Regen stellen. Der Bauer „zieht“ mehrmals an der Hütte, ist mit dem Ergebnis aber nicht zufrieden. Die eine Seite ist ihm immer noch zu schräg. Also ändert er die Taktik und drückt die andere Holzwand kurzerhand mit dem Traktor so weit, bis Stefan ihm deutlich zu verstehen gibt, dass es reicht. Das Holz hat dabei schon ziemlich geknackt. Der Bauer ist nun aber zufrieden, wünscht uns eine gute Tour und fährt von dannen. Wir setzen unsere Pause im Trockenen fort.

Eine halbe Stunde später lässt der Regen so weit nach, dass wir uns wieder auf den Weg machen. Immerhin sind es jetzt nur noch drei Kilometer bis Ås. Die sind also schnell gelaufen. Insbesondere, weil wir dort mit einem leckeren Essen nochmal richtig die 1000 Kilometer feiern wollen. Und sowas feiert man nicht irgendwo, nein, da darf es auch durchaus ein besonderer Ort sein!

Das Café am Ortseingang lassen wir also links liegen. Uns zieht es zu… Ja, wie nennt man dieses Geschäftsmodell?

Von außen betrachtet ist es eine Tankstelle. Geht man hinein, hat man die typischen Tankstellenartikel, aber auch eine Restauranttheke eines Fastfood-Restaurants. Das ist in Norwegen an sich noch nicht ganz ungewöhnlich. Sitzmöglichkeiten sehen wir keine, also fragen wir nach. Der Inhaber (vermutlich) weist um die Ecke in den hinteren Teil des Ladens. Ah! Oookay. Warum sind wir irritiert? Weil es vom Tankstellen-Restaurantthekenbereich direkt in eine Verkaufsfläche für Ski-doos übergeht. Nachdem wir diese durchquert haben, nehmen wir im Essbereich Platz. Wir fragen uns, ob wohl häufiger Leute beim Essen plötzlich ein Interesse für Ski-doos entdecken. Wahrscheinlich eher umgekehrt.

Pommes und Burger schmecken nämlich gut und die Pizza, die wir nur bei anderen Tischen sehen, sieht auch super aus. Wir sind mit unserer Wahl also sehr zufrieden, nur das Ambiente ist gewöhnungsbedürftig. Vielen Dank für die Einladung zu unserem „Jubiläumsessen“, Thresi und Klaus!

Da wir auch nach dem Essen noch nicht wieder so viel Lust auf Regen haben, bleiben wir noch ziemlich lange sitzen. Wir suchen eine Unterkunft für Meråker übermorgen, werden aber einfach nicht fündig. Ganz schön kompliziert. Ich versuche den Betreiber der Jugendherberge zu erreichen, aber vergebens. Dann halt per Mail. Zur Not müssen wir auf ein Airbnb ausweichen, aber die Auswahl hier kommt nur im absoluten Notfall in Frage…

Dann haben wir Glück und können den restlichen Abend trocken weitergehen. Zunächst nur ungefähr 10 Meter zum Coop, um ein paar Kleinigkeiten zu kaufen. Und dann der Straße in Richtung der Ramsjøhytta folgend, um einen Zeltplatz zu finden. Und das dauert natürlich irgendwie länger als gehofft. Da wir aber richtig lang pausiert haben, ist die Suche kein Problem.

So legen wir letztlich nochmal ca. 6 km zurück, bis wir am Seeufer einen schönen Platz finden.

Während wir aufbauen, bemerken wir aber, dass der Platz schon bewohnt war. Statt normaler Mücken erweisen uns hier ihre unliebsamen Verwandten, die Knots, die Ehre. Na toll. Irgendwas ist halt immer. Aber der Tag war insgesamt echt gut und da können uns auch die Winzmücken nicht die Laune verderben.

Zum krönenden Abschluss läuft dann auf der gegenüberliegenden Uferseite eine Rentierherde durch die Baumlücken und ich bekomme eine Zusage für die Jugendherberge in Meråker. Wie sagt man in Norwegen: Det ordner seg! Und gerade fügt sich das alles doch ganz gut.😊

Tag 55, 08.07.2023

Da wir gestern erst spät angekommen sind, dadurch noch später gegessen haben und deshalb noch viel später eingeschlafen sind, ist unser Start heute sehr spät. Immerhin war die Nacht gut, mit nur einer netten Unterbrechung in Form von Rentierbesuch ein paar Meter vom Zelt entfernt.
Bis wir also losgehen, ist es fast halb 11.

