Norwegen 2024 Teil 2, Hallingskarvet und Skarvheimen
Tag 12, 7. August 2024
Wir sind vor unserem Wecker um viertel vor sechs wach. Schnell packen wir unsere Sachen zusammen und kurz darauf sitzen wir mit Müsli und Tee im Gemeinschaftsraum der Hütte. Über Nacht hat es immer wieder geregnet und gestürmt. Die Sicht beträgt nur wenige Meter, also geht der Tag wohl so weiter, wie der gestrige aufgehört hat. Wir unterhalten uns noch ein bisschen mit dem Hüttenwart, als er kurz darauf auch aufsteht und verabschieden uns um halb acht mit einem „See you later“ von Keith, dem Amerikaner. Er hat dasselbe Ziel wie wir: die Skarvheim Hütte. Bzw. ist das keine klassische Hütte, sondern ein ehemaliges Wohnhaus, das zu einer kleinen DNT-Unterkunft umfunktioniert wurde. Die Strecke dorthin ist mit 13 km ziemlich kurz, aber in Anbetracht der Wetterlage vermutlich ausreichend. Zu Beginn geht unser Plan auf. Wir starten tatsächlich im Trockenen, also nur in Nebelfeuchte.
Die nächsten zwei Stunden geht es wieder über Steine. Im Gegensatz zu gestern ist das hier aber überwiegend „nur“ ein steiniger Weg, der gelegentlich von einem Geröllfeld unterbrochen wird.
Da alles ziemlich feucht ist, müssen wir besonders gut auf unsere Schritten achten. Nach gut einer Stunde setzt leichter Regen ein. Der stört noch nicht wirklich, reicht aber aus, um alle Oberflächen nass zu machen.
Wir schleichen nun eher über die grün-gelb bewachsenen Steine. Jeder Fuß wird vorsichtig gesetzt und ich bin mal wieder froh über die umlaufende Sohle meiner Wanderschuhe. Es ist total praktisch, dass ich meine Füße damit zwischen Felsen klemmen kann, sodass ein Wegrutschen nicht möglich ist.
Ganz verhindern können wir Rutschpartien nicht, aber alles geht gut. Uns kommen insgesamt sechs Leute entgegen, von denen fünf zur Bjordalsbu gehen und einer zelten möchte. Alle berichten uns von dem netten Skarvheim-Haus. Wir freuen uns also schon. Als wir die Steinfelder endgültig hinter uns gelassen haben, entspannt sich der Weg ziemlich.
Normale Wanderwege liegen nun vor uns, die bergab zur Hütte führen. Zusätzlich zum Weg bessert sich auch das Wetter. Der Regen lässt nach und es klart auf. Die dicken Wolken hängen in den höheren Lagen fast. Da der Weg so schön einfach zu gehen ist und man dabei endlich mal in der Gegend rumgucken kann, rutsche ich natürlich doch noch aus. Auch hier liegen nämlich vereinzelt rutschige Steine auf dem Weg, auf die ich nun aber nicht mehr bewusst achte. So tun mir die Knie auf den nächsten Metern ziemlich weh, aber dann ist alles wieder gut.
Nach insgesamt vier Stunden erreichen wir unser Ziel. Das Haus liegt direkt an der Straße, ist aber etwas versteckt im Grün hinter der Leitplanke. Ausgeschildert ist es ebenfalls nicht. Man muss also wissen, wo man hinwill.
Im Haus begrüßt uns Carlos aus Madrid. Er pausiert hier heute und wartet auf besseres Wetter. Wir verstauen unser Gepäck in einem Dreierzimmer. Vielleicht haben wir wieder Glück und bleiben zu zweit. Dann gönnen wir uns nacheinander den großen Hausluxus! Denn hier gibt es nicht nur Strom, sondern auch fließendes Wasser und eine Dusche! Es ist halt ein richtiges Wohnhaus! Herrlich.
Mit einer Kanne Tee sitzen wir anschließend auf dem Sofa und erzählen ein bisschen, bis Keith eintrudelt. Zu dem Sturm draußen hat sich inzwischen auch starker Regen gesellt, sodass wir alle froh sind, drinnen zu sein.
Und dann wird es ganz allmählich abenteuerlich in der kleinen Hütte. Schlafplätze gibt es für neun Personen. Bis zum Abend sind wir 12. Gefühlt spielen wir Reise nach Jerusalem, damit alle abwechselnd einen Platz in der Küche, am Esstisch und der Couch finden. Nach jedem Gang zum Klo habe ich das Gefühl, dass ein bis zwei Leute dazugekommen sind. Zu uns ins Schlafzimmer gesellt sich Anne aus Deutschland. Heute haben wir also noch Spanien, die USA, Norwegen und ein Pärchen aus Australien hier. Bei den anderen habe ich es vergessen. Das australische Paar flüchtet am Abend trotz Wetter ins Zelt. Ihnen ist das zu voll hier und ich kann das absolut nachvollziehen. Hätten wir unser Kaitum dabei, hätten wir heute auch gezeltet, aber das Anaris ist eindeutig ein Sommerzelt und nicht für so ein Wetter geeignet. Es ist laut, wuselig und sehr warm, weil jede Menge Kleidung über dem Ofen getrocknet werden muss. Wir sind ziemlich froh, dass das Wetter morgen besser ist und wir wieder ins Zelt können.
