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NPL Etappe 14, Alta bis Nordkapp

Tag 121, 12.09.2023

Wir genießen als Etappeneinstieg nochmal das tolle Frühstücksbuffet. Dann geht es um halb 10 los in die letzte Etappe unserer Tour.

Der Himmel ist grau und sieht eigentlich die ganze Zeit nach Regen aus. Die Wetterstimmung passt gut zu unserer eigenen. Schwankend und eher schlecht als gut.

Die ersten Kilometer geht es über einen Radweg hinaus aus der Stadt.

Wir sind zügig unterwegs und genießen das durchaus.

Dann wechseln wir das erste Mal auf die Straße. Wir sind auf der E6 unterwegs, Norwegens Hauptverkehrsstraße. Doch wahnsinnig viel ist hier nicht mehr los. Es gibt den Tag über keine brenzligen Situationen. Sehr schön! Das liegt aber wohl hauptsächlich daran, dass wir deutlich nach der Saison unterwegs sind. Zur Hauptsaison sollte man hier als Fußgänger sicherlich unter keinen Umständen unterwegs sein, wenn man das Nordkapp lebend erreichen möchte.

Genau genommen sind alle besonders freundlich und die großen LKW wechseln immer komplett auf die Gegenspur, wenn sie die Gelegenheit dazu haben. Das freut uns sehr! Einmal werden wir angehupt und jemand winkt uns völlig begeistert zu. Wenn man hier auf Wandernde trifft, ist es wohl klar, wohin sie wollen und warum. 😀

Gelegentlich gibt es kleine Trampelpfade neben der Straße, denen wir folgen können.

Als wir dann dauerhaft auf der Straße bleiben, geht es bergauf.

Je höher wir kommen, desto stärker leuchten die Birken. In Alta selbst war die Natur noch überwiegend grün, hier ist alles goldgelb. Landschaftlich ist es trotz Straße wieder wirklich schön.

Während wir auf der Straße unterwegs sind, erreichen wir unser letztes Kilometer-Jubiläum: 2500 Kilometer! Jetzt ist wirklich nicht mehr viel Strecke übrig.

Uns fällt auf, dass noch viele Deutsche im Wohnmobil unterwegs sind. Die meisten kommen uns entgegen. Wahrscheinlich waren sie schon am Nordkapp. Was daran für normale Urlauber so spannend ist, weiß ich nicht. Extrem viel Fahrerei für eine eher unspektakuläre Aussicht. Aber so ist das ja häufiger bei klassischen Tourihotspots.

Da Straße gehen immer eher unspektakulär ist, denkt Stefan sich ein neues System aus, wie er mir den Gegenverkehr ankündigen kann. Wenn er voraus geht, sehe ich nicht so viel. Statt „Auto, noch ein Auto, Wohnmobil…“ zu sagen, verwendet Stefan nun Abkürzungen. A = Auto, AA = Auto mit Anhänger, L = LKW und W = Wohnmobil. Er ist der Meinung, dass das System besser ist. Ich vergesse die Absprache gelegentlich und habe immer wieder den Gedanken, dass Stefan sich wehgetan hat, wenn er unerwartet „A“ ruft. Aber wir haben ja noch ein paar Tage Zeit, die Kommunikation zu optimieren. (Motorräder sind übrigens so selten, dass Stefan beim ersten ganz überrascht „Sonderfahrzeug“ ruft. Das spart dann nicht mehr wirklich Buchstaben ein, aber mehr als zwei „Sonderfahrzeuge“ kommen uns auch nicht entgegen. 😀)

Im Laufe des Tages nimmt die Temperatur beständig ab. Es wird richtig frisch. Noch kommen wir mit dünner Merinojacke und Windjacke zurecht, doch als dann leichter Regen dazukommt, ziehen wir lieber noch die Regenjacken an. Die wärmen auch etwas mehr.

Da die Sichtverhältnisse durch den Regen etwas schlechter werden und der ganze Tag schon eher dunkler war, setzt Stefan zusätzlich noch die Stirnlampe auf. Er lässt sie rot blinken, so dass wir für die Autofahrer gut zu sehen sind, ohne zu blenden. Das klappt wirklich gut!

Für die letzten Kilometer biegen wir auf einen Nebenweg ab, der durch ein Rentiergebiet führt. Der Weg führt parallel zur Straße, nur etwas weiter oberhalb.

Nach 36 km suchen wir uns einen Zeltplatz. Auch wenn wir die Straße in der Entfernung sehen können, stehen wir hier doch wieder mitten in der Natur.

