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NPL Etappe 2, Evje bis Seljord

Ein paar Worte vorab:

Wir sind ganz begeistert, wie viele Leute hier inzwischen mitlesen! Vielen Dank!

Wir freuen uns über jeden einzelnen eurer Kommentare, egal ob hier unter den Beiträgen oder per WhatsApp etc..

Ich schreibe so oder so und hätte nicht erwartet, dass sich so viele, auch völlig unbekannte, Menschen das alles durchlesen.😊 Wir freuen uns, dass ihr uns auf unserer Fernwanderung begleitet! 

Noch ein kleiner Tipp:  Wer möchte, kann sich für den Newsletter anmelden. Dann gibt es direkt eine Benachrichtigung bei neuen Beiträgen (sonst kommen keine Mails, keine Sorge😀).

Und nun wünschen wir viel Spaß beim Lesen des zweiten Etappenberichts!

Med vennlig hilsen fra Norge
Simone & Stefan


Tag 9, 23.05.2023

So richtig kommen wir heute nicht in die Gänge. Obwohl wir früh auf den Beinen sind, ist es schon neun Uhr, bis wir starten. Das ganze Essen unterzubringen, dauert halt doch etwas länger. Zwar sind unsere dafür vorgesehenen Packsäcke nur deutlich größer geworden, aber irgendwie verändert das doch das bisherige Packsystem. Wir haben aber Glück. Nachdem es gestern Abend gewittert und auch während der Nacht geregnet hat, starten wir nun trocken.
Die Rucksäcke sind nun ganz schön schwer. Puh, da muss man erstmal wieder in den Lauftrott kommen… Bei mir dauert das so zwei bis drei Kilometer, dann ist es in Ordnung. Vorher entdecken wir auf unserem Weg aus Evje aber noch einen Intersport. Stefan nutzt die Gelegenheit und ersetzt die kaputten Socken durch neue. Jetzt ist unsere Kleidung also vorerst Loch-frei. Mal sehen, wie lange der Zustand anhält…
Heute geht es überwiegend bergauf. Konstant hoch, mal deutlicher, mal leichter. Nachdem wir aus Evje raus sind, befinden wir uns in einem Waldstück. Das ist ziemlich hübsch. Der Waldboden ist sehr weich und von sehr, sehr dickem Moos bewachsen.

Das Problem daran ist: Der Waldboden ist sehr weich und von sehr, sehr dickem Moos bewachsen. Dazu gehört dieses Stück zu einem der steileren Aufstiege. Wir laufen also gefühlt wie im Schnee. Der Fuß versinkt bei jedem Schritt und so wird das Laufen ganz schön anstrengend. Schnell sind wir also auch nicht. Aber wir haben ja auch den ganzen Tag Zeit. Der Weg ist insgesamt sehr sumpfig. Man merkt die Regenmenge der letzten Nacht noch gut.

Auf einem großen Stein machen wir eine Pause. Da fällt mir plötzlich eine Mücke auf die Hand. Sie sieht nur noch so halb lebendig aus. Seltsam… Und dann bemerke ich, dass mir seitlich am Gesicht etwas „wächst“. Es fühlt sich sehr seltsam an und breitet sich extrem schnell aus. Ich lasse Stefan nachschauen (selbst kann ich das ja nicht) und tadaa, irgendwas hat mich gestochen. Wir holen Heat it und aufgrund der rasanten Ausbreitung auch Allergietabeletten aus den Rucksäcken und damit wird es schnell besser. Oder zumindest nicht schlimmer. Ich hatte gehofft, dass die Mückenzeit noch ein bisschen auf sich warten lässt….