Aber was macht das schon? Wir haben doch ohnehin den ganzen Tag Zeit. Da wir nun vorläufig weiter der Straße folgen, was nicht übermäßig spannend ist, beschäftigen wir uns beide mit telefonieren. Damit das auch nicht langweilig wird aber nicht miteinander. 😀

Stefan telefoniert mit Julian, ich mit Matze, bis das Netz irgendwann nachlässt. Die Straße hört hingegen noch lange nicht auf. Nach 10 Kilometern machen wir an einer schönen Stelle oberhalb vom Straßenrand eine Pause.

Wir sind ziemlich erstaunt, wie viel Verkehr hier auf der Schotterstraße los ist, die eigentlich zu keinem größeren Ziel führt. Anscheinend wollen die Norweger das Wochenende alle in den Bergen verbringen.

Wir können es ihnen nicht verdenken, denn inzwischen scheint die Sonne und das Wetter könnte nicht besser sein. Da haben wir bei dem bewölkten Start heute morgen gar nicht mit gerechnet und so steckt die Sonnencreme tief im Rucksack.

Jetzt genießen wir die Sonne dafür umso mehr. Wir machen es uns gemütlich und machen eine sehr ausgedehnte Pause. Wir bekommen ein Urlaubsfoto von unseren alten Schuhen, die gerade ihren Ruhestand am Sognefjord genießen und müssen darüber ziemlich lachen.

Da gibt es selbstverständlich auch ein Foto der neuen Schuhe mit Blick auf den Fongen zurück.

Nach der Pause stehen die letzten fünf Kilometer Straße an. Eine schöne Aussicht. Als wir die Abbiegung zur Ramsjøhytta passieren, sind wir überrascht. Hier stehen jede Menge Autos. Ist da heute ein besonderes Programm? Wir sind auf jeden Fall nicht traurig, dass wir in eine andere Richtung laufen.

Leider haben wir auch so genug Gesellschaft auf den weiteren Kilometern. Norwegen zaubert mal wieder eine neue Abartigkeit der Natur aus dem Hut und so werden wir von größeren Mengen Pferdebremsen umschwirrt. Die Viecher sind riesig.

Da traue ich mich kaum, mit der Hand zuzuschlagen. Zum Glück scheint das Deet sie überwiegend vom Stechen abzuhalten. Nur halt nicht vom Umfliegen.

Unsere Abbiegung führt uns über den ehemaligen DNT-Wanderweg. Inzwischen führt der wohl woanders entlang, so dass wir nur gelegentlich eine alte rote Markierung auf einem Stein entdecken und dazwischen nur der groben Kartenrichtung folgen. Der Weg ist sumpfig, aber gut begehbar. Und als die letzten kleinen Bäume verschwinden, sieht die Umgebung schon richtig schön aus.

Wir pausieren auf der Ebene, nur die Bremsen nicht. Ich bin erstaunt, wie langlebig die sind, selbst wenn man mal eine erwischt… durchaus unangenehm.

Am gegenüberliegenden Hügel können wir immer wieder Wanderer erkennen. Da scheint der offizielle Weg zu verlaufen, auf den wir bald stoßen. Auf unserer Route läuft niemand. Für uns geht es also genau dorthin weiter bergauf (wie irgendwie schon den ganzen Tag). Oben angekommen, laufen wir wieder kurz durch ein Bergbaugebiet.

Das hatten wir zuletzt häufiger. Und dann breitet sich vor uns bald die traumhafte Weite aus. Das ist wieder ein Panorama zum glücklich werden. Wie schön das hier ist!

Für uns steht fest, dass wir so schnell wie möglich einen Zeltplatz finden wollen. Schöner kann es heute einfach nicht mehr werden.

Wir erklimmen einen Hügel, denn wir wollen zum einen nicht direkt am Weg zelten und zum anderen natürlich einen tollen Ausblick aus dem Zelt haben. Insgesamt kommen wir heute nur auf 20 km, aber was soll’s. Bis Meråker sind es morgen noch irgendwas knapp über 24, also kein Problem. Wir genießen den Abend draußen, kochen,

freuen uns über die tolle Landschaft und verschwinden erst im Zelt, als Wind aufkommt und es zu frisch wird.

Wir haben nach der letzten Pause sogar unsere Wegbegleiter verloren und sind hier mal wieder komplett ungestört. Einfach toll!

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