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Norwegen 2024 Teil 1, Hardangervidda

Tag 4, 30.07.2024

In der Nacht ist Stefan ein Oropax aus dem Ohr gefallen. Da es sowieso ruhig ist, beschließt er, den einfach in der Hand zu halten und nicht wieder ins Ohr zu stecken. Irgendwann träumt Stefan und im Traum hält er ein leckeres Lakritz in der Hand…
Die Erkenntnis, dass das kein Latritz war, ist zum Glück schnell da und definitiv etwas fies. Aber auch ziemlich lustig – zumindest für mich, als Stefan mir die Geschichte nach dem Aufwachen erzählt.

Der Tag hält heute wieder viel Wind für uns bereit. Die Sonne wird erst noch von Wolken verdeckt, aber wir sind zuversichtlich, dass sie später kommt.

Kurz nach unserem Start kommt uns ein norwegisches Paar mit Hund entgegen. Wir bekommen die Info, dass der weitere Weg zur Mårbu „shitty“ sei und man den Fluss ohne Schuhe furten müsse. Die Aussichten sind also mäßig, wir bleiben aber erstmal optimistisch. Das lohnt sich, denn der Fluss ist kinderleicht über Steine zu queren, die sogar von unserer Seite aus bestens markiert sind.

Von der anderen Seite sind die Markierungen deutlich spärlicher. Vielleicht haben sie die Querung deshalb nicht entdeckt. Der Weg zur Hütte bietet dann tatsächlich einige fiese Sumpfstellen, aber insgesamt überwiegen die guten Wegstücke unserer Meinung nach.

An der Mårbu Hütte angekommen, sind wir ganz begeistert. Die Lage ist toll und innen ist die bewirtschaftete Hütte super gemütlich eingerichtet. Hier machen wir gerne eine Pause!

Statt eines zweiten Frühstücks gibt es ein verfrühtes Mittagessen mit Bratkartoffeln und Spiegelei.

Wir teilen uns eine Portion und machen uns dann wieder auf den Weg. Das Essen war lecker, hängt mir aber die nächsten Stunden bleischwer im Magen. Beim nächsten Mal lieber wieder eine Waffel…

Nach unserer Pause ist die Sonne da und wärmt uns trotz Wind gut auf. Die Landschaft auf dem weiteren Weg ist wunderschön und der Weg selbst ist super bequem und einfach zu gehen.

Wir kommen gut voran. Es macht richtig Spaß. Heute ist unterwegs relativ viel los im Vergleich zu den letzten Tagen. Uns kommen über den Tag verteilt vermutlich so ca. 15 Leute entgegen. Fast alle sind norwegisch, unschwer an den Rucksackungetümen und den Angeln zu erkennen.

Ab ca. 15 Uhr ziehen dichte Wolken auf und es wird richtig kalt. Wir versuchen eine Weile, gegen die Kälte anzuwandern, denn schließlich haben wir in solchen Momenten immer Silvio im Ohr: „Ist dir kalt, bist du zu langsam“. Der Aufstieg auf den letzten Berg hilft dabei ziemlich, aber oben auf 1350 m ü. N. gewinnt der Wind dann doch. Stefan schlüpft in eine lange Hose und eine zusätzliche Jacke, ich in eine weitere Jacke. Zum Schuhe aus- und lange Hose anziehen, bin ich zu faul. Hauptsache der Oberkörper ist warm. Das klappt für uns beide gut!

Nach 20 km machen wir uns allmählich auf die Suche nach einem Zeltplatz. Etwas windgeschützt soll er sein und möglichst eben. Erst drei Kilometer später werden wir fündig.

Das Stück Wiese wird ansonsten wohl von Schafen bewohnt, aber die sehen wir gerade nicht und wir hoffen sehr darauf, dass wir hier nicht auf ein Psychoschaf treffen… Die norwegischen Tiere (mit Ausnahme der fliegenden Stechplagen) waren bisher zumindest immer friedlich. Wir blicken der Nacht also hoffnungsvoll entgegen.

