Norwegen 2024 Teil 1, Hardangervidda
26.07.2024 – Anreise
Heute starten wir in unseren Sommerurlaub. Es geht nach Norwegen. Letztes Jahr, als wir auf unserer NPL-Tour waren, hatten wir noch die Idee, dass wir erstmal ein anderes Ziel brauchen. Ein bisschen Abstand haben, was anderes sehen… Doch schon bald war klar, dass es wieder Norwegen wird.
Wir haben uns vorgenommen in Rjukan zu starten und in Richtung Jotunheimen zu laufen – also die Strecke, die wir im letzten Jahr wegen der Restschneemengen nicht laufen konnten.
Dass der Urlaub nun schon da ist, ist verrückt. Die letzten Monate waren anstrengend und wir sind (obwohl der letzte Urlaub noch gar nicht so lange her ist) definitiv urlaubsreif, aber noch nicht im Urlaubsmodus. Aber das kommt spätestens, wenn wir morgen im Fjell stehen.
Zur Abwechslung startet unser Flieger mal nur mit einer geringen Verspätung, sodass wir nur 25 Minuten später als geplant in Oslo landen. Die letzten Male hatten wir immer ein bis zwei Stunden Verspätung, aber nur auf dem Weg nach Oslo.
Schon als wir durch den Duty Free Bereich gehen, fühlt es sich ein bisschen wie nach Hause kommen an. All die norwegischen Produkte, die uns im letzten Jahr die Pausen versüßt haben, lassen Erinnerungen aufkommen. Es ist ein bisschen verrückt, aber auch ein sehr schönes Gefühl.
Vom Flughafen aus geht es, ebenfalls wie auch die letzten Male, zum Radisson Red, in dem wir uns mittlerweile gut auskennen. Den restlichen Abend verbringen wir in unserem Hotelzimmer, fühlen uns, als hätten wir einen Pausentag und müssten Diverses regeln, haben aber einfach nichts zu tun. Ein paar Automatismen vom letzten Jahr sind wohl noch sehr verinnerlicht.
27.07.2024, Tag 1
Wir sind früh wach, freuen uns über das Frühstück, sind aber viel zu schnell satt.
Dann checken wir aus und gehen zur Bahn am Flughafen, die uns nach Lysaker bringt. Auf den paar Metern ächzen unsere Körper ein bisschen. Dass der Rucksack auf den ersten Kilometern schwer ist, ist normal. Doch vielleicht hätten wir gestern morgen auf das Sportprogramm verzichten sollen, dass uns jetzt einen gemeinen Muskelkater an diversen Körperteilen beschert. Naja, den wandern wir in den nächsten Tagen wohl weg.
In Lysaker holen wir Gaskartuschen, dann warten wir auf den Nor-Way Bus Haukeliexpressen, der uns in Richtung unseres Wanderstarts bringt. Der Bus hat einige Minuten Verspätung und bis zum Anschlussbus in Bamle haben wir nur zwei Minuten Umsteigezeit, aber irgendwie wird das schon passen. Als wir in Nortodden längere Zeit am Busbahnhof stehen, beschleicht uns das Gefühl, dass das doch alles eng werden könnte. Dass dort höchst wahrscheinlich auch unser Anschlussbus steht, fällt uns nicht ein. Erst als wir wieder losfahren und uns der Rjukan-Bus vorfahren lässt, erkennen wir unsere verpasste Chance. Da der Bus nun aber hinter uns ist, haben wir keine Sorgen und so steigen wir in Bamle – einer Haltstelle im Nirgendwo – ganz entspannt um. Warum das bei der Planung vorher nicht aufgefallen ist, wissen wir auch nicht…
Um halb zwei sind wir in Rjukan. Wir machen uns am Marktplatz fertig, cremen uns mit Sonnencreme ein und dann gehen wir los.
