Norwegen 2024 Teil 2, Hallingskarvet und Skarvheimen
Tag 8, 3. August 2024
Die Nacht war nicht ganz so lang wie geplant. Gestern Abend haben wir noch kurz mit Tobi telefoniert, der dieses Jahr Norge på langs läuft. Aus „kurz“ wurden dann fast zwei Stunden, also waren wir wesentlich später im Bett als erwartet. Aber dafür hatten wir ein tolles Gespräch. Es ist schon spannend, dass die Empfindungen, Probleme und Gedanken so ähnlich sind.
Dennoch stehen wir früh auf, frühstücken gemütlich, räumen die Wohnung auf und machen uns um 9 Uhr auf den Weg. Für heute sind ganztägig Wolken, ab 14 Uhr auch Regen angekündigt. Das Wetter entspricht dem aber mal wieder nicht und wir starten bei Sonne und einer unangenehm drückenden Hitze.
Als wir aus unserem Gebäude heraustreten, fallen uns mehrere Menschen auf, die am Straßenrand stehen. Dann sehen wir ein paar Rennradfahrer.
Erwischen wir also wieder ein Radrennen, so wie 2019 auf den Lofoten? Stefan recherchiert: Es ist der Norseman Xtreme Triathlon! Bei diesem Triathlon geht es für 3,8 km schwimmend durch den Eidfjord, dann 180 km per Rad auf Straßen durch die Hardangervidda und zum Abschluss gibt es noch einen Marathon, dessen Ziel der Gipfel des Gaustatoppen bildet. Ganz schön ambitioniert!
Stefan teilt den Triathlon in seiner Triathlongruppe und tatsächlich antwortet ihm einer seiner Triathlonkollegen, dass er am Norseman Xtreme gerne mal teilnehmen würde. Irre! (Allerdings hat derjenige auch Ironman-Erfahrung. Danach muss man sich halt neue Ziele suchen…). Wir bieten uns großzügig als Begleitung an, die müssen die Teilnehmenden nämlich verpflichtend haben. Zuschauen, die Strecke per Auto begleiten und Snacks und Getränke etc. anreichen, wäre mir in diesem Fall eindeutig sportlich genug!
Danach geht es für zwei Kilometer durch Geilo, dann bergauf in Richtung des Hallingskarvet Nationalparks. Wir haben uns für die Straßenvariante als Zuweg entschieden.
Alternativ kann man auch über die Skipisten aufsteigen, doch unsere Erfahrungen mit Wanderwegen in Skigebieten, auf Loipen etc. haben uns davon ganz schnell Abstand nehmen lassen. So genießen wir stattdessen das einfache Gehen, erst auf Asphalt, dann auf Schotter. Die Aussichten zu den ersten größeren Bergen begeistern uns sofort.
Schritt für Schritt nähern wir uns dem Haklingskarvet-Gebirge. Nach 11 km biegen wir auf den Wanderweg ab.
Dort treffen wir auf ein norwegisches Ehepaar mit Hund, die irgendwo angeln gehen möchten. Sie schwärmen von der Umgebung und versprechen uns einen leichten Weg. Und das stimmt.
Der Wanderweg verläuft parallel zum Miljonuten und auf der anderen Seite öffnet sich eine endlos weite Landschaft, die nur schwer mit Bildern einzufangen ist.
Wir sind hin und weg. Zum frühen Nachmittag ziehen Wolken auf, aber es bleibt sehr warm. Nur in der Ferne entdecken wir Regenschauern, aber mehr als ein paar verirrte Tropfen kommen nicht zu uns herüber.
Nach der Abbiegung zu einem Wasserfall wird der Wanderweg deutlich schmaler und ist offensichtlich weniger begangen. Wir dürfen von dort an auf einfachen Wegen unterwegs sein, auf Wegen, die von den fürchterlich nervigen Sträuchern überwuchert sind, auf Wegen, die plötzlich verschwinden und zwischendurch auf Steinen und durch Matsch. Es ist durchaus abwechslungsreich.
Unser Weg wird von zahlreichen Bächen und Flüssen gekreuzt, die alle klein und leicht zu passieren sind. Nur der Hivju ist tatsächlich ein breiter/größerer Fluss. Wir könnten leicht hindurch gehen, müssten dafür aber die Schuhe wechseln. Es gäbe aber auch ein Brücke. Die wäre allerdings ein kleiner Umweg. Wir suchen eine Weile nach einer Stelle, an der wir es vielleicht doch mit Wanderschuhen schaffen, aber die gibt es nicht. Also siegt unsere Bequemlichkeit und wir nehmen den Umweg zur Brücke in Kauf. Und der ist riesig. Absolut völlig unnötig lang!