Übrigens hat mir eine Kollegin letztens ein Instagram-Video zugeschickt, auf dem ein Pärchen in Theth von einem Pferd attackiert wurde. Das Tier kam uns merkwürdig vertraut vor. Entweder spinnen da mehrere Pferde oder es gibt wirklich nur das eine, dass gerne auf Leute losgeht. Wer weiß. Wir wollen das nicht herausfinden, aber falls nochmal jemand in der Gegend ist, wären wir durchaus neugierig.

Tag 5, 31.07.2024

Die Schafe waren friedlich. Dafür rappelte der Wind ab 4 Uhr wieder ordentlich am Zelt. Wir starten am Morgen also mit langen Hosen und doppelter Jackenschicht. Der Wind ist eisig und die Sonne kann sich noch nicht durchsetzen. Der Weg verläuft heute wieder überwiegend entspannt und in einer herrlichen Landschaft.

Um uns herum ist wieder endlose, raue Natur, kleinere und größere Erhebungen, Seen und dazwischen weite Fläche. Wir folgen dem Weg bis zur Abzweigung zur Rauhelleren-Hütte, lassen diese aber zur Abwechslung mal aus. Es ist noch früh am Tag und da die Hütte ca. einen Kilometer abseits des Weges liegt, sparen wir uns den Weg.

Als wir ein paar Kilometer weiter gerade unsere erste Pause beenden wollen, kommen wir mit einem Norweger ins Gespräch. Wir haben dasselbe (Zwischen-)Ziel und begegnen und auf dem Weg heute häufiger.

Wir unterhalten uns über das Wandern, die Bedeutung von Bewegung für die physische Gesundheit und das politische Weltgeschehen. Eine ganz schön bunte Mischung. Besonders beeindruckt uns seine Haltung. Er hat Typ 1 Diabetes und sagt klar, dass er nicht Diabetiker ist, sondern jemand mit (!) Diabetes. Ein großer Unterschied. Er ließe sich von der (bei ihm ungewöhnlicherweise plötzlich aufgetretenen) Erkrankung nicht sein Leben verderben, sondern würde weiterhin aktiv sein, nur dass er jetzt besser auf sich achten müsse und leider mehr Gepäck dabeihätte. Wir finden die Haltung wunderbar und wünschen ihm, dass er noch lange so weitermachen kann!

An der Heinseter-Hütte verabschieden wir uns. Er hat sein Tagesziel erreicht und wir gehen nach einer kurzen Rast weiter. Die Sonne strahlt inzwischen wieder vom Himmel, doch der Wind bleibt frisch. Vorgenommen hatten wir uns, nach der Hütte zeitnah einen Zeltplatz zu suchen. Unmittelbar am Wanderweg stehen, wollen wir heute aber nicht. Und so beginnt die Odysee namens Zeltplatzsuche. Es ist wie verhext. Wir sind in einer wunderbaren Umgebung und wirklich nicht wählerisch, aber es gibt einfach kein halbwegs ebenes und/oder trockenes Fleckchen Erde, auf das unser Zelt passen würde. Tatsächlich dauert es von der Hütte aus noch weitere fünf Kilometer, bis wir eine brauchbare Stelle finden. So kommen wir auf knapp 24 km. Da der Weg wieder entspannt war, hätten wir auch ohne Probleme noch weiter gehen können, aber wenn man sich auf ein Ende nach 20 km und einen frühen Feierabend einstellt…

Gegen Abend lässt der Wind nach und wir freuen uns darüber, schon wieder so einen wunderbaren Tag hier erlebt zu haben. Als kleine Nachtmusik hören wir leichten Wind, ein paar Krähen und diverse Schafsglöckchen, die mal näher und mal ferner zu hören sind.
Uns geht es hier wieder wirklich gut!

Tag 6, 01.08.2024

Am Morgen ist um uns herum noch viel Nebel. Es ist feucht und kalt.

 

Also ziehen wir uns warm an und machen uns auf den Weg. Geplant ist heute ein kurzer Tag mit 15 bis 17 km und morgen ein ganz kurzer mit 10 km bis Geilo.

