Peaks of the Balkans, Teil 2
Tag 8, 05.06.2024
Die „Hotel“nacht war so erholsam wie immer – so mittel. Wir genießen noch eine Dusche und freuen uns darüber, dass der Himmel bewölkt ist. Das kommt uns im Hinblick auf die heutige Strecke durchaus entgegen. Um 7 Uhr gehen wir zum Frühstück. Es gibt Brot, gekochte Eier, Marmelade, Tomaten, Gurken, Butter und Feta. Dazu eine große Kanne schwarzer Tee und zwei kleine Stückchen Kuchen. Wir nutzen die Gelegenheit und bestellen uns noch ein Lunchpaket, bestehend aus einem Apfel und einem Sandwich. Dann machen wir uns auf den Weg.
Ein kleines Stück folgen wir der Straße durch Valbona. Wir kommen an einem sehr großen Hotel vorbei, das Zimmer für über 100 € pro Nacht anbietet. Irre Preise für die Gegend hier, aber das Gebäude sieht auch wirklich schick aus.
Der Standard wird wohl dezent höher sein als in unserer Unterkunft. Da wird der Duschkopf nicht 30 cm vor der Toilette hängen (wir haben leider vergessen ein Foto zu machen).
Dann biegen wir von der Straße ab und folgen nun für die ersten paar Höhenmeter einer Schotterstraße. Danach beginnt der richtige Anstieg.
Insgesamt sind wir wesentlich schneller unterwegs, als wir das vorab erwartet hatten. Wir haben mit zwei Tagen Puffer geplant, um die längeren Strecken und die vielen Höhenmeter entzerren zu können. Doch es läuft hier einfach gut, und wie! So hätten wir die zusätzlichen Tage tatsächlich nicht gebraucht. Nun sind sie aber da und wir müssen die Reststrecke auf die nächsten fünf Tage aufteilen. Die Tagesstrecken werden dementsprechend deutlich kürzer.
…was nicht heißt, dass sie leichter werden.
Als morgendliches Fitnessprogramm steht heute wieder ein Anstieg auf dem Plan. Das sind wir schließlich schon gewöhnt.
Um die Fitness der letzten Tage unter Beweis zu stellen, dürfen wir heute 1200 hm am Stück nach oben gehen. Wir überqueren den Prosllopitpass und kommen anschließend an die bereits bekannte Stelle. Auf dem Weg von Plav nach Vusanje geht man in das Gebirgstal, in das wir heute von der anderen Seite aus kommen. Dort werden wir unser Zelt aufschlagen. Die Gegend ist so schön, dass wir dort gerne eine Nacht verbringen wollen.
Der Aufstieg führt zunächst über Geröll, dann wird der Weg gehbarer.
Wir haben einen beständigen Wechsel aus Stein, Wald und Wiese und empfinden den Weg an sich als sehr angenehm. Am Wegesrand wachsen viele Blumen und Kräuter und insbesondere Thymian und Majoran duften um die Wette. Sehr angenehm! Kurzzeitig überlege ich, ob ich mir ein paar Zweige unter die Achseln klemme, denn mein eigener Geruch ist gar nicht soo angenehm. Wir schwitzen wie verrückt, denn trotz Wolken ist es drückend warm. Bald darauf sind die Wolken dann aber auch verschwunden und die Sonne begleitet uns mit gelegentlicher Unterbrechung durch ein paar Wölkchen.
Auf der Hälfte des Aufstiegs, nach 600 hm, machen wir unsere erste Pause. Wir sind hier heute nicht alleine unterwegs, aber es ist durchaus überschaubar. Insgesamt wissen wir von 11 anderen Leuten, sieben davon haben wir hinter uns gelassen, vier gehen voraus.
Nach der Pause wieder in den Trott zu kommen ist etwas mühsam, doch es geht. Die Ausblicke zurück sind herrlich und wir staunen mal wieder über die Natur.
Um 12.10 Uhr haben wir den höchsten Punkt erreicht. Wir genießen unser Sandwich und noch mehr genießen wir es, die Schuhe auszuziehen und die Beine auszustrecken.
Kurz unterhalb des Passes gibt es übrigens tolle Zeltmöglichkeiten, aber selbstverständlich wieder ohne Wasser.
Nach einer ausgedehnten Pause wagen wir uns an den Abstieg. Dieser führt zunächst über einen Pfad bergab und an einer Eishöhle vorbei, wie Stefan mir berichtet. Da hier um uns herum nur wenig Schnee liegt, frage ich mich, ob die Eishöhle wohl noch existiert. Beim ersten Schritt vor den Höhleneingang wissen wir: Ja! Ein eiskalter Wind weht aus den Tiefen des Berges.