Die Brücke ist in einem maroden Zustand und als wir danach den Weg nicht mehr finden können und sehr lange durch sehr flauschiges Moos stapfen müssen, das bei jedem Schritt rund 30cm nachgibt, ärgern wir uns endgültig sehr über unsere Faulheit. Fünf Minuten nasse Füße wären nichts dagegen gewesen…
Dementsprechend sind wir froh, als wir wieder auf dem Wanderweg stehen. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zu unserem anvisierten Ziel. Falls wir dort einen Zeltplatz finden. Angetrieben werden wir nun nicht von den sich allmählich ankündigenden Regenwolken, sondern von diversen aggressiven Mücken. Gestern haben wir noch mit Tobi darüber gesprochen, dass die Mücken bisher ziemlich harmlos sind. Das rächt sich nun anscheinend.
Einen Zeltplatz finden wir erstmal nicht und halten uns auch nicht unnötig lang mit dem Auskundschaften der Plätze auf. Es ist sowieso alles zu bewachsen oder zu steinig. Wir stellen uns also darauf ein, dass das wieder dauert und dann ist da urplötzlich vor uns ein perfekt ebener Grasplatz inmitten des ganzen Wildwuchses. Wir überlegen keine Sekunde, packen die Rucksäcke ab und uns in Regenjacken ein. Natürlich nur als Mückenschutz. Der Regen nähert sich allmählich zwar, tröpfelt aber weiter nur vereinzelt vor sich hin.
Den restlichen Abend verbringen wir im Zelt. Die Aussicht ist herrlich, es ist unfassbar still um uns herum und wir sind schon wieder dankbar für diesen tollen Tag.
Etwas seltsam ist es allerdings, als wir um 20.30 Uhr Stimmen hören. Den ganzen Tag haben wir (mit Ausnahme des Ehepaars zu Beginn) niemanden gesehen oder gehört. Da wir keine Schritte hören, hat der Wind die Stimmen vermutlich transportiert. Also scheint irgendwo noch irgendwer zu zelten. Zumindest haben wir das beide gehört. Das ist wesentlich beruhigender, als wenn nur ich sie gehört hätte!
Für morgen gibt es eine Unwetterwarnung wegen Starkregen. Da der Regen sich heute seeeehr in Grenzen hielt und auch am Abend nur vereinzelte dicke, aber sehr kurze Schauern auf unser Zelt niederprasseln, sind wir gespannt, was uns in der Nacht und danach erwartet. Für jedes Wetter gibt es eine Routenoption. Also mal sehen, was es wird. Jetzt sind wir erst einmal gespannt, wie sich das Zelt schlägt, sollte das Wetter wirklich so schlecht werden wie angekündigt…
Tag 9, 4. August 2024
Als wir aus dem Zelt schauen, sehen wir nicht viel. Es ist neblig, nass und grau. Während der Nacht hat es immer wieder stark geregnet und auch jetzt schüttet es immer wieder ziemlich. Dazwischen gibt es aber durchaus auch Pausen. Also was machen wir? Schlagen wir uns bei Regen durch die Berge oder wechseln wir nach ein paar Kilometern auf eine Straße und nehmen uns ein Zimmer in einem Fjellhotel? Wir überlegen hin und her und entscheiden uns schlussendlich für die feste Unterkunft.
Als wir abbauen, entdecken wir in einiger Entfernung tatsächlich ein Zelt. Daher kamen die Stimmen also! Das ist beruhigend. Mit unseren Köpfen ist wohl noch alles in Ordnung.
Nach dem Start dauert es nicht lange, bis wir uns in unserer Entscheidung bestätigt sehen. Die Wege stehen überwiegend ziemlich unter Wasser, die Bäche sind deutlich voller und auch von oben regnet es zeitweise ordentlich.
Durch die Nässe von oben, unten und der Seite (durch triefend nasse Sträucher) bekomme ich endlich mal wieder nasse Füße. Das hatte ich schon richtig vermisst! So oder so ähnlich jedenfalls…
Als wir nach 2,5h an der Straße auskommen, sind wir jedenfalls nicht traurig. Die meiste Zeit können wir auf kleinen Nebenwegen weitergehen, nur das letzte Stück ist richtig auf der Straße. Es herrscht mäßiger Verkehr, sodass wir entspannt gehen können. Nur ein Vollidiot ist der Meinung, dass er unbedingt das Auto vor sich überholen muss und rast deshalb mit einem wahnsinnigen Tempo haarscharf und für uns vollkommen unerwartet an uns vorbei. Wir senden ihm ein paar wüste Beschimpfungen hinterher…
Dann erreichen wir nach 17,5 km unser Ziel: das Storestølen Fjellhotel.