Kurz nach unserem Start kommt die Sonne heraus und vertreibt in Windeseile sämtliche Wolken. Es wird schlagartig warm, insbesondere weil es heute windstill ist.

Also ziehen wir die Jacken aus und cremen uns schnell ein. Was für ein Wetter!

Der Weg ist wieder gut zu gehen, so dass wir zügig vorankommen. Als erste Pausenstelle peilen wir die Tuva Fjellstue an. Als wir sie schon sehen können, entdeckt Stefan zufällig, dass er Netz hat. Da wir gerade noch ein ganzes Stück oberhalb der Hütte sind und nicht wissen, ob, wo und wie lange das Handynetz hält, machen wir hier eine schnelle Pause, um eine Unterkunft für Geilo zu suchen.

Und dabei überrascht Stefan mich. Ob wir nicht doch heute nach Geilo gehen sollen, fragt er mich. Gestern hat er sich einmal blöd vertreten und nun wäre ein ganzer Tag Pause für sein Bein vielleicht doch besser. Das Argument kann ich nachvollziehen, also werden die Suchdaten angepasst und die Streckenplanung für heute um 10 km erweitert. An denen soll es nicht scheitern. Die Pause ist damit etwas länger als gedacht, aber der Plan steht nun und so richtig überrascht bin ich letztlich auch irgendwie nicht. Wahrscheinlich ist es klüger, einen ganzen Tag Pause zu machen und so fit für die kommenden Strecken zu bleiben. Ist ja schließlich Urlaub hier.

Also lassen wir Tuva links liegen, sind nur einen klitzekleinen Moment traurig, als zwei Männer mit Waffeln auf die Terrasse kommen und gehen dann weiter bergauf. Die nächste Pause wollen wir auf dem Gipfel des Ustetind machen (etwas über 1300m). Der Weg dorthin ist ebenfalls gut zu gehen. An zwei Stellen schlängelt er sich jedoch (meiner Meinung nach) unnötig an Sumpfflächen vorbei. Bei der ersten folgt Stefan dem offiziellen Weg und sieht, dass meine „Sumpfalternative“ gut funktioniert. Also überlegt er bei der zweiten Stelle nicht lang und geht mutig voraus. Hier ist der Sumpf leider wirklich fies, aber Stefan schafft es. Ich nicht. Im allerletzten Schritt trete ich neben den im Matsch verstecken Stein, versuche mich irgendwie zu retten und so versinkt mein rechtes Bein bis zum Knie. Was für eine widerliche Angelegenheit! Aber die Sonne wird es schon richten.

Im Schuh ist alles trocken geblieben und das ist die Hauptsache.

Auf dem Ustetind angekommen, teilen wir uns den Gipfel mit einigen anderen Leuten. Aber wenn nicht bei so einem Wetter dort hoch, wann dann? Wir haben eine kilometerweite klare Sicht auf die Hardangervidda, den Hardangerjøkullen und auch auf unseren weiteren Weg.

Knapp die Hälfte der Tageskilometer sind geschafft. Es ist also noch einiges zu tun bzw. zu wandern.

Während der Pause stelle ich plötzlich fest, dass mein dünnes graues Buff-Tuch verschwunden ist. Ich weiß nicht wann oder wo, aber vermutlich habe ich es eher neben als in die übliche Außentasche gesteckt. Ärgerlich! Doch bei dem heutigen Wetter brauche ich es nicht und morgen kann ich mir in Geilo ein neues kaufen. Dort gibt es gleich mehrere Sportgeschäfte.

Als wir vom Gipfel absteigen, haben wir die Idee, dass es nun nach Geilo quasi nur noch bergab geht. Doch die Realität sieht mal wieder anders aus. Wir kommen für etliche Kilometer in eine wunderhübsche Gegend, die aus kleinen und größeren Hügeln besteht, zwischen denen sich immer wieder kleinere und größere Seen befinden. Hinauf, hinab, hinauf, hinab. Wieder und wieder und wieder.

