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NPL Etappe 3, Seljord bis Flå

Tag 19, 02.06.2023

Bis das ganze Essen verpackt und wir startklar sind, ist es halb 10.

Dafür dürfen wir nach einem kurzen Stück Straße 500 Höhenmeter zum zweiten Wach werden in Angriff nehmen. Zuerst beginnen wir auf einer Straße und biegen dann auf einen Wanderweg ab.

Den gibt es mal wieder auf keiner unserer Karten, aber er wird schon in die richtige Richtung führen.

Das klappt auch bis zu dem Moment, als mal wieder eine Schneise der Verwüstung quer durch den Wanderweg gezogen wurde.

Wir kraxeln uns irgendwie durch und kommen auch wieder zur Straße. Na immerhin.

Nach grob der Hälfte machen wir unsere erste Pause. Und die wird unfreiwillig lang, weil wir plötzlich einiges zu regeln haben. Zum einen hatten wir heute morgen Handwerker im Haus und fragen bei meinen Eltern nach, ob alles geklappt hat.

Und dann bekommen wir noch eine E-Mail von Meindl. Irgendwelche Probleme gibt es auf so einer Tour ja immer. Manchmal später oder manchmal auch früher, so wie in unserem Fall. Nach knapp 200 Laufkilometern haben sich bei unseren Schuhen die umlaufenden Sohlen bereits stark gelöst. Das passiert normalerweise nicht und kann nur ein Materialfehler sein. Also haben wir die Schuhe reklamiert und siehe da, heute morgen kommt die Info, dass die Schuhe tatsächlich aus einer fehlerhaften Charge stammen. Es gab einen Kleberwechsel, nur hat der sich im Nachhinein als nicht sehr haltbar erwiesen. Blöd für uns, aber kann passieren.

Der Kundenservice bietet uns eine kostenlose Reparatur in Deutschland an (haha, witzig) oder Pflegeprodukte und Socken im entsprechenden Gegenwert, falls wir die Schuhe lieber hier zum Schuhmacher bringen wollen. Wir sitzen erstmal kurz ratlos rum. Das hilft uns akut leider nicht. Wir wollen ganz sicher keine Schuhpflege, Socken auch nicht (wobei…😂), sondern nur ordentliche Schuhe. Also rufen wir erstmal die Mitarbeiterin an und schildern unsere Situation nochmal und dass wir voraussichtlich noch jeweils zwei paar fehlerhafte Schuhe aus der gleichen Charge haben.

Um die Sache hier abzukürzen, es ist ein bisschen schwierig.

Also verbleiben wir erstmal so, dass wir uns um die Nummern der anderen Schuhe kümmern, diese dann an Meindl senden, damit erstmal geprüft werden kann, ob diese auch betroffen sind… Zum Glück hat Harald, unser Kontakt und „Schuhverwahrer“ in Bergen, uns ganz schnell die benötigten Bilder der Etiketten zukommen lassen. Tusen takk!

Anschließend geht die wilde Telefonierei weiter. Dirk, unser Freund und Händler (Jagd & Mode Heistrüvers in Wachtendonk), bei dem wir die Schuhe gekauft haben, wird über den Sachverhalt informiert. Dirk sichert uns seine Hilfe im weiteren Reklamationsvorgang zu. Auch dafür vielen Dank!

Nach einer gefühlten Ewigkeit schleichen wir dann weiter bergauf. Dabei verfolgt uns beide ein nerviger Ohrwurm der Spaß-Band Reis Against The Spülmaschine: „Wir brauchen Zwei-Komponenten-Kleber, wir brauchen Zwei-Komponenten-Kleber…“ (gesungen auf den Refrain von Feliz Navidad. Einmal hören ist ja noch lustig, aber dann…). Denn damit könnte ein Schuhmacher die gelösten Sohlen wohl kleben. Wir hoffen aber auf eine bessere Lösung. Und sind gespannt, was aus der Geschichte wird.

Es ist mal wieder richtig sonnig und dementsprechend warm.

Ich fühle mich heute ziemlich mäßig und finde jeden einzelnen Schritt anstrengend. Die Pausen alle fünf Kilometer sind daher für mich bitter nötig. Dabei ist der Weg eigentlich nicht sehr anstrengend. Das ärgert mich einerseits, andererseits bin ich froh, dass ich nicht an einem schwierigen Tag so platt bin. Stefan relativiert das später und sagt, dass der entspannte Weg wohl knapp 900 Höhenmeter beinhaltet hat und wir eventuell auch dadurch etwas müde geworden sind. Na gut, auch ein Argument.