Es liegt traumhaft schön am Strandavatnet und bietet grandiose Blicke auf die gegenüberliegenden Gebirge. Während des Straßelaufens haben wir hin und wieder an unserer Entscheidung gezweifelt. Regen hatten wir hier nämlich quasi nicht mehr. Ganz im Gegenteil – es wurde teilweise sonnig warm! Doch der Blick auf unsere ursprünglich geplante Route durch das Ynglesdalen zeigt uns, dass sich die Wettervorhersage in den Bergen bewahrheitet hat. Den ganzen restlichen Tag über zieht dort eine Regenwolke nach der anderen hindurch. Das hätte sicherlich keinen Spaß gemacht.
Da gefällt es uns in unserem großen Zimmer eindeutig besser.
Vor dem Abendessen spielen wir im Kaminzimmer noch einige Runden Karten und lassen uns dann mit einem Drei-Gänge-Menü verwöhnen.
Natürlich bei allerbester Aussicht auf das fiese Regenwetter in den Bergen.
Wir unterhalten uns eine Weile mit der Eigentümerin über die Wettergrenze, die durch den See verläuft, die umliegenden Wandergebiete und die Besuchszahlen ihres Hotels, die sich seit Corona erst langsam wieder erholen.
Auf dem Rückweg zu unserem Zimmer lernen wir noch die Hofkatze kennen. Die Zimmer sind in einem separaten Gebäude untergebracht und haben alle von außen einen Zugang. Die Katze tapert um uns herum, macht sehr lustige, leise und grummelig klingende „Mau“ Geräusche und genießt ein paar kurze Streicheleinheiten.
Dann verabschieden wir uns und verschwinden ins sehr gemütliche Bett.
Tag 10, 5. August 2024
Wir haben wohl unbewusst eine engere Freundschaft zu der Katze geschlossen. Während der Nacht versucht sie mehrmals sehr energisch durch „Mau, Mau, Mau, Mau…“ Rufe vor unserem leicht geöffneten Fenster unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. Wir sind aber herzlos und lassen sie nicht rein. Am Morgen sehen wir sie dafür dann auch nicht mehr. Wahrscheinlich ist sie beleidigt.
Wir kommen so gerade damit zurecht und trösten uns beim Frühstücksbuffet.
Auch ein paar Brote als Pausenmahlzeit werden eingepackt und dann packen wir zusammen. Leider kommt zum Schluss noch das lästige Bezahlen und wir erkennen nun, warum auf der Getränkekarte keine Preise standen. Hui. Ein Schnäppchen ist es nicht, aber für norwegische Verhältnisse war das hier insgesamt schon okay. Wir empfehlen das Storestølen jedenfalls weiter.
Gut gestärkt machen wir uns an den Aufstieg zum Nørdre Vlishovd. Der angekündigten ganztägigen Bewölkung zum Trotz strahlt die Sonne wieder und uns wird seeehr warm.
Die Aussichten in unsere Umgebung sind beeindruckend, je höher wir kommen. Was für eine wunderschöne Gegend!
Hinter der höchsten Stelle öffnet sich eine endlos wirkende einsame Landschaft.
Nur ein paar Schafe und uns gibt es hier. Wir genießen das sehr.
Erst als wir hinter den nächsten Hügeln in der Ferne schon den Grevskardnuten (Berg) sehen können, kommen uns plötzlich in mehreren kleinen Grüppchen Menschen entgegen. Wo kommen die so plötzlich her? Mit einem norwegischen Ehepaar unterhalten wir uns kurz, dann gehen wir weiter. Die andere sechsköpfige Gruppe ist ziemlich außer Atem und sieht nicht nach Plauderlaune aus. Da gehen wir lieber weiter.
Wir steigen nach und nach durch die weite Ebene ab, queren den Flyåni trockenen Fußes…
… und werden in ausgeprägten Sumpfgebieten sogar mit Planken verwöhnt.