Durch diverse Regenwolken ist die Sicht zwar weiterhin eingeschränkt, aber wir sind uns sicher, dass die Gegend richtig schön ist.

Tag 122, 13.09.2023

Über Nacht hat es viel geregnet und so starten wir ebenfalls in leichtem Regen.

Der hört aber schon bald auf. Die Extraschicht Kleidung darf aber wieder bleiben. Ist das frisch heute!

Die ersten Kilometer folgen wir weiter der Nebenstraße, auf der wir uns befinden.

Wir können aber schon erkennen, dass auf der E6 nur sehr wenig Verkehr herrscht. Und so wird das weitere Gehen dort auch gar kein Problem.

Die Landschaft um uns herum ist beeindruckend schön. Wir sehen aber deutlich, dass es insgesamt immer flacher wird. Die Berge sind doch alle eher größere Hügel.

Immer noch sind viele deutsche Urlauber unterwegs. Wir müssen zugeben, dass selbst die Autofahrt durch so eine Herbstlandschaft ein Highlight sein muss und gelegentlich mischt sich tatsächlich sowas wie Neid unter unsere Begeisterung. Wir merken, dass unsere Motivation abnimmt und wir allmählich ankommen wollen. Wenn man dann auf gefühlt endlosen Kilometern den Weg voraussehen kann, hilft das nicht.

Dabei strahlt inzwischen die Sonne und hilft mit der Wärme total. Aber irgendwie haben wir im Nábár für uns das Tourende eingeläutet und nun fühlt sich selbst der leichte Weg nicht ganz so leicht an. Trotzdem gehen wir Kilometer um Kilometer.

Mit Podcasts auf den Ohren verfliegt die Zeit etwas besser.

Wir beschließen irgendwann, dass es schön wäre, morgen bis Olderfjord „nur noch“ 35 km wandern zu müssen. Das bedeutet aber auch, dass wir uns für heute 38 km vornehmen. Naja, was machen ein paar Kilometer mehr auf der Straße schon?

Auf den letzten Kilometern sorgen ein paar Rentiere für Ablenkung.

Sie trotten immer wieder seelenruhig über die Fahrbahn und halten den Verkehr auf. Autos bzw. Fahrzeuge scheinen sie überhaupt nicht als Gefahr wahrzunehmen. Als wir hingegen in die Nähe kommen, rennen sie davon. Vielleicht haben sie Sorge, dass wir zwei Rentiere kapern könnten, um auf ihnen zum Nordkapp zu reiten…

Als wir nach 38 km einen Zeltplatz ansteuern, packen wir direkt die ersten Sachen aus, testen die Liegefläche und kommen dann auf die Idee, nach Wasser zu gucken, bevor wir das Zelt komplett aufbauen. Zum allerersten Mal müssen wir tatsächlich wieder zusammenpacken und weitergehen. Der eingezeichnete Bach existiert nicht und ein Herankommen an den Fluss Repparfjordelva Ist nicht möglich, da er zu tief in einer Schlucht liegt.

Nach insgesamt 40 km bauen wir dann auf einem mittelmäßig geeigneten Platz das Zelt auf. Uns reicht es.

Doch die Laune ist besser, als man es nach dem Tag vermuten könnte. Denn der Himmel wird zwar wahnsinnig schnell dunkel, ist aber sternenklar. Für uns heißt das, trotz Müdigkeit noch einige Zeit wach bleiben und alle paar Minuten aus dem Zelt gucken. Beim Zähneputzen sehen wir einen ersten leicht gräulichen Schleier.

Es könnte eine Wolke sein, doch die bewegen sich nicht so. Also unsere ersten Nordlichter? Wir sind schon begeistert und hoffen auf mehr.

Wir stellen uns daher regelmäßig einen Wecker und gucken immer wieder mal aus dem Zelt, ob wir mehr sehen können.

Schließlich schälen wir uns gegen 23.30 Uhr mit leichtem Widerwillen aus unseren Schlafsäcken. Wir ziehen alles an, was wir haben und gehen wieder raus. Die Erwartungen sind gar nicht besonders hoch, da ich am Kopfteil aus dem Zelt geguckt hatte. Doch als wir durch den „Vorderausgang“ ins Freie treten, sind wir direkt beeindruckt. Hier sind die Nordlichter deutlich stärker.

Immer noch grau, aber durch das Fotografieren bekommen sie ihre typische grüne Färbung.

Minutenlang schauen wir uns das Schauspiel an. Es ist absolut beeindruckend! Als wir irgendwann darüber nachdenken, doch wieder ins Zelt zu gehen, holen die Nordlichter nochmal richtig aus und tanzen (tatsächlich!) in voller Kraft über den Himmel. Es ist unbeschreiblich.