Unser erstes Ziel sind die Sonnenspiegel. Rjukan ist nämlich ein kleines Städtchen zwischen zwei hohen Gebirgszügen. Während der Herbst-/Wintermonate schafft die Sonne es nicht über die Berge und Rjukan liegt ca. sieben Monate im Schatten. Seit 2013 gibt es aber an einem Berghang drei große Sonnenspiegel, die das Sonnenlicht in den entsprechenden Monaten auf den Marktplatz reflektieren. Man muss sich nur zu helfen wissen.
Bevor wir uns an den steilen Aufstieg machen, halten wir noch an der Apotheke. Die Wettervorhersage ist sooo gut, dass unsere nicht mehr volle Sonnencreme für die nächste Woche nicht ausreichen würde. Wir kaufen eine Tube Kindersonnencreme, die sich von der „normalen“ Sonnencreme nur im fröhlichen Design unterscheidet. Und – ganz entscheidend – im Preis! Die kostet nämlich nur halb so viel (aber immer noch entsetzlich viel). Die norwegischen Preise haben uns definitiv nicht gefehlt!
Dann geht die Wanderung los! Ziemlich steil bergauf geht es für mehrere Kilometer.
Mal ganz steil, mal steinig, mal sehr nass,
mal ein bisschen entspannter. Letzteres nicht so oft. Wir kommen aber gut voran und freuen uns über die roten Ts und das wieder hier unterwegs sein.
Durch einen kleinen Umweg können wir uns die Sonnenspiegel von oben ansehen und das machen wir natürlich. Eine spannende Sache!
Zwei Stunden nach unserem Start ist es Zeit für eine kurze Pause. Der Blick nach Rjukan zeigt, dass wir uns nahezu kein bisschen vom Fleck bewegt haben, nur die Höhe hat sich verändert.
Die verkaterten Beine bestätigen das.
Aber da wir immer noch im Wald sind und unser Ziel heute Fjell lautet, müssen die Beine noch ein bisschen arbeiten. Da der Weg aber durchaus schön ist, ist das zu verkraften.
Einige Zeit später verlassen wir den bewaldeten Hang und kommen zu einer Art Plateau, zu der bis vor einiger Zeit noch die Krossobanen hochgefahren ist. Die wanderfaulen Leute konnten sich damit den steilen Anstieg sparen. Bei einer Überprüfung wurde allerdings festgestellt, dass der Zustand der Bahn so schlecht ist, dass sie schon lange nicht mehr hätte fahren dürfen. Ein Glück, dass nichts passiert ist!
Wir haben dort immer noch einen deutlichen Blick auf Rjukan und fühlen uns ein bisschen veräppelt ob der gefühlt geringen Distanz. Naja, bald ist das Fjell erreicht und dann haben wir Rjukan endgültig hinter uns gelassen.
Über eine Schotterstraße kommen wir zum Einstieg in die östliche Hardangervidda.
Die Wege sind ziemlich ausgetreten und oft sehr matschig, aber wir genießen die Ausblicke sofort. Endlich wieder Weite! Ist das schön!
In meinem Kopf krame ich schnell mein Wissen zu stabilen Trittstellen im Sumpf hervor und so schaffen wir es unbeschadet über bzw. durch die schlammigen Teile. Nachdem wir unsere Wasservorräte an einem Bach gefüllt haben, suchen wir uns einen schönen Zeltplatz. Es weht ein ziemlich starker Wind, der uns zwar die Mücken vom Leib hält, aber uns auch den Zeltaufbau erschwert. Es dauert eine ganze Zeit, bis das Zelt windfest aufgestellt ist.
Nach 9 Kilometern und knapp 1000 Höhenmetern sind wir ziemlich müde. Die letzten beiden Nächte waren kurz und nicht allzu erholsam, sodass uns der Tag heute voll und ganz gereicht hat. Also schlafen wir früh und genießen es, endlich wieder hier zu sein. Es ist so wunderbar!
Tag 2, 28.07.2024
Der starke Wind hat sich die ganze Nacht über gehalten und begleitet uns auch heute den gesamten Tag.
Wir starten um 9 Uhr bei leichten Wolken und strahlend viel Sonne. Dank des Windes ist es dennoch sehr frisch.