Die Straße, die wir gehen, führt zu beiden Seiten zwischen Bergen entlang.

Es gibt pausenlos schöne Ausblicke, viele davon auf sehr verschneite Berge (die Fotos geben das nur teilweise wieder).

Da die Berge oft oberhalb der 1.000 Meter liegen, wundert es uns nicht direkt. Wie viel Schnee dort noch liegt, verunsichert uns aber in Bezug auf unsere weitere Routenplanung.

Ebenfalls verunsichert uns, dass wir heute einen Fluss queren müssen und nicht ganz sicher wissen, ob es eine Brücke gibt. Alle Karten sagen Nein! Aber zufällig hat Stefan bei Norge i bilder entdeckt, dass es doch eine bzw. zwei Brücken mit kleiner Insel dazwischen geben könnte. Der ortsansässige DNT (der norwegische Wanderverein) weiß ebenfalls keinen Rat, denkt aber aufgrund der Screenshots, die Stefan in der Anfrage mitgeschickt hat, dass das wohl Brücken sein könnten. Keine direkt hilfreiche Antwort, dennoch sind wir von der schnellen und bemühten Antwort des DNT begeistert. Es bleibt uns also nur zu hoffen, dass es die Brücken tatsächlich gibt. Sicherheitshalber halten wir immer wieder nach Möglichkeiten zum Furten Ausschau. Doch die Brücken sind da. Perfekt!

Obwohl ich mich nicht richtig fit fühle, bin ich total glücklich und dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, hier zu sein. Es ist alles so wahnsinnig schön und ein herrliches Gefühl, einfach nur zu laufen.

Trotzdem würde ich mich nach 16km gerne an Ort und Stelle auf den Boden legen und schlafen und bis morgen nicht mehr aufstehen. Das erklärte Mindestziel sind aber 20km und die haben wir noch nicht. Da bin ich stur. Also gehen wir weiter.

Und das klappt dann doch auch ganz gut. Knapp vor 20km kommen wir an eine ziemlich gute Zeltstelle. Relativ ebener Boden, ein Bach direkt nebenan. Perfekt. Zwar steht kurz dahinter eine Hütte, aber die wird definitiv nicht mehr bewohnt. Nur ist der Platz halt direkt am Weg. Aber hier fährt wahrscheinlich niemand, da es sich um einen Nebenweg handelt. Wir überlegen hin und her. So gute Stellen sollte man echt nicht liegen lassen. Was machen wir also? Na klar, weitergehen.

Wenig überraschend ist es also, dass wir auf den nächsten Kilometern natürlich keinen Zeltplatz mehr finden. Wobei, genau genommen sehen wir endlos viele:

Wenn die nicht alle unter Wasser stehen würden. Es ist zum verrückt werden… Wir sind kurz davor, in einer etwas breiteren Straßenkurve das Zelt aufzubauen, aber wollen noch ein paar Meter gehen, um zu prüfen, ob wieder eine Brücke vorhanden ist, die uns über den nächsten Fluss führt. Klappt! Hurra!

Nur der Zeltplatz fehlt immer noch. Ein paar Meter weiter den Weg hoch gäbe es noch eine Kompromisslösung. Nehmen wir halt die. Bevor wir das Zelt aufbauen, suchen wir aber noch Wasser und finden dann doch noch einen richtig guten Zeltplatz ein Stück neben dem Weg.

24km sind es schlussendlich geworden. Wir sind zufrieden, aber auch ziemlich müde heute. Und haben nun einen guten Blick auf das Blefjell, dessen Überquerung als nächstes geplant ist.

Nur ob das, was wir da sehen, wirklich so gut ist… Wir schauen lieber nochmal in die Karten und überlegen. Ein Tag ohne Routenplanung ist schließlich kein richtiger Tag oder so.