Irgendwann, kurz bevor wir aus dem Wald heraus und wieder auf eine Straße kommen müssten, versperrt uns ein Band den Weg. Es ist am Ende einer Brücke zwischen zwei Bäumen hin und her gespannt. Wir sind irriert. Einen anderen Weg haben wir nicht gesehen und sehen ihn auch jetzt nicht. Und wie eine offizielle Absperrung sieht das auch irgendwie nicht aus. Wir gehen also über das Band hinweg und hoffen, dass das keine Konsequenzen hat. Etwas mulmig wird uns erst, als vor uns auf dem Weg nicht nur Hinterlassenschaften von Rehwild zu sehen sind, sondern plötzlich auch viele große Fladen, die wahrscheinlich von irgendwelchen Kühen sind. In eine Kuhherde wollen wir hier ganz sicher nicht reinlaufen. Zum Glück begegnet uns aber kein Tier und wir finden schnell den Ausgang der Waldweide oder was das hier sein sollte. Davor liegt nur eine Scheune, die zu dem Zeitpunkt verlassen ist. Schnell auf zur Straße…

Die geht es dann für einige Kilometer ganz unspektakulär entlang. Der Himmel ist bewölkt, aber weiterhin trocken. Ich laufe daher im T-Shirt, Stefan lieber mit Jacke. Während wir laufen, natürlich weiter in die Höhe, fällt uns auf, dass wir tatsächlich in höheren Lagen unterwegs sind als noch heute Morgen. Hier ist der Frühling noch sehr verhalten zu erkennen. Ein bisschen grün an den Bäumen, auf den Wiesen noch alles braun. Vor zwei Wochen lag hier noch Schnee, also kein Wunder, dass die Natur noch ein kleines bisschen Zeit braucht. Von der Straße aus biegen wir in ein Skigebiet ab. Wir folgen nun einer Skiloipe.

Der Boden unter uns schwingt bei jedem Schritt mit. Alles sitzt noch voller Wasser. Wir passen gut auf, dass nicht irgendwann unsere Schuhe ebenfalls voller Wasser laufen, aber das geht gut.

Im Winter muss es hier herrlich sein. Die Häuser in dem Gebiet sind mal wieder der Wahnsinn. Jetzt liegt aber alles verlassen da.

Weit und breit sind wir die einzigen Menschen hier. Und dann sehen wir unseren ersten Schnee!

Naja, zumindest ein kleines weißes Fleckchen zwischen den Bäumen. Mal sehen, wie schnell wir sehr viel mehr davon zu sehen bekommen…
Die Lauferei auf den größtenteils sumpfigen und matschigen Wegen ist ganz schön anstrengend und macht mich total müde. So richtig läuft es heute nicht, jedenfalls vom Kopf her. Nach knapp 19km machen wir im Skigebiet an einem Picknicktisch eine Pause. Ich bin so unglaublich müde, dass ich kurz davor bin, mich mit dem Kopf einfach auf die Tischplatte zu legen. Dann könnte ich mich anschließen aber vermutlich nicht mehr bewegen. Stattdessen mache ich es mir auf der Bank so bequem wie möglich (klappt!) und mache ein Nickerchen.

Ich werde von einem lauten Schnarcher geweckt. Oh, Stefan schläft wohl auch, denke ich. Aber der sitzt noch ganz normal und beschäftigt am Tisch… Huch, da habe ich mich wohl selbst geweckt!😂 Nach knapp 20 Minuten bin ich auf jeden Fall wieder putzmunter.

Es kann weitergehen. Aufhören ist nämlich noch nicht. In der nassen Gegend finden wir definitiv keinen Zeltplatz. Und so ganz geheuer ist uns der kommende Weg auch noch nicht. Laut Karte kommt nun ein wegloses und sehr, sehr sumpfiges Stück. Sumpfig kennen wir ja schon, aber ohne erkennbaren Weg… Das wird dann manchmal schon interessant.

Als wir weitergehen, stellt sich das mögliche Problem aber als nicht existent heraus. Wir können dem Weg, den es mal wieder nicht geben sollte, einfach weiter folgen. Und dann kommen wir auch schon zur Schotterstraße, die hinunter ins Tal führt.