Mein absolutes Highlight sind heute aber zwei junge Frauen, die früh am Nachmittag in der Hütte stehen und fragen, ob es hier eine Karte zu kaufen gibt. Sie würden den Weg zur Bjordalsbu suchen und rennen. Ernsthaft rennen! Ich weiß ja, dass es Leute gibt, die sowas machen, aber es kommt mir dennoch völlig irre vor. Statt einer Karte helfen wir mit einer Wegbeschreibung zum Einstieg des Wanderwegs aus und die zwei spurten von dannen.
Als wir ins Bett gehen, wünscht Carlos uns eine „Gute Nacht und süße Träume“. Ein bisschen Deutsch kann er und die Floskeln nutzt er bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Es ist sehr niedlich. Leider kann ich mich nicht auf spanisch revanchieren.
Ich weiß nicht, wo sich die übrigen Leute, die kein Bett haben, verteilen, aber das stellen wir wahrscheinlich morgen früh fest… So war der Tag jedenfalls sehr ereignisreich, trotz nur kurzer Wanderstrecke.
Tag 13, 8. August 2024
Wider Erwarten war die Nacht einigermaßen ruhig. Da Stefan und ich uns aber eine 1,40er Matratze teilen mussten und die schon ziemlich durchgelegen war, war der Erholungsfaktor nicht ganz so groß.
Beim Frühstück ist es ebenfalls noch ruhig. Es sind noch nicht alle wach und die Gesprächsbereitschaft ist morgens deutlich geringer. Wir verabschieden uns um halb 9 und gehören mit zu den ersten, die gehen. Nur Carlos war deutlich früher weg. Ich glaube, er ist geflüchtet. So hat er sich seinen Pausentag gestern wohl nicht vorgestellt.
Für uns geht es direkt nach dem Start bergauf in Richtung der Sulebu Hütte. Irgendwo hinter der Hütte wollen wir heute einen Zeltplatz finden. Zu Beginn sieht es noch so aus, als könnten wir heute einen sonnigen Tag erwischen, doch stattdessen machen sich nach und nach wieder dunkle Wolken breit.
Der erste Anstieg ist schnell geschafft und führt uns hinein in die Berge. Schön ist es hier, vor allem wenn man die Umgebung mal wieder sehen kann. Wir genießen den normalen Weg, ganz ohne Geröllfelder. Richtig leichtfüßig kommen wir uns vor.
Nach zwei Stunden machen wir die erste Pause und planen währenddessen unsere verbleibende Woche. Die Wettervorhersage ist, gelinde gesagt, durchwachsen. Aber auch wir können wohl nicht immer und überall nur gutes Wetter haben. Schnell buchen wir den Bus zum Flughafen und eine Hütte für die letzten beiden Nächte. Die Pause wird damit deutlich länger als gedacht und wir sind danach ziemlich durchgefroren.
Mit schnellen Schritten laufen wir uns anschließend wieder warm, bis wir zu einem Fluss kommen. Wir suchen noch nach einer Stelle, die uns eine Querung mit Schuhen erlaubt, da fallen plötzlich Regentropfen. Ein Blick zurück zeigt uns deutlich, dass wir nun schleunigst Regenkleidung anziehen sollten.
Für die nächsten 1,5 Stunden schüttet es und um das Ganze noch zu krönen, gibt es zusätzlich eine fiese Hagelschauer.
Auch die folgenden Flüsse schaffen wir dennoch trockenen (oder in meinem Fall nicht bedeutend nasser werdenden) Fußes, auch wenn das ein oder andere Mal ein paar gewagtere Schritte dabei sind.
Doch als sich der Regen verzieht, wird es tatsächlich schön.
Der Himmel klart auf und teilweise kommt sogar die Sonne heraus. Nur kalt bleibt es trotzdem. Die Temperaturen sind deutlich gesunken und der Wind ist einfach kalt.
An einer Stelle rutsche ich aus, falle, tue mir aber nichts. Während ich anschließend weitergehe, habe ich aber das Gefühl, einen Knick in der Optik zu haben. Warum sieht mein linker Trekkingstock so komisch aus? Im Gegensatz zu mir hat der bei dem Sturz eindeutig etwas abbekommen und ist nun dezent verbogen. Schade! Ich hoffe, dass er die nächste Woche noch übersteht…
Während unserer nächsten Pause sehen wir zwei Personen auf uns zukommen. Das müssen Keith und Eliene (eine in Kopenhagen lebende Niederländerin, hatte ich gestern vergessen) sein. Die beiden gesellen sich zu uns und ab da gehen wir als Vierergruppe gemeinsam weiter.