Eine gefühlte Endlosschleife. Ich lenke mich mit ein paar Truecrime-Podcasts ab. Quasi als Kontrastprogramm zu dieser Idylle um mich herum. Auf dem (hoffentlich) letzten Hügel gibt es die letzte Pause. Noch 7,5 km bis Geilo! Endspurt! Uns kommen auf diesem Weg viele Tagestouristen entgegen. Umso erstaunter sind wir, als der Weg kurz darauf über ein paar ungemütliche und steinige Blockfelder führt, die wenig bis gar nichts mit den bisherigen schönen Wanderwegen zu tun haben. Dann kommen wir an einem See an. Unser Weg führt rechts herum, aber links scheint es auch einen zu geben. Der wäre kürzer. Aber führt deutlich näher am Seeufer (=Sumpf) entlang. Es ist ein Risiko, aber der Weg wäre kürzer… Also Risiko!

Und das lohnt sich total. Der Weg ist super schön, klein und trotz kleiner Hürden hier und da nicht schwierig. Wir freuen uns, hier entlanggegangen zu sein.

Danach stehen wir plötzlich auf einer Skiloipe. Nur noch 4 km bis zum Ziel!

Der Wanderweg im Skigebiet ist schlecht markiert, teilweise nicht mehr vorhanden und insgesamt chaotisch, aber wir schaffen es zur Straße und freuen uns nun richtig auf die Dusche, ein leckeres Abendessen und einen freien Tag. Um 17.50 Uhr sind wir nach 27 km in unserem Apartment.

Das Gebäude hat ein bisschen 70er Jahre Chic, die Wohnung bietet aber alles was wir brauchen.

Nach der Dusche geht es zum Einkaufszentrum 200 m weiter und danach nur noch auf die Couch.

Tag 7, 02.08.2024

Heute ist Pause angesagt. Nach dem Frühstück gehen wir für die kommenden Tage einkaufen. Zuerst zum Intersport, um ein neues Buff zu kaufen. Der Ständer ist schnell gefunden, doch zuerst sehe ich nur rosafarbene Bänder oder dicke Tücher. Ein dickes habe ich noch. Muss ich jetzt wirklich mit rosa rumlaufen? Ohje… Doch kann entdecke ich hinter den dicken Tüchern ein wuuuuunderschönes dunkelgrünes Tuch. Wie für mich gemacht! Das wird sofort gekauft und dann geht es zum Rema 1000. Die Einkaufsroutine sitzt noch und so müssen wir vor den Regalen nicht lang überlegen, was wir die kommenden Tage essen wollen.

In der Wohnung portioniere ich die Lebensmittel, während Stefan unsere Wäsche in die Waschmaschine steckt. Den restlichen Tag verbringen wir mit lesen, lernen (ich), Routenplanung (Stefan) und faul rumliegen. Eigentlich ein normaler Pausentag, aber diesmal ohne Blogbearbeitung. Auch mal schön. Das hat dann doch etwas mehr von Pause.
Ab morgen geht es dann weiter in Richtung Jotunheimen. Die Wettervorhersage kippt ein wenig, aber darauf geben wir gewohnt wenig. Es kommt sowieso wie es kommt. Und dann machen wir einfach das Beste draus.

…Fortsetzung folgt!


Strecke

Unsere Route im Überblick:

6 Wandertage, 123 km, 5.603 hm


Das unterhalb der Karte angezeigte Höhenprofil bezieht sich auf die (erste) ausgewählte Teilstrecke. Die einzelnen Teilstrecken können innerhalb der Karte ausgewählt werden.

Comments (1)

  1. Hallo Ihr zwei,
    mit Spannung habe ich auf Euren Reisebericht aus unserem Lieblingsreiseland 🇧🇻 gewartet. Wie jedesmal bin ich begeistert und warte schon auf den nächsten Bericht. Ihr schafft es immer wieder aufs Neue einen für das Wandern in Norwegen zu begeistern 😊.
    Viele Grüße
    Christian

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