Unser Weg kreuzt sich zwischendurch immer wieder mit einem Norweger. Es dauert eine Weile, bis wir feststellen, dass er gar nicht alleine unterwegs ist, sondern mit seiner Tochter (meine Meinung) oder seiner Freundin (Stefans Meinung). Da er aber immer weiiiiit vorauseilt, dann wieder auf sie wartet und dann wieder davonspurtet, verstehen wir die Konstellation nicht so ganz. Mich als seine Begleitung würde sein Verhalten jedenfalls sehr nerven. Kurz vor dem steilen Aufstieg zum Grevskardnuten-Pass unterhalten wir uns wieder kurz und da lästert er auch noch ziemlich frech über das norwegische Pärchen, mit dem wir früher am Tag auch gesprochen haben. Der Mann habe ja einen Rucksack vorne und hinten getragen, sagt er und beschreibt damit die korpulente Körperform des Mannes, statt die Leistung anzuerkennen, was für Wege der Mann trotz seines Gewichts hier erwandert. Ich finde das ziemlich bewundernswert, denn oft genug finde ich die Wanderei auch so schon anstrengend genug.
Der Aufstieg zum Pass ist steil und sehr steinig. Da der nicht ganz so sympathische Wanderer mal wieder auf seine Begleitung warten muss, können wir immerhin allein hoch gehen. Das klappt gut und beschert uns wieder zahlreiche tolle Ausblicke.
Kurz hinter dem Pass machen wir eine Pause. Jetzt sind es bis zur Iungdalshytta nur noch ein paar Kilometer und kurz danach wollen wir mit der Zeltplatzssuche beginnen.
Die Hütte liegt sehr schön, ist aber voll bewirtschaftet und damit nicht unser bevorzugtes Ziel (mal ganz davon abgesehen, dass das ein dezentes Vermögen kosten würde, jede bewirtschaftete Hütte mitzunehmen).
Nach dem Abstieg zur Hütte geht es also wieder bergauf, aber nur ein kleines Stück.
Wir suchen in der Nähe des Fossebrekka (Fluss) einen Zeltplatz und werden nach einigem Hin und Her fündig. Der Blick zurück zeigt ins Tal der Iungdalshytta, der Blick voraus zeigt uns die morgigen Berge. Herrlich! So ist für heute nach 18 km Schluss.
Um uns herum rauscht der Fluss und die üblichen Schafsglöckchen bimmeln. Nach dem Abendessen hören wir abwechselnd die zunehmend verzweifelter klingenden (so interpretieren wir das jedenfalls) Rufe zwischen Mutterschaf und Lamm/Jungschaf (oder wie man das halt nennt, wenn das Lamm schon größer ist). Irgendwo in unserer näheren Umgebung haben sie sich wohl verloren und finden sich nun nicht wieder. Stefan macht sich mit auf die Suche nach dem Jungtier, ist aber genauso ratlos wie die Mutter. Zu viele junge Schafe an zu vielen entfernten Stellen… Irgendwann hören wir aber nichts mehr und vermuten, dass sich die zwei doch noch gefunden haben.
Tag 11, 6. August 2024
Heute „feiern“ wir (mal wieder) unseren Hochzeitstag in Norwegen! Passend dazu hat Stefan geträumt, dass er eine andere Frau geheiratet hat (heiraten musste, sagt er). Der Tag startet also selbstverständlich sehr romantisch. So sind wir das schließlich voneinander gewohnt. Tatsächlich malt Stefan mir ein Marmeladenherz aufs Frühstücksknäcke. Das reicht dann an Kitsch für das kommende Ehejahr.
Die Berge um uns herum hängen in Nebelwolken, aber es ist warm und soll auch den Tag über so bleiben. Also bereiten wir uns mit kurzer Kleidung und Sonnencreme auf die Sonne vor, die später am Vormittag bestimmt durch die Nebeldecke bricht. Oder auch nicht.
Der Weg steigt erst langsam, aber sehr beständig an. Im gleichen Maß nimmt der Nebel zu, statt weniger zu werden.
Uns gefällt das aber richtig gut. Die Nebelstimmung ist wieder herrlich mystisch.
Nach den ersten paar Kilometern auf normalen Wegen, lässt sich der weitere Weg mit genau einem Wort beschreiben: Steine! Nichts als Steine liegen nun vor uns auf. Große Steine, kleine Steine, glatte Steine, griffige Steine. Kilometerlang nur Steine. Steiniges Grau inmitten von nebligem Grau. Ich liebe es!
Nur äußerst sporadisch gibt es kurze Unterbrechungen durch nasses Moos, Bäche (die zum Glück genug Steine in sich haben, sodass unsere Füße trocken bleiben) oder Altschneefelder.