Gestern hatten uns ein paar Leute erzählt, dass man hier lange und entspannt auf einer Ebene gehen würde. Wir wissen alle nicht, wo das sein soll. Meistens geht es nämlich bergauf. Kurz vor dem höchsten Punkt des Tages dürfen wir dann doch noch über Steine kraxeln. Im Trockenen macht das aber wieder Spaß.
Am höchsten Punkt des Passes, den wir überqueren, halten Keith, Eliene und ich es für eine kluge Idee, Kontaktdaten auszutauschen. Stefan fragt uns, ob wir wohl noch ganz gescheit sind, dass am kältesten, weil windigsten Punkt zu machen. Nur formuliert er das deutlich höflicher.
Wir sehen also zu, dass wir wieder absteigen und nutzen in der tiefergelegenen Ebene die Gelegenheit für ein Gruppenfoto.
Es ist tatsächlich eine nette Abwechslung, heute zu viert zu gehen. Wir bemerken gar nicht, wie die Kilometer an uns vorüberziehen und kommen gemütlich voran.
Trotzdem ist es schon 17 Uhr, als wir die Sulebu erreichen.
Innen ist ein Franzose, dem ich helfe, im Jøtul-Ofen ein Feuer zu entfachen. Die Hütte ist total gemütlich. Doch das Zelt lockt uns noch viel mehr. Wir verabschieden uns von Keith, der hier bleibt und auch von Eliene, die zwar auch zelten wird, aber erst noch die zwei Provianträume durchforstet und deshalb später weitergeht. Keith‘ Einladung nach Montana behalten wir aber sehr gut im Kopf!
Zwei Kilometer nach der Hütte finden wir einen Zeltplatz.
Kurzzeitig haben wir sogar noch schöne Ausblicke auf die Berge Jotunheimens. Das sieht toll aus!
Aber gerade freuen wir uns vor allem über die warmen Schlafsäcke. Mit ca. 4 Grad ist es hier wirklich frisch!
Tag 14, 9. August 2024
Die Nacht im Zelt ist herrlich erholsam. Am frühen Morgen setzt der angekündigte Regen ein und wir drehen uns nochmal um und schlafen besonders lang. Eile haben wir nicht, denn heute gibt es nur einen ganz kurzen Wandertag.
Uns trennen nur noch 8,5 km von dem Ort Tyinkrysset, der eigentlich nichts zu bieten hat außer einem kleinen Supermarkt und einem Intersport. Da wir uns für die kommenden Tage neu verpflegen müssen, ist der Supermarkt nötig. Und da das Wetter heute Dauerregen bietet, haben wir uns ein Zimmer gemietet. Zum Glück dürfen wir schon eher als 15 Uhr einchecken und so machen wir uns um halb 11 auf den Weg.
Es regnet Bindfäden und ist sehr kalt. Meine Hände frieren sofort an den Stöcken fest. Wozu habe ich nochmal Handschuhe im Rucksack? Ich weiß es auch nicht…
Doch nach und nach werden die Hände wärmer und dank wasserdichter Socken sind die Füße heute auch angenehm warm (warm sind sie sonst auch, nur halt nicht auf eine angenehme Weise).
Nach nur drei Kilometern durch das Fjell führt unser Weg auf einer Straße und ein paar Nebenwegen entlang. Ganz im Wandertrott vergesse ich teilweise fast das Wetter um mich herum, doch jeder Blick nach vorne erinnert mich daran, dass es weiterhin schüttet. Selbst den Schafen ist das Wetter zu fies. Sie haben es sich immer wieder unter den Vordächern der Häuser gemütlich gemacht oder zumindest Schutz vor dem Regen gesucht. Wir sind eindeutig nicht traurig, dass wir nicht den ganzen Tag im Regen unterwegs sein müssen. Unser Zimmer bzw. kleines Apartment gehört zu einem Container-Motel. Von außen wirkt es etwas speziell, von innen ist es aber wirklich liebevoll gestaltet. Wir sind sehr begeistert, zumal wir hier „nur“ 84 € zahlen. Endlich mal normale Preise! Der Joker (Supermarkt) ist nur 50 Meter entfernt, sodass wir schnell die Einkäufe erledigen und dann keinen Fuß mehr vor die Tür setzen. Das lohnt sich, denn der Regen hält sich hartnäckig bis zum späten Abend.
Wir haben also einen entspannten Resttag. Nur die Dusche will bei uns nicht warm werden. Der Vermieter ist aber sehr bemüht und so gehen wir zum Duschen in ein anderes (natürlich freies) Zimmer. Danach ist die Kälte von draußen endgültig vergessen und wir machen es uns gemütlich.
Fortsetzung folgt…
Strecke
Unsere Route im Überblick:
7 Wandertage, 124 km, 5.306 hm
Das unterhalb der Karte angezeigte Höhenprofil bezieht sich auf die (erste) ausgewählte Teilstrecke. Die einzelnen Teilstrecken können innerhalb der Karte ausgewählt werden.
Dieser Beitrag hat 0 Kommentare