Unser erster Zwischenstopp ist die Helberghytta. Die Landschaft um uns herum ist wunderbar. Endlich wieder nur einsame Natur um uns herum, egal wohin man schaut. Wir haben das so sehr vermisst!
In der Helberghytta sind wir ganz allein.
Die Übernachtungsgäste der letzten Nacht sind bereits alle weg und wir genießen es, hier zu sein. Das äußerst gut gefüllte Proviantzimmer genießen wir selbstverständlich auch und so gibt es zum zweiten Frühstück: Na klar – Pfannkuchen!
Das hat schließlich Tradition. Nach dem guten Essen blättern wir noch durch das Hüttenbuch, verewigen uns selbst und machen ein kleines Nickerchen. Danach geht es aber weiter.
Die Wege sind heute typisch norwegisch, aber eigentlich allesamt gut zu gehen. Wir genießen das Wandern sehr. Nur bei Anstiegen meckern die Beine noch ein bisschen. Der gestrige Tag ist noch zu spüren.
Wir sind positiv überrascht, dass hier viel weniger los ist, als wir das erwartet hätten. Ein paar Leute begegnen uns über den Tag verteilt, aber insgesamt ist es ziemlich ruhig.
Als Tagesziel haben wir heute unterschiedliche Ideen. Ich schlage 18 Uhr vor, Stefan 15km. Damit hätten wir einen gemütlichen zweiten Tag. Das finde ich auch gut, also ist das Ziel gesetzt.
Nach etwas über 14km nähern wir uns dem Staudamm am Nedre Strengetjønn.
Davor zelten wollen wir nicht. Zu viele Ferienhäuser in Sichtweite. Direkt dahinter zelten können wir nicht. Zu viele Ferienhäuser in direkter Umgebung. Also gehen wir weiter.
Letztendlich stoppen wir nach 18,9km um 17.40 Uhr. Das passt dann doch zu meinem Plan!
Wir haben einen wunderschönen Platz am See Haraldsjå und da der Wind allmählich nachlässt, für die Mücken aber noch überwiegend stark genug ist und die Sonne weiterhin strahlt, geht es für uns in den See. Zugegeben, das Bad ist kurz, aber total schön! Zumindest das frische Gefühl danach. In Zeltnähe gibt es dann noch eine Haarwäsche (auch biologisch abbaubares Shampoo gehört schließlich nicht direkt in Gewässer!) und so endet unser Tag sehr sauber und mit toller Aussicht. So kann das gerne weitergehen!
Tag 3, 29.07.2024
Zum Morgen hin hat sich der starke Wind gelegt. Die Sonne scheint auf unser Zelt und weckt uns.
Heute lautet unser Zwischenziel Kalhovd. In der bewirtschafteten Hütte werden wir eine Pause einlegen. Warum nicht die Annehmlichkeiten des Wegs nutzen? Bis dort sind es gut 7 km.
Die sind zwar ziemlich nass von unten, aber trotzdem gut zu gehen. Eine Norwegerin sieht das anders. Auf der Hälfte der Strecke kommt sie uns entgegen und fragt hoffnungsvoll, ob der Weg nun weniger nass und matschig sei. Wir verneinen. Ob man denn wenigstens drumherum gehen könne? Auch nicht immer, aber es wäre nicht tief, sage ich. Wahrscheinlich haben wir da eine unterschiedliche Wahrnehmung, aber solange wir uns nur ab und zu vorsichtig einen Weg ertasten müssen und sonst einfach durch das Nass gehen können, ist das alles kein Problem.
Die Landschaft gefällt mir heute nicht so richtig. Meine Laune ist mäßig und vielleicht liegt das an der Landschaft und dem inzwischen grauen Wetter, aber viel mehr ist es wahrscheinlich andersherum. Komische Laune und deshalb ist alles nicht so toll.
In der Hütte gibt es Waffeln und eine Steckdose.
Wunderbar! Wandernde sind so leicht zufriedenzustellen.
Nach einer ausgedehnten Pause geht es bergauf Richtung Mårbu.