Tag 20, 03.06.2023

Zum Frühstück gibt es heute eine große Portion Ratlosigkeit und Routenplanung. Nach unserem Weg gestern und den ständigen Blicken auf stark verschneite hohe Berge, sehen wir den Aufstieg ins Blefjell als extrem schwierig an. Die Schneekarte vermutet 40 bis 90cm Schnee und was das in der Realität heißen kann, haben wir bereits gelernt. Viele Ideen werden hin uns her geworfen. Zur ersten Hütte gehen und dann schauen? Aber die liegt schon auf 1.200m. Westlich umgehen? Dann hat unser bisheriger Ostkurs überhaupt keinen Sinn ergeben. Östlich umgehen? Da liegt die Hauptverkehrsstraße. Aber Stefan gibt nicht auf. Erst versucht er die bestehende Route anzupassen, dann erinnert er sich an die Worte von Udo aus den Workshops zum Sabbatical: „Einfach mal komplett neu denken!“ Und das hilft! So entsteht eine neue Route, die uns machbar erscheint. Statt Nesbyen heißt unser Etappenziel jetzt Flå. Wir kreuzen das Blefjell an einer Stelle, bleiben aber unter 1.000m. Und natürlich bleibt uns die Straße erhalten. Da wir aber kaum auf den Hauptverkehrsstraßen unterwegs sein werden, stört uns das nicht.

Und zur Belohnung wartet ein Hotel in Flå auf uns! Da freuen wir uns nun drauf. Mal eine Nacht in einem Zimmer mit eigenem Bad zu verbringen, klingt wie ein Traum. Das einzig blöde an dieser veränderten Planung? Unsere Rucksäcke sind jetzt unnütz schwer, denn Einkaufsmöglichkeiten gäbe es deutlich eher als geplant. Naja, dann können wir dem Hunger halt freien Lauf lassen. Der ist aktuell aber noch im Normalzustand.😀

Wir starten wieder bei bestem Wetter und laufen zunächst bergab. Auf dem Weg begegnet uns eine Ringelnatter. Sie zügelt so vor sich hin, bis wir ihr zu nah kommen.

Dann zischt sie und verschwindet im Unterholz. Der Weg ist wieder unkompliziert zu gehen. Damit es dennoch nicht langweilig wird, beschwert sich mein linkes Knie immer und immer wieder. Das gefällt mir gar nicht. Und es tut weh. Vermutlich ist das noch eine Nachwehe von den zahlreichen Schneeeinbrüchen vor ein paar Tagen… Ein bisschen rumzicken konnte das Knie ja schon immer gut, aber das jetzt ist doch ein anderes Ausmaß. Also schön langsam und dann wird das schon. Blöd nur, dass wir irgendwann auf die Hauptstraße stoßen und dort so viel Verkehr ist, dass wir lieber im Graben laufen.

Der ist aber sehr uneben, rutschig und besteht teilweise aus kleinen, wackeligen Steinen. Das gibt mir bzw. meinem Knie den Rest.

Ich brauche eine Pause. Eine etwas längere. Bei nächster Gelegenheit machen wir das also.

Pause am Omnesfossen

Da haben wir knapp 10km hinter uns. Ich bin total sauer auf meinen Körper, sehe aber ein, dass eine Pause allein heute nichts ändern wird. Da hilft nur ein früher Feierabend und dann ganz viel Ruhe. Ganz gemächlich gehen wir also irgendwann weiter. Erst nochmal bergauf (nicht gut),

dann auf ebener Strecke (ziemlich in Ordnung).

Ich frage Stefan, ob wir die nächsten Tage vielleicht einfach ohne Höhenmeter gestalten können, dann würde das schon alles klappen. Er erinnert mich jedoch daran, dass wir in Norwegen sind. So ein Mist!

Nach 15km ist ein Zeltplatz gefunden, bei dem es in nicht allzu großer Entfernung auch Wasser gibt.

Jetzt heißt es Feierabend und nichts mehr tun. Zum Glück haben wir durch die veränderte Planung quasi einen Lebensmittelüberschuss, so dass es heute problemlos Frustschokolade geben kann. Dazu gibt es Wasser und Ibuprofen.