So etwas haben wir noch nie erlebt. Wir staunen begeistert und vergessen sogar unsere eisigen Füße. Es ist der Wahnsinn!

Es dauert eine Weile bis wir die Einstellungen zum Fotografieren der Nordlichter gefunden haben. Wir nehmen uns vor, uns für weitere Sichtungen etwas vorzubereiten, um das Ergebnis noch zu optimieren. Es könnte ja keiner damit rechnen, dass wir die Nordlichter tatsächlich zu Gesicht bekommen. 😉

Als der Tanz zu Ende geht und Wolken aufziehen, verschwinden wir ins Zelt und tauen nur langsam wieder auf. Wir könnten gerade nicht glücklicher sein!

Tag 123, 14.09.2023

Heute halte ich den Tagesbericht kurz.

Es geht wieder an der Straße entlang.

Mal mit leichtem Regen, meistens mit Sonne.

In Skaidi machen wir eine Mittagspause im Restaurant neben der Tankstelle und essen wirklich gut zu Mittag. Danach lässt der Verkehr auf dem weiteren Weg deutlich nach.

Der Hauptverkehr geht wohl Richtung Hammerfest. Auf der E6 sind nun überwiegend deutsche Wohnmobilfahrer unterwegs.

Für 7 km können wir später auf einen Nebenweg ausweichen,

dann geht es für die restlichen 6 km nochmal an der Straße entlang. Nach insgesamt 33 km sind wir am Campingplatz in Olderfjord.

Wir nehmen für die Nacht ein Hotelzimmer, um uns nochmal richtig aufzuwärmen. Die nächsten Nächte werden wohl eher wieder kühl.

Wenn man für längere Zeit von Zuhause weg geht, macht man sich im Vorhinein unweigerlich Gedanken, was ist, wenn etwas Schlimmes passiert.

Während wir das Abendessen vorbereiten, bekomme ich von meiner Mutter die Nachricht, dass mein Opa verstorben ist.

Und dann steht man da, ein paar tausend Kilometer von Zuhause und der Familie entfernt und möchte einfach nur bei ihnen sein. Doch das geht nicht. Und alles tut einfach nur furchtbar weh.

Also sind unsere Gedanken heute nicht bei dem vergangenen Tag, über den ich so viele andere Sachen schreiben wollte, sondern bei Opa.

Mein Opa ist sehr alt geworden. Ich nehme es ihm ein kleines bisschen krumm, dass wir nun die 100 nicht mehr zusammen feiern können. Das war eigentlich anders geplant. Er hat viel erlebt in seinem Leben und noch mehr gemacht. Vor einigen Jahren hat er sich einige Bienenvölker zugelegt, da man ja auch mit über 90 Jahren noch Beschäftigung braucht. Anfang dieses Jahres hat er diverse Obststräucher und -bäume im Garten erneuert, Spalierobst sollte es werden. Mit 97 war es allmählich Zeit für rückenschonende Gartenarbeit. Opa hörte schon lange nicht mehr gut. Manchmal war ich mir aber gar nicht sicher, ob das der Wahrheit entsprach oder er den Vorwand nutzte, um sich ganz simpel aus Gesprächen auszuklinken. Opa war ein aktiver Mann. Viel zu lang ist er mit seinem Auto quer durch Deutschland gefahren, bis seine Kinder und Enkel ihn endlich davon abbringen konnten. Vermutlich hat mein Opa eine ganze Menge Schutzengel beschäftigt. 😅

An unserer Hochzeit habe ich fröhlich mit Opa Schnaps getrunken, bis mir (mir!) das Treiben zu bunt wurde. Er hätte mich locker unter den Tisch getrunken.

Als wir schon in Norwegen unterwegs waren, entschied Opa, dass er nach Hause wolle in seine alte Heimat. Von Niedersachsen ging es ins Seniorenheim nach Straelen. Ein ungewöhnlicher (aber durchaus sinnvoller) Schritt, der mir aber ein komisches Gefühl bereitete.

Ich hatte so gehofft, dass wir uns nochmal wiedersehen.

Heute Nacht leuchten die Nordlichter nur für dich, Opa. Mach’s gut!