Auch hier sind nirgends Zeltplätze zu finden. Zumindest füllen wir an einem Bach unsere Wasservorräte auf, damit wir bei der Zeltplatzsuche unabhängig sind. Am Ende wird es ein Platz, der ziemlich direkt an der Straße liegt, dafür aber eben ist. 25km reichen uns. Damit liegen wir über unserem angepeilten Schnitt von 20km pro Tag. Aber man kann viel planen, wenn es dann einfach keinen Zeltplatz gibt… Dann folgt nur noch Zelt aufbauen, kochen, essen und ganz früh schlafen. Heute sind wir beide müde.

Tag 10, 24.05.2023

Um halb 9 frühstücken wir auf einer Bank am Fluss. Zu diesem Zeitpunkt sind wir schon eine Stunde unterwegs. Der Platz liegt an einem kleinen Spielplatz, aber wie gewohnt ist hier nichts los. Der Campingplatz ein paar Meter weiter hat noch geschlossen. Wir genießen unser Müsli in der wärmenden Morgensonne und haben keine Eile weiterzukommen. Deshalb dauert die Frühstückspause mal direkt eine Stunde. Bevor es weitergeht, gibt es die obligatorische Sonnencreme. Der Himmel strahlt wieder in tiefstem Blau und wir wissen, es wird wieder richtig, richtig warm heute. Der Weg verläuft die nächsten Stunden über eine Schotterstraße.

Die, an der wir die letzte Nacht schon gezeltet haben. Locker 15km lang quasi geradeaus. Landschaftlich ist es aber trotzdem wieder sehr schön. Die Straße führt an Seen und Bergen entlang.

Immer wieder gibt es kleine Bäche und Flüsse. Wir haben keinen Trinkwassermangel. Das ist immer, aber vor allem bei Hitze sehr praktisch. Heute laufen wir überwiegend still vor- oder nebeneinander her. Jeder hängt so seinen Gedanken nach. Beziehungsweise ich hänge so meinen Gedanken nach und Stefan stellt erfreut fest, dass er einfach gar nichts denkt. Das halte ich für eine faszinierende Fähigkeit – nichts denken. Vielleicht lerne ich das in den nächsten Monaten noch.

Vor uns auf dem Weg sitzen immer wieder kleine Falter. Man sieht sie erst, wenn sie durch unsere Schritte aufgescheucht werden. Dann strahlen ihre Flügel lavendelfarben. Sehr hübsch!

Das zweite tierische Highlight heute ist eine Schlange bzw. Schleiche, die vor uns die Straße quert. Auf ihrem Rücken hat es sich eine Waldameise bequem gemacht. Da die Ameisen ganz besonders fleißig sind, finde ich es nachvollziehbar, dass man sich ab und zu auch mal ein Taxi gönnt!

Unsere Pausen verbringen wir im Schatten. In der Sonne ist es einfach zu warm und wir rösten während des Gehens schon genug. Wir haben nun schon eine ganz gute Bräune, die eindeutig nicht nur Dreck ist. So lang ist die letzte Dusche noch nicht her! 😉 Jede unserer Pausen dauert heute irgendwie länger als sonst. Wir genießen es einfach, nur rumzusitzen, eine Kleinigkeit zu essen und den Blick schweifen zu lassen. Um 12.30 Uhr haben wir 15km geschafft. Da darf die Mittagspause ruhig ausgedehnt sein. Wir legen uns auf unsere dünne Isomatte und dösen eine Weile vor uns hin. Das gibt Kraft für den weiteren Weg!

Bald ist die Straße nämlich zu Ende und es gilt einen Berg zu erklimmen. Und das ist bei der Wärme richtig anstrengend. Dabei ist der Weg an sich eher ein normaler Waldweg, der den Berg hinauf führt.

Mit Musik auf den Ohren versuche ich mich von der Anstrengung abzulenken. Es dauert eine Weile, doch bei „Godzilla“ von Itchy platzt der Knoten dann. Ich verstehe nicht genau, warum es bei dem Lied so ist, aber genieße die Entspannung. Gut gelaunt lasse ich mich danach von Electric Callboy den Berg hochschreien, während Stefan mich irritiert ansieht. Bei ihm fließt der Schweiß in Strömen und er genießt den Anstieg wohl eher so mittel…

Als wir das Gipfelplateau erreichen, gibt es eine weitere Pause. Knapp 20km sind es inzwischen.