Aber der Tag endet doch noch sehr schön. Heute feiern meine Eltern ihren Hochzeitstag mit meinen Schwestern und Familien. Wir schalten uns per Videotelefonie dazu. Es war ganz wunderbar, euch alle wiedergesehen zu haben! Mit einem Hauch von Wehmut machen wir uns auf ins Bett bzw. in den Schlafsack. Aber Heimweh haben wir noch nicht, keine Sorge. In manchen Momenten ist es nur schade, dass wir weder beamen noch apparieren können. 😉

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare

  1. Hallo ihr zwei,
    natürlich lese ich auch bei euch mit! Und staune immer wieder, wo sich unsere Erfahrungen überschneiden (Knieprobleme, Schlangen, Hitze, Zeltplatzsuche und plötzlich Wassermangel in Norwegen…)! Freut mich für euch, dass ihr einen Weg mit wenig Straße gefunden habt, das hätte ich nicht gedacht.
    Und ich glaube, die Idee für einen ‚Danke-Absatz‘ am Schluss klau ich mir 😉
    God tur videre, Kathi

    1. Hey Kathi,
      wir lesen auch gespannt bei dir mit und erkennen ebenfalls Parallelen. 😀

      Wir würden uns freuen, wenn wir uns irgendwo nochmal Wiedersehen, aktuell bist du uns aber ja doch ein gutes Stück voraus. Immerhin sollte die Route nun wieder ähnlich sein. 😀

      Dir weiterhin auch god tur!

    1. Je länger der Tag umso kompromissbereiter ist man auch bei dem Zeltplatz. 😀 Bislang haben wir so irgendwann immer noch etwas gefunden.
      Dir auch weiterhin god tur!

  2. Halli ihr beiden,

    mit Freude habe ich euren neuen Beitrag gelesen. Euer nach Osten gerichteter Kurs ist interessant – bin gespannt, wie es bei euch weitergeht. Ich muss aus privaten Gründen leider eine 3-wöchige Pause einlegen, bevor ich weiterlaufen kann.

    Mir kommt es so vor, als ob die Schneemengen, die bei senorge.no angegeben werden, etwas übertrieben sind. Am 7.6 war ich in der Nähe von Skinnarbu im Fjell unterwegs, wo laut senorge noch 10-30cm Schnee gewesen sein sollten. In der Praxis waren die Wege zu 95% schneefrei.

    Viele Grüße
    Daina

    1. Wir sind heute in Leira angekommen und gehen ab morgen über den Langsua Nationalpark nach Vinstra. Damit beenden wir dann auch die Ostumgehung und kommen wieder auf die Standardroute. 😀
      Wir haben die Route nicht als Notlösung empfunden, sondern als wirkliche Alternative. Wir sind jedenfalls sehr glücklich, direkt nach Osten gegangen zu sein und so tolle Gegenden kennengelernt zu haben.

      Bei senorge haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass man den Angaben nicht trauen kann. Bei uns war es allerdings untertrieben und nicht übertrieben. Bei unserer Wanderung über den Gebirgszug am Nesvatn waren lt senorge nur noch 10-20 cm vorhanden. Das lag die Realität deutlich drüber. Vor allem die Nordhänge lagen da noch tief unter Schnee.

      Wir wünschen dir bereits jetzt einen guten Wiedereinstieg nach deiner Pause. Vielleicht sehen wir uns danach dann ja mal in Echt. 😀

  3. Hallo Ihr Zwei.
    Nach wie vor genieße ich es, Eure Eindrücke, tollen Landschaftsbeschreibungen und Gedanken mitzuverfolgen. Spannend, dass sich Euer Tagesrhythmus auch (wie bei Daniel ja fast von Anfang an) nach vorne verlagert hat. Aber logisch ist es. Ich mag Hitze auch überhaupt nicht, ab 25 Grad hört schönes Wetter für mich auf 😆
    Was ich bewundere ist, wie Ihr (auch die anderen NPL-Blogger) nach so einem anstrengenden Tag noch die Kraft und Erinnerung aufbringt, für diese tollen und detaillierten Berichte. Danke!
    Liebe Grüße, Andrea
    PS: Danke auch für die Seite von Kathi. Hatte mich schon gefragt, ob sie auch schreibt ☺️

    1. Hallo Andrea, vielen Dank fürs Mitlesen und die Komplimente. 😀
      Ich wundere mich auch manchmal, wo Simone die Motivation noch hernimmt. 😉 Aber bei all den Eindrücken würde es anders auch gar nicht funktionieren. Beim Sortieren / bei der Auswahl der Fotos kann ich mir da ein wenig mehr Zeit lassen. Mit den Fotos kommt die Erinnerung auch schnell wieder.

      Wir sind selber überrascht, was wir innerhalb nur einer Etappe alles erlebt und gesehen haben. Daher sind die Etappenberichte auch für uns ein schöner Rückblick. 😀

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