Wir können nicht allzu weit in die Höhle hinein (und würden es auch gar nicht wollen, weil nicht klar ist, wie tief es über das darin liegende Eis nach unten geht), aber auch so wird uns in kürzester Zeit mächtig kalt. Beeindruckend!
Zurück auf dem Weg freuen wir uns wieder über die angenehme Wärme des Tages. Kurz darauf wird der Abstieg deutlich herausfordernder. Der Weg besteht nun quasi nur noch aus Gestein, das stellenweise äußerst scharfkantig ist. Wenn hier noch Schnee liegt, sollte man den Pass aufgrund der gefährlichen Steinformationen auslassen und den Weg zum nächsten Ort über die Straße nehmen. Aber da wir keinen Schnee mehr und sehr gutes Wetter haben, macht mir der Abstieg sehr viel Spaß. Die Beine und Knie ächzen zwar, aber die kleinen Kletterpassagen und die steinigen Wege sind wieder toll.
Nach einer Stunde haben wir den Abstieg geschafft und kommen am Fuß des Berges auf einer Wiese aus.
Jetzt müssen wir nur noch den richtigen Weg zu unserer anvisierten Zeltplatzidee und dort tatsächlich Platz für unser Zelt finden. Das stellt sich als etwas komplizierter raus, als gedacht, aber eine Stunde später steht das Zelt und wir genießen die traumhaft schöne Aussicht.
Um uns herum schwirren etliche Mücken und Fliegen, doch im Zelt stören sie uns nicht. Den restlichen Tag über passiert nicht mehr viel. Wir versuchen uns in Entspannung, da auch die nächsten Wandertage eher kurz werden und spielen, schlafen, lesen… Für das Abendessen holen wir Wasser am nahegelegenen Bach, der nur noch höher am Hang Wasser führt.
Um zwanzig vor Acht höre ich ein lautes „Huhu“. War das der Wind? Aber das klang nicht wie der Wind? Ich blicke aus dem Zelt und da steht auf dem Weg doch tatsächlich ein Tageswanderer, der uns zu unserem tollen Platz gratuliert und fragt, ob er ein Foto vom Zeltplatz machen kann. Verrückt!
Als abendliches Kinoprogramm schauen wir heute einem traumhaft schönen Sonnenuntergang zu.
Wir haben wirklich den perfekten Platz erwischt!
Tag 9, 06.06.2024
Heute schlafen wir so lang wir wollen, ganz ohne Wecker. Wir sind trotzdem früh wach, aber da die Sonne noch nicht auf das Zelt scheint, drehen wir uns nochmal um. Wir starten langsam und gemütlich in den Tag und gehen schlussendlich erst um 9.50 Uhr los.
Vorher mussten wir noch mehreren Wandernden den richtigen Weg zeigen. Alle wollten von Plav nach Vusanje und haben die richtige Abbiegung nicht finden können, dabei ist das hier eigentlich ziemlich leicht. Hoffentlich kommen sie alle gut durch die Tour! 😉
Bei strahlendem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel machen wir uns auf den Weg. Zelten wollen wir ein Stück hinter Çerem, allerdings wollen wir den Ort umgehen und eine andere Route nehmen, die über einen Bergrücken führt, statt hinab in das Tal und anschließend wieder hinauf. Nur ob der Weg existiert, wissen wir nicht.
Nach kurzer Zeit sind wir schlauer. Der Track existiert nur digital, in natura ist da selbst mit Phantasie kein Weg zu erkennen. Also heißt es wieder bergab und später am Tag den nächsten Berg hinauf.
Pfade hinab gibt es erstmal zahlreiche. Wir entscheiden uns für einen, der die ganze Zeit gut sichtbar ist, bis er sich in Gestrüpp und Blumen verliert. Da wir aber eine gute Übersicht haben und uns so orientieren können, gehen wir einfach hindurch und kommen auf einer Blumenwiese aus. An deren Ende sitzt eine größere deutschsprachige Reisegruppe. Wir unterhalten uns kurz, dann geht es für uns weiter durch einen Wald bergab.