Die Uhr sagt, wir haben noch viel Tag übrig, mein Körper sagt, wir haben noch viel Kraft übrig und Stefan sagt, ein bisschen was geht noch. Also weiter. An einem Baum finden wir ein Gäste- oder Gipfelbuch. Wir tragen uns nach Daniel und Kathi ein, die gestern hier vorbeigekommen sind.

Der Bergrücken besteht übrigens zu 65% Sumpf, 25% Fels und der Rest sieht trocken aus, ist aber zu 95% auch nur klug getarnter Sumpf. Auch heute bleiben die Füße aber trocken. Da wir kein konkretes Ziel haben, halten wir immer wieder die Augen nach einem Zeltplatz offen. Die meiste Zeit hoffen wir naiv darauf, dass die nächste eben aussehende Fläche dieses eine Mal bestimmt trocken ist. Aber siehe oben, immer nur klug getarnter Sumpf. Stefan möchte irgendwann lieber aufhören und findet mit einiger Sucherei eine Stelle, an der das Zelt einigermaßen gut stehen könnte. Ob wir darin auch gut schlafen könnten, ist aber fraglich. Wir beschließen erstmal noch kurz zu pausieren und entscheiden uns dann doch für’s Weitergehen.

Wo man einen Berg hinauf geht, muss man aller Wahrscheinlichkeit nach auch wieder runter. Und ebenso wahrscheinlich ist es, dass man an mehr oder weniger steilen Abstiegen nicht zelten kann. Also geht es immer weiter den Berg hinab. Sehen wir doch mal eine optisch brauchbare Stelle: Sumpf. Natürlich. Manchmal ist die Tarnung sogar so gut, dass man erst eine kurze Weile auf einer Stelle stehen bleiben muss, bis das Wasser durchkommt. Zu früh freuen ist also nicht.

Letzten Endes landen wir am Fuß des Berges wieder mal auf einer Schotterstraße, die direkt zu ein paar Wohnhäusern führt. Wir werden voller Begeisterung von einem Hofhund begrüßt, der sich eine extra Portion Streicheleinheiten von uns abholt. Wären Frauchen oder Herrchen in der Nähe gewesen, hätten wir vermutlich gefragt, ob wir einfach neben der Hundehütte zelten können. Denn natürlich ist hier ebenmäßiges grünes Gras. Garantiert ohne Sumpf. Menschen sehen wir aber keine, also ziehen wir weiter.

Letztlich finden wir in einem kleinen Waldstück eine passable Stelle. Das Zelt sieht nach dem Aufbau leicht schräg aus, aber die Nacht dürfte, dem Probeliegen nach zu urteilen, ganz gut werden.

Zum Abendessen gibt es heute Reis mit Soße. Ich bin skeptisch, was wir da gekauft haben, aber total positiv überrascht vom Ergebnis. Wir beenden den Wandertag nach 26km und sind uns einig, dass es morgen wirklich weniger sein darf. Das gleicht sich dann mit wahrscheinlich deutlich mehr Höhenmetern morgen aus. Wie schön…

Tag 11, 25.05.2023

Jetzt sitze ich hier in der neuen Grunnetjørnsbu gemütlich im Ohrensessel und versuche den gestrigen Tag in Worte zu fassen. Das ist gar nicht so leicht. Ein paar Dinge nehme ich vorweg. Wir sind zuerst zur Skarvassbu gegangen und von dort zur Grunnetjørnsbu. Die Gehzeit von Hütte zu Hütte war mit 6 Stunden angegeben.

Wir haben die kompletten sechs Stunden benötigt. Pausen kamen noch dazu. Wir sind angekommen, aber es war ganz schön anstrengend. Ganz schön und ganz, ganz anstrengend.