Die ebenfalls bewirtschaftete Hütte erreichen wir aber erst morgen. Die Sonne versucht allmählich, sich wieder gegen die Wolken durchzusetzen, hat aber noch Schwierigkeiten. Trotz Anstieg ist der weitere Weg mit einem Wort zu beschreiben: einfach.
Es ist nur selten matschig und überwiegend ist der Weg unkompliziert und führt durch eine schöne Landschaft. Die nehme ich zunehmend wahr und gleichermaßen bessert sich meine Laune. Als irgendwann auch noch die Wolken verschwinden, wird es richtig herrlich.
Da ist der Nachmittag zwar schon deutlich fortgeschritten, aber das macht nichts. Wir wandern fast den ganzen Weg oberhalb des Mår, eines Stausees, der zwischen Kalhovd und Mårbu liegt. Da die Hütten 20 km voneinander entfernt sind, ist der See entsprechend groß. Für norwegische Verhältnisse aber eher Durchschnitt.
Plötzlich spüre ich beim Gehen einen stechenden Schmerz in meinem rechten Bein, genau dort, wo der Schuh gerade anfängt. Mein erster Gedanke ist, dass ich vermutlich einen Stein oder Ast oder sowas aufgewirbelt habe und sich das in der schmalen Lücke zwischen Socke und Schuhrand verfangen hat. Doch auch als ich stehenbleibe, lässt der Schmerz nicht nach. Ganz im Gegenteil. Ein Blick verrät: da sitzt ein Tier! Mit der Wanderstockspitze hole ich das Tier heraus, ziehe Schuh und Socke aus und behandle den Stich direkt. Stefan untersucht derweil das Tier und siehe da, es ist eine Wespe. Warum genau die auf die Idee gekommen ist, mir ausgerechnet in den Schuh zu fliegen? Keine Ahnung. Nach fünf Minuten ist das Spektakel jedenfalls vorbei. Für uns geht der Weg weiter, für die Wespe nicht. Die hatte in meinem Schuh zu wenig Platz. Wespen sind hier übrigens, zumindest für uns bisher, unglaublich selten. Doppeltes Pech also.
Kurz darauf erblicken wir eine Brücke. Laut Karte führt der Weg aber durch den Fluss. Seltsam. Wir gehen also bis zur Furtstelle und dort biegt der Wanderweg dann doch zur Brücke ab. Viel angenehmer! Für die Furt hätten wir nämlich definitiv unsere Schuhe ausziehen müssen.
Nun geht es für uns ein letztes Mal bergauf. Es ist traumhaft schön!
An der höchsten Stelle (ca 1330 hm) können wir die Mårbuhytta schon erspähen, aber wir begeben uns nun allmählich auf Zeltplatzsuche.
Einen Badestrand gibt es heute nicht, aber dafür wieder eine grandiose Aussicht. Der Untergrund ist etwas abschüssig, aber wir sind zuversichtlich, das ausgleichen zu können.
Nach knapp 21 km beenden wir unseren Wandertag. Stefan ist ziemlich müde und versucht es noch mit ein bisschen lesen, ich bin aber noch fit und habe somit noch Energie zum Neuroanatomie lernen. Das kommt davon, wenn man sich eine schwierige Prüfung direkt nach dem Urlaub aufhalst…
Da es heute relativ windstill ist, umschwirren das Zelt einige Mücken. An dieser Stelle bedanken wir uns ganz herzlich bei meiner Mutter, die unsere Reißverschlüsse deutlich verbessert hat. Heute bemerken wir den Mehrwert so richtig. Vielen Dank Mama, für deine Zeit, deine Nähkünste und deine Ausdauer, als das alles wieder und wieder nicht so klappen wollte, wie es sollte. Der Aufwand hat sich gelohnt!
Hallo Ihr zwei,
mit Spannung habe ich auf Euren Reisebericht aus unserem Lieblingsreiseland 🇧🇻 gewartet. Wie jedesmal bin ich begeistert und warte schon auf den nächsten Bericht. Ihr schafft es immer wieder aufs Neue einen für das Wandern in Norwegen zu begeistern 😊.
Viele Grüße
Christian