Besonders auffallend ist heute, dass es ständig Wasser bzw. Bäche gibt. So viele haben wir in den ganzen letzten Tagen noch nicht gesehen. Im Wald genießen wir den Schatten sehr. Es ist wirklich heiß heute und nur selten umweht uns ein leichter Lufthauch. Wir beschließen, dass wir hinter Çerem eine Pause machen wollen und durchqueren dazu den Ort, der nur aus wenigen Häusern besteht. Mobilfunk gibt es hier nicht, aber Strom haben die wenigen Einwohner inzwischen schon. Wir merken immer wieder, dass die Informationen aus dem Wanderführer echt veraltet sind. Was da in der Neuauflage in 2023 aktualisiert worden ist, ist uns ein Rätsel.
Während wir die richtige Abbiegung auf unseren Wanderweg suchen (der ist heute bisher nämlich miserabel markiert), kommt ein Mann auf uns zu und spricht uns auf Deutsch an. Wohin wir gehen, was wir machen, ob wir etwas trinken wollen. Wir bejahen und so laufen wir mit ihm zu seinem Haus.
Bei einer Limonade und frischen Kirschen unterhalten wir uns über das Leben in dem Ort, in dem kaum noch jemand wohnt, und der sehr abgelegen ist. Es gibt keine asphaltierten Straßen und bis zur nächsten Einkaufsmöglichkeit muss man 40 km fahren. Sie leben hier vom Tourismus. Uns wird im Gespräch klar, dass das vorhin keine zufällige Begegnung auf der Straße war, sondern geplante Kundenaquise. Uns ist es aber recht, so haben wir eine angenehme Pause und kriegen ein paar Einblicke in das Leben hier. Wir zahlen für die Getränke fünf Euro, haben aber nur einen 10 Euroschein, den er leider (zufällig? 😊) nicht wechseln kann. Naja, was solls. Die restlichen vielen Kirschen dürfen wir mitnehmen und so haben wir in unserer nächsten Pause noch einen frischen Snack.
Aus dem sehr schönen Tal geht es nun bergauf. Nach der Pause und bei der anhaltenden Hitze fällt uns der Anstieg heute ziemlich schwer. Wir sind froh über jedes schattige Stück, aber auf einer steil ansteigenden Blumenwiese ist die Sonne wieder viel zu warm.
Wir sind froh, als wir danach für eine Weile einer Straße (eher eine Art Feldweg) folgen können, die keine große Steigung beinhaltet. Da ist es dann nur noch warm, aber nicht so anstrengend.
An einer Stelle entdecken wir eine Panoramaterrasse, die mit Fördermitteln der EU gebaut wurde.
An sich eine tolle Idee. Traumhafte Panoramen gibt es hier an jeder Ecke. Nur halt hier nicht. Viel unspektakulärer als der Ausblick auf einen bewaldeten kleinen Berg könnte es wirklich nicht sein. Total verrückt.
Nachdem wir das Straßenstück hinter uns gelassen haben, wechseln wir auf einen schmalen Pfad, erneut durch Wald. Es geht wieder bergauf und dazu fehlt mir nun komplett die Energie. Jeder Schritt ist mühsam und ich freue mich nur noch auf das Ankommen, das allerdings noch ein bisschen auf sich warten lässt. Im Wald füllen wir unsere Wasservorräte auf und dann haben wir es beinahe geschafft. Ein letztes Stück bergauf, dann stehen wir auf einer blumenbewachsenen Ebene mit Blick auf die Berge. Hier wollen wir bleiben. Die Platzsuche gestaltet sich etwas schwierig, da diese Wiese leider alles andere als eben ist, aber mit ein paar Kompromissen finden wir eine passende Stelle.
Um uns herum schwirren wieder etliche Fliegen. Sowieso bin ich der Meinung, dass der Peaks of the Balkans den Untertitel „Fliegenweg“ verdient hat. Wo die bloß alle herkommen…
Wir verkriechen uns also wieder in unser Zelt und lauschen dem Gesurre um uns herum, das leider nur hektisch und nicht beruhigend ist. Aber dafür haben wir ja die schöne Aussicht.
Nach dem unerwartet anstrengenden Tag, der „nur“ etwas über 14 km und 750 Höhenmeter beinhaltete, schlafen wir früh ein. Morgen sind wir bestimmt wieder fitter!
Tag 10, 07.06.2024
Die Nacht war etwas unruhig. Das Pferde-Erlebnis hat uns für seltsame Geräusche sensibilisiert und so weckt Stefan mich, weil er etwas Komisches hört. Es stellt sich raus, dass vermutlich eine Fliege unter dem Zelt gefangen ist. Jetzt surrt es also aus wirklich allen Richtungen, auch wenn die Fliegen in der Nacht eigentlich ruhig sind.