Aber von vorne:
Wir laufen erst um 9 Uhr los. Im Nachhinein ist wäre ein früherer Start vielleicht besser gewesen, aber hinterher ist man immer schlauer. Da wir heute aber nur gute 20km gehen wollen, passt das schon (Protipp: Es kommt nicht (!) auf die Kilometeranzahl an).

Für uns geht es ein Stück über die Straße und dann ab auf den nächsten Berg. Der Eingang zum Wanderweg ist nicht gekennzeichnet und führt mal wieder durch einen Garten bzw. Hof. Das ist hier zwar nicht ungewöhnlich, aber dennoch kommt es uns weiterhin seltsam vor, einfach bei fremden Leuten über das Grundstück zu laufen. Heute ist es wieder sonnig, aber nicht ganz so klar wie gestern. Warm wird uns bei dem Anstieg aber natürlich sowieso. Der Weg ist breit und einfach zu gehen. Er ist wie einer der breiten Wanderwege, die zum Beispiel in Österreich auf eine Alm führen. Als wir eine Stunde unterwegs sind und schon einen tollen Ausblick auf die Landschaft haben, machen wir eine Pause.

Dann geht es in den Wald hinein. Kurz darauf großer (innerlicher) Jubel. Wir sehen unser erstes rotes T!

Hurra! Jetzt sind wir auf einem offiziellen Wanderweg des DNT unterwegs.

Von nun an folgen wir den roten Wegmarkierungen, die in regelmäßigen Abständen zu finden sind. Ein Schild weißt uns den Weg zur Skarvassbu. Noch eine Stunde. Hm, als Nicht-Norweger sollte man solche Zeitangaben mit Vorsicht genießen und lieber etwas mehr Zeit einplanen. Ich finde aber, dass wir gut unterwegs sind und die Zeit locker unterbieten können. Nach nur 40 Minuten sind wir an der Hütte. Der Weg ist (Überraschung!) sumpfig, aber mit vielen Holzplanken ausgelegt (wirklich eine Überraschung).

Wir schauen uns in der gemütlich eingerichteten Hütte um und gönnen uns eine Dose Pfirsiche als Pausensnack. Vitamine und so.😉 Dann wollen wir weiter zur Grunnetjørnsbu. Die Zeitangabe macht uns nicht direkt Mut, schließlich ist es schon halb 1. Sechs Stunden für 13km (oder 16km, je nach Karte) ist schon eine nicht ganz so schöne Ansage. Egal, wir wollen dahin, also los. Und wir haben ja noch den ganzen Tag Zeit.

Der Weg führt uns durch Sumpf. Ab und zu wechselt das Bild und es gibt noch mehr Sumpf. Wir folgen einem Flusslauf in entgegengesetzter Richtung und steigen auf den nächsten Berg. Dabei gibt es viel Sumpf. Mit den Stöcken sind wir aber recht sicher unterwegs. Heute fällt mir während des Gehens auf, dass es auch im Sumpf große Unterschiede gibt. Gras ist dort, wo es gerade neu austreibt, meist stabil. An anderen Stellen eher nicht. Das sollte man testen. Grundsätzlich ist Gras aber eher einer der besseren Untergründe. Richtig hinterhältig ist Moos. Es verspricht dir die perfekte, ebene und stabile Fläche zu sein und kann aber problemlos in einer Tiefe von 1 bis 50cm nachgeben.

An dieser Stelle ein Servicepost: Testet, insbesondere bei Moos, immer mit einem Stock vor. Habt ihr das gemacht und den Weg für sicher empfunden, achtet darauf, dass ihr mit den Füßen möglichst auf genau die Stellen tretet, die ihr zuvor getestet habt. Nur weil das Moos an einer Stelle halbwegs stabil ist, heißt es nicht, dass es ein paar Zentimeter davor, dahinter oder daneben auch so ist. Erwischt man die falsche Stelle, sinkt man unter Umständen recht mühelos bis zum Knie ein. Mit Glück bleibt das andere Bein stabil, so dass man sich aus der misslichen Lage befreien kann. Moos im Sumpf ist böse! Für euch getestet. (So mittelmäßig) gern geschehen!