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Herzlichen Glückwunsch zu Eurer Ankunft. Ich durfte durch Euch meine Tour aus dem letzten Jahr noch einmal nachverfolgen. Oft waren es ähnliche Probleme, man erkennt Orte auf Euren Bildern wieder und wandert in Gedanken noch einmal mit. Die Leistung „einzuordnen“ habe ich auch ein Jahr danach noch nicht wirklich geschafft. Ist aber vielleicht auch nicht nötig. Es ist einfach etwas ganz Besonderes und lässt einen nicht mehr los.
    God tur videre, Manja

  2. Wahnsinn!!! Ihr habt es geschafft – wir sind begeistert und voller Bewunderung! Eine Ehre Euch zu kennen und hoffentlich bald mal wieder am Niederrhein begrüßen zu dürfen (hier ist übrigens angenehmer Spätsommer…. ;-)). Gratulation und herzlichste Grüüüße, Irmi

  3. Herzlichen Glückwunsch, dass Ihr es (wie zu erwarten 😉) geschafft habt! 🥳🥳🥳
    Wie schnell die Zeit vergangen ist…
    Die letzten Wochen bin ich mit dem Lesen nicht ganz hinterhergekommen und jetzt – zack ⚡ – schon alles vorbei.

    Kann Eure zwiespältigen Gedanken und Gefühle gegen Ende der Tour voll nachvollziehen.
    Bin gespannt, wie gut Ihr inmitten der Zivilisation und dem normalen Alltag wieder ankommen werdet.

    Am Ende ist es mit dem Herbstbeginn ja farblich noch richtig schön geworden.
    War sowieso von Anfang an alles beeindruckend, aber jetzt irgendwie noch mal mehr.
    Das alles in live zu sehen muss wirklich wahnsinnig toll und nahezu unfassbar gewesen sein.
    Aber Ihr habt es so gut es ging über die Monate rübergebracht! 👏🏻

    Wie war es eigentlich mit dem Sternenhimmel so? Gegen Ende war es dann ja doch auch mal dunkel in der Nacht?
    Muss auch beeindruckend gewesen sein, dann in Kombi mit Aurora Borealis…

    In Summe hattet Ihr ja wirklich Glück mit dem Wetter. Das hätte ich anders erwartet.
    Und das Ungeziefer war Euch in Summe dann auch hold, gell? Sumpf schien mir der schlimmere Gegner gewesen zu sein 😉

    Und zum krönenden Finale so tolle Nordlicht-Vorkommen und dann zuguterletzt noch etwas Winter-Feeling mit Schnee.
    Eine abgefahrene (nein, grandios abgelaufene) Reise!

    Kommt gut nach Hause und zuhause an! 🍀

    (klappt es mit dem Melon of hope etwa doch noch ganz knapp oder ganz knapp nicht?)

    Und: mein allerherzlichstes Beileid!! 😔

    Alex

  4. Vielen Dank, daß ich an Eurer Tour durch Eure tollen und lebendigen Berichte, und natürlich Fotos, teilnehmen durfte. Ich hoffe, Euch fällt die Rückkehr in den „Alltag “ nicht zu schwer. Gruß Christian

  5. Herzliche Glückwünsche! Ihr habt’s geschafft und könnt so stolz auf euch sein.
    Kommt gut wieder in Straelen an (nicht nur körperlich).
    Vielen Dank, dass wir euch auf eurer Reise begleiten durften.
    Viele Grüße mitten aus Spanien, wo es heute an die 30 Grad werden sollen 🥵,
    Sandra

  6. Herzlichen Glückwunsch auch von mir!!!

    Ein unglaublich tolles Erlebnis, das ihr euer Leben lang behalten werdet! Ein dickes Dankeschön für den tollen Blog. So konnten wir ein bisschen an eurem Abenteuer teilhaben. Wirklich sehr schön und authentisch geschrieben, vielleicht ein verstecktes Talent?! ;-D

    Ich freu mich auf ein baldiges Wiedersehen!! Kommt gut zu Hause an.

    Ganz liebe Grüße
    Luise

  7. Was für ein Gefühlsspektrum auf Eurer letzten Etappe… Freud und Leid, so nah beieinander.

    Ihr habt es geschafft – Herzlichen Glückwunsch. Es war (und wird noch beim Nachholen der ein oder anderen Etappe) wunderbar Eure Berichte zu lesen, deine Art zu schreiben ist toll, Simone, ich musste öfters herzhaft lachen und dann aber auch die unangenehmen Seiten beschrieben. Wunderschöne Fotos, wunderschöne Farben der norwegischen Natur. Ich bin gespannt, wieviel davon Ende Oktober im Rondane noch übrig ist, meine Füße sind schon ganz kribbelig 🙂

    Danke, dass ich auch als Unbekannte dabei sein durfte. Ich wünsche Euch alles Gute für den Wiedereinstieg in den Alltag.

    Liebe Grüße,
    Andrea

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