Gut gelaunt „springe“ ich von Fels zu Fels, genieße es mir Wege in dem steinigen Gebiet zu suchen. Von unserer Umgebung sehen wir kaum etwas. Nur selten reißt der Nebel so weit auf, dass wir 100m weit sehen können. Die Luft ist dementsprechend feucht, der Wind aber relativ warm. Da wir ständig bergauf gehen, bereue ich die kurze Kleiderwahl keine Sekunde. Heute kommen uns genau zwei Frauen entgegen, sonst sind wir durchgängig allein unterwegs. Wir hören den Wind, ab und zu fließendes Wasser und gelegentlich ein paar kleine Vögel oder einen quietschenden Lemming.
Ansonsten ist es herrlich still hier oben. Nach und nach arbeiten wir uns auf 1700m hoch.
Vor dem letzten Aufstieg frischt der Wind dann doch noch auf, sodass ich auch zur Jacke greife.
Gleichzeitig nimmt der Nebel zu und es kommt leichter Sprühregen auf. Jetzt können wir gerade noch die jeweils nächste Wegmarkierung erkennen, die hier durch sichtbare Steintürmchen in der Landschaft gekennzeichnet sind.
Die roten Ts erkennen wir erst kurz vorher. Die Farbe wird ansonsten vom Nebel geschluckt. Dafür leuchten die grün-gelben Moosflechten auf den Steinen nun intensiver, so als wollten sie uns warnen, dass sie bei der zunehmenden Nässe ziemlich rutschig werden können. Wir sind aber trittsicher und rutschen nur ab und zu leicht, aber nie aus.
Am höchsten Punkt angekommen, hat man wunderschöne Aussichten auf Jotunheimen. Haben wir jedenfalls gehört. Wir sehen: Grauen Nebel links, grauen Nebel rechts und grauen Nebel vor und hinter uns. Dazwischen Steine. Okay, nicht sehr abwechslungsreich und natürlich schade um die Aussicht, aber so kann es gehen.
Danach geht es quasi nur noch bergab zur Bjordalsbu, unserer heutigen Hütte. Der letzte richtige Hang ist von einem steilen Schneefeld bedeckt.
Bergauf sicherlich kein Thema, bergab müssen wir das aber großräumig umgehen. Danach geht es zum letzten Mal für 1,5 km über einen nicht mehr ganz so steinigen Weg zur Hütte, die erst kurz vor der Ankunft vor uns auftaucht.
Ursprünglich hatten wir noch überlegt, vielleicht ein bisschen weiterzugehen, aber die „nur“ 15,5km haben doch ziemlich lange gedauert und da unsere Beine sich nun über eine längere Pause freuen (unsere zwei Pausen zwischen Steinen waren eher kurz und nicht direkt gemütlich), wäre es nachher schon zu spät um nochmal zu starten. Finden wir jedenfalls und beenden unseren Wandertag so schon um 15 Uhr. Ansonsten müssen wir mindestens zwei Stunden weiter durch Steine laufen, um wieder in zeltbares Gebiet zu kommen. Das verlegen wir lieber auf morgen.
An der Bjordalsbu ist kein Schloss, also ist wahrscheinlich schon jemand hier. Und tatsächlich, es begrüßt uns Karl, der Hüttenwart. Er ist für vier Hütten zuständig und schaut sich jede Hütte einmal innerhalb von maximal zwei Wochen an. Danach ist jemand anderes dran. Im Laufe des restlichen Tages kommen noch ein Amerikaner und zwei Norwegerinnen zu uns in die Hütte. Wir verbringen einen gemütlichen Resttag/Abend, hören ein paar gruselige Bärengeschichten aus den USA und erfahren noch dies und das über die norwegische Tierwelt. Am Abend holt der Nebel uns auf der Hütte ein und so sehen wir statt See und Steinen: genau, nichts! Die Wettervorhersage für morgen ist miserabel, aber in der Früh soll es hoffentlich ein kurzes Zeitfenster geben, in dem es trocken ist. Da würden wir gerne die Steine überwinden und zügig zur Skarvheimhütte kommen. Mit nur 13km Wegstrecke schaffen wir das hoffentlich auch bei fiesem Regenwetter. Jetzt genießen wir aber erstmal unser Hüttenbett in unserem kleinen Schlafzimmer.
Übrigens haben wir beim Durchblättern der Hüttenbücher Simons Eintrag von 2013 gelesen. Ein klassischer Eintrag halt. Nur die krakelige Ergänzung, die mit „Fuck off“ beginnt, lässt uns dann doch lachen und nochmal mitleiden.
An dieser Hütte hat er damals entdeckt, dass er sein Zelt verloren hat. Wir können nun umso besser nachvollziehen, dass es nahezu unmöglich ist, das Zelt auf der Strecke wiederzufinden…
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