Zum Glück ist heute warmes Wetter und wir können die nächste Pause zum auftrocknen nutzen. Also ich zumindest. Meine Hosenbeine tragen nun schönes Moosdekor, aber Grün ist schließlich eine tolle Farbe und mal ein bisschen Abwechslung zum sonstigen Schwarz.

Inzwischen haben wir Ausblick auf ganz schön viel Schnee.

Wir ahnen, dass da heute noch ein bisschen was auf uns zukommen wird. Und die Unmengen von Wasser auf den Wegen kommen halt auch nicht von ungefähr. Bald ist es dann soweit. Wir müssen immer mehr Schneefelder durchqueren.

Das ist mühsam. Aber das ist die Lauferei ohnehin schon die ganze Zeit. Richtig anstrengend wird es, als wir eine Zeit lang an der Nordseite des Bergs gehen müssen. Hier liegt noch jede Menge Schnee.

Nur ist die Stabilität nicht mehr ganz gegeben. Was folgt ist eine einzigartige Performance aus Einbrechen, Fallen, Fluchen und Stecken bleiben. Und das zur Abwechslung mal nicht nur von mir. Hier suchen wir immer wieder die Wegmarkierungen und dazwischen einen machbaren Weg.

Denn wo kein Schnee liegt, bilden sich kleinere und größere Gewässer, die wir umgehen müssen. Als wir den nächsten Berghang erreichen und sehen, dass wir steil aufsteigen müssen, frage ich mich, warum es nicht einfach mal ein paar Meter leicht sein kann. Tatsächlich ist der steile Aufstieg aber die pure Entspannung im Vergleich zu den Metern davor. Danach geht es wie gewohnt weiter. Sumpf, Schnee, Schnee, Sumpf. Aber die Ausblicke!

Wir sind inzwischen auf 800 Metern Höhe und haben ein fantastisches Panorama. Wir blicken auf verschneite Berghänge, Bergseen, die noch größtenteils von Eis bedeckt sind…

…und haben tolle Ausblicke in die weitläufige, etliche Kilometer entfernte Umgebung. Die Strapazen lohnen sich also irgendwie.

Das einzig blöde ist nur, dass die Kilometer bis zum Ziel kaum weniger werden. Man mag es kaum glauben, aber schnell kommt man in dem Gelände nicht voran. Immer mal wieder machen wir kurze Pausen, um eine Kleinigkeit zu essen und die Füße zu entspannen. Es vergeht Stunde um Stunde. Irgendwann sind es weniger als fünf Kilometer bis zur Hütte und dann dürfen wir tatsächlich mal für ein paar Meter ganz entspannt laufen. Waldboden. Kaum Sumpf. Steine. Kein Wasser. Kein Schnee. Es ist herrlich! Dauert nur nicht lang an. Ich halte meine Motivation schon seit Stunden mit Musik hoch. Suche mir in diversen Liedern aufmunternde Worte oder solche, die meiner Stimmung besonders gut Ausdruck verleihen. An irgendwas muss man sich ja festklammern (außer am Wanderstock). Irgendwann sagt Stefan, dass es nur noch 2,5km sind. Das ist doch nichts mehr! Die schaffen wir jetzt auch noch! Die Sonne hat derweil schon an Kraft nachgelassen und steht deutlich tiefer. Immerhin müssen wir uns keine Sorgen um die Dämmerung machen. Das dauert noch einige Stunden. Nach der letzten Pause, als es noch gut 4,5km waren, war es bereits halb 7. Es wird also ein spätes Ankommen. Und die letzten 2,5km verlangen uns nochmal alles ab.

Stefan ist schon längst im Tunnel und läuft einfach stur weiter, egal was das Gelände sagt. Sein Wille (oder Starsinn) flößt dem Sumpf wohl Respekt ein, denn er versinkt natürlich nirgends nennenswert. Ich versuche nur noch, den Anschluss nicht zu verlieren und möglichst auf die gleichen Stellen zu treten wie Stefan vor mir. Hinter jedem Hügel hoffe ich endlich die Hütte zu sehen. Und werde wieder und wieder enttäuscht.