Um der Hitze heute zu entgehen, starten wir um 7.15 Uhr. Die Luft ist noch angenehm kühl, doch der wolkenlose blaue Himmel verspricht uns viel Sonnenschein für später.
Zunächst wandern wir durch Wald. Hier ist es nahezu noch frisch, aber die Bewegung wärmt uns schneller auf als uns lieb ist.
Der Weg ist richtig schön und… gemütlich. Die Waldwege sind entspannt zu gehen und dazwischen gibt es immer wieder ein paar sehr altertümliche Häuser, die sehr viel Charme versprühen.
Bräuchten wir jetzt eine Unterkunft, würden wir hierbleiben wollen. Doch um kurz nach 8 Uhr am Morgen ist das nicht nötig. Auf dem Weg kommt uns ein älterer Herr entgegen, der uns mit „Ca va?“ begrüßt. Ich antworte ihm, dass es uns gut geht und befürchte innerlich, dass er nun denkt, ich könne wirklich Französisch sprechen. Doch auch die folgenden Fragen kann ich immerhin kurz und bündig beantworten, bevor wir uns verabschieden. Grundsätzlich ist man hier in der PoB-Bergregion mit Englisch gut unterwegs, wenn man jüngere Leute oder andere Wandernde trifft. Bei den älteren Menschen sind hingegen Deutsch oder Französisch nützlich. Viele sind während des Krieges geflohen und haben für mehrere Jahre in Deutschland oder Frankreich (oder Ländern mit den Sprachen) gelebt.
Bei den Touristen ist die Bandbreite deutlich größer, richtig international sogar. Bisher getroffen haben wir Leute aus Tschechien, Irland, Australien, Frankreich, Schweden, den USA, Asien, England, Schottland und selbstverständlich den Niederlanden und Deutschland.
Unser Weg führt weiter in die Siedlung Doberdol. Schon von Weitem können wir sie sehen.
Tatsächlich gibt es hier keine Strommasten, aber die Menschen behelfen sich mit Sonnenenergie. Der Ort ist verhältnismäßig groß und besteht fast nur aus Gasthäusern.
Viele davon sehen sehr modern aus. Doberdol ist von grünen Bergen umgeben und erstrahlt heute im intensiven Sonnenschein. Für uns geht es ab hier steil bergauf. Schatten gibt es keinen mehr. Das ganze Tal und die umliegenden Berghänge auf unserer Wegseite sind baumfrei. Wir füllen sicherheitshalber nochmal unsere Wasservorräte auf (deutlich oberhalb vom Ort! Der Fluss ist nicht zu empfehlen – zu viel Müll, zu viel Vieh, zu viele Häuser!
Dann kriechen wir ganz gemächlich bergauf.
Je näher wir der 2000er-Grenze kommen, desto mehr Wind umweht uns. Das macht die Steigung deutlich erträglicher. Oben angekommen, auf knapp 2200m ist es dann sehr angenehm. Die Sonne scheint unvermindert, doch die Temperaturen sind besser. Die Sicht in die Umgebung ist toll. Wir blicken nun auf Gegenden, die wir durch unsere Tour schon kennen – nur dieses Mal von der anderen Seite.
Jetzt führt der Weg angenehm leicht auf und ab entlang der Berghänge.
Wir genießen das einfache Gehen und das schnelle Vorankommen heute. Um 10 Uhr hatten wir bereits die Hälfte der Strecke geschafft, für die zweite Hälfte lassen wir uns nun viel Zeit und genießen einige Pausen mit tollen Ausblicken.
Ein letztes Mal geht es ein Stück bergab, bevor wir den nächsten längeren Aufstieg in Angriff nehmen.
Ein bisschen mühsam ist es in der Wärme, aber auch das schaffen wir. Dann öffnet sich vor uns das Roshkodol-Tal, in dem wir heute unsere letzte Zeltnacht verbringen wollen.
Wir blicken auf den Jelenka-Pass, den wir an unserem zweiten richtigen Wandertag überquert haben. Toll, nun hier zu sein.
Ein paar Meter neben einem kleinen Fluss finden wir eine Stelle inmitten der Wiese, die nahezu englischen Rasen bietet. Wir überlegen keine Sekunde und bauen das Zelt auf. Da es noch früh am Tag ist (15 Uhr) verbringen wir den restlichen Nachmittag mit in die Ferne schauen, Karten spielen und die restlichen Vorräte plündern, soweit es möglich ist.
Dann geht es gewohnt früh ins Bett. Wir werden die Ausblicke auf die Berge um uns herum eindeutig vermissen. Die Trilliarden Fliegen allerdings eindeutig nicht.
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