Ich verfluche inzwischen alles um mich herum. Die Steine, die Sträucher, die matschigen Wege und die [hier beliebiges Schimpfwort einfügen] Hütte, die einfach nicht auftauchen will. Und dann erreichen wir sie doch noch. Um 20.15 Uhr taucht sie nach 22,5 km vor uns zwischen den Bäumen auf. Wir sind überglücklich und werden augenblicklich umgehauen von der traumhaft schönen Aussicht.

Rucksäcke abstellen, Schuhe ausziehen und zuallererst das Angekommensein genießen! Es gibt hier zwei Hütten, eine alte, die den Vorratsraum beherbergt (den wir uns natürlich ganz genau ansehen) und eine neue. Da wir die einzigen Gäste sind, ziehen wir in die neue Hütte ein. Sie hat einen wunderschönen Blick auf den See und eine tolle Veranda, von der aus man versonnen in die Abendsonne blicken kann. Allerdings zeigt das Außenthermometer nur noch 6 Grad, Tendenz fallend. Deswegen waren die letzten Kilometer also so frisch… Das erklärt’s! Wir holen uns aus dem Vorrat ein paar Kekse und eine Dose Nudeln, um die wir unsere Ration vergrößern wollen und beziehen die neue Hytte. Während Stefan das Wasser holt, feure ich den Ofen an.

Das klappt wunderbar (bin ja schließlich geübt) und bald darauf breitet sich eine wohlige Wärme im Häuschen aus. Wir sind müde, platt und sehr glücklich. Während das Essen kocht, schreibe ich einen Eintrag ins Hüttenbuch. Es ist spannend, dort die Einträge anderer Wanderer zu lesen, vor allem die der vergangenen NPLer, die wir nahezu alle durch ihre Berichte kennen. Besonders gut gefällt mir aber ein kleines Gedicht mit dem Titel „A hiking haiku“. Es lautet wie folgt:

Wet and splashy trails
Are much more fun with gaiters.
Socks dry by the fire.

Und ja, wir haben die Gamaschen heute ausgiebig genutzt. Die besonders hohen zu nehmen, war ein mega guter Tipp! Danke, Martin!

Bis wir essen, ist es 22 Uhr. Mittlerweile überwiegt die Müdigkeit den Appetit, so dass ich gar nicht mehr so viel essen kann. Morgen gibt es dann wohl Nudeln zum Frühstück, Stefan gibt nämlich auch bald auf. Um elf liegen wir im Bett. Dass wir nach dem Tag kein Zelt aufgebaut haben (wäre hier ohnehin nicht möglich gewesen) versteht sich von selbst.

Was ein Tag. Wir haben für uns die Bestätigung, dass an eine Durchquerung der Hardangervidda gar nicht zu denken ist, aber den Plan hatten wir ja schon längst verworfen. Wenn auf 800 Metern noch so viel Schnee vorhanden ist, ist auf über 1100 Metern mit sehr viel mehr Schnee zu rechnen. Wir haben noch einige sehr verschneite Passagen vor uns und schauen nun mal, wie und ob das klappt.

Aber heute nicht mehr. Für heute sind wir durch. Ich habe den Tag über immer wieder überlegt, die verschiedenen Lieder, die mich motiviert haben, mit in den Text einfließen zu lassen. Das wäre aber doch zu viel gewesen. Zwischenzeitlich wollte ich Feine Sahne Fischfilet das Schlusswort überlassen. „Ich bin komplett im Arsch“. Aber nein, ganz so schlimm ist es irgendwie doch nicht. Es war hart, es war anstrengend, aber es war auch immer wieder wunderschön. Also zitiere ich an dieser Stelle, ganz zum Schluss, You Me At Six: „We’re fucked up in a beautiful way“.

Dieser Beitrag hat 11 Kommentare

  1. Tolle Eindrücke, lebendig beschrieben. Insbesondere die Mücken höre ich sogar bis hier nach RuKa😊. Die nächst Pizza habt ihr euch schon jetzt verdient – viel Spaß dabei. Ich freue mich schon auf den Bericht über die dritte Etappe.

    1. Vielen Dank! 😀
      An unserem heutigen Zeltplatz am See fühlen sich auch die Mücken sehr wohl. Aber es ist einfach doch zu schön hier, so dass wir das wohl in Kauf nehmen müssen.

  2. Ich musste doch schmunzeln wie du schreibst, dass die Hütte einfach nicht auftauchen will und du anfingst auf Teufel komm raus zu fluchen. Genauso erging es mir vor einem Jahr. Als ich schon dachte, dass es die Hütte überhaupt nicht gibt, tauchte sie dann urplötzlich vor mir auf. 30 min später hörte ich eine Gruppe französische Wanderer laut fluchend um die Ecke biegen.
    Ich verfolge mit starkem Interesse eure Berichte die sehr gut geschrieben und schön zu lesen sind. Hoffe doch inständig, dass der Schnee sich in kürze verflüssigt und ihr die Vidda vielleicht doch noch stemmen könnt.

    1. Die Vidda liegt inzwischen nicht mehr auf unserer Route. Selbst wenn wir da irgendwie durchkommen würden, könnten wir Jotunheimen dieses Jahr wohl nicht machen. Daher halten wir uns nun in Richtung Fagernes und dann Vinstra.
      Auch auf der alternativen Route gibt ganz viele tolle Orte zu entdecken, so dass wir nicht traurig sind, dass die Vidda für uns nicht möglich ist. Jotunheimen werden wir sicher in einem Urlaub dann nochmal nachholen. 😀

  3. Schön zu hören, dass es euch gut geht. Auch ich kann mich noch an das steile Stück zur Hütte erinnern. Na ja ist ja erst einbüßt Tage her. Allerdings war ich die Nacht vorher auf der Skarsvassbu und hatte nur die 16 km vor der Nase. Trotzdem war ich fix und fertig, so dass ich die neue Hütte überhaupt nicht registriert habe Erst als es in der alten schon gemütlich warm war bin ich beim Erkundungsgang darauf gestoßen. Vielleicht treffen wir ja nochmal aufeinander… Vi sees!

    1. Im Moment sind unsere Routen ja doch sehr unterschiedlich, aber weiter im Norden besteht ja evtl. nochmal die Chance auf ein Treffen. Wir würden uns jedenfalls sehr freuen!

  4. Hallo, danke fürs Mitnehmen. Ich lese seit Beginn eurer Reise mit und fiebere mit bzw. lasse mich vin euren Strapazen mitreißen. Ja, Sumpf und Moos und Zelt, gemeine Mischung! Wünsche euch weiterhin viel Spaß… Silke aus Österreich 💪🥾🙂

  5. Hey, es macht super viel Spaß eure Tour zum Nordkapp hier mit zu lesen und mit zu erleben!
    Ich drücke euch die Daumen das sich der Schnee zurück zieht und ihr gut weiter kommt.
    Ich freue mich schon auf die nächste Etappe.
    Viele Grüße
    Namie

    1. Vielen Dank! Mit der neuen Route sollte der Schnee kein so großes Thema mehr sein. Aktuell stehen wir am Follsja auf einer kleinen Halbinsel. Hier ist richtig Sommer. 😀

  6. Hei ihr beiden 🙂

    bin jetzt am Campingplatz in Dalen und hatte nun endlich Zeit (und gutes Internet) euren neuen Blogbeitrag komplett zu lesen. Wirklich sehr unterhalb geschrieben!

    Der viele Schnee in der Austheiane war teilweise wirklich anstrengend, die sumpfigen Bereiche wurden da schon zur Erholung. Genauso wie Stefan bin ich irgendwann einfach flott drübergelaufen. Hat immer gut funktionieren, nasse Schuhe kriegt man in dem Gelände eh irgendwann. Bin gespannt, wie es bei euch weitergeht. 🙂

    Viele Grüße